Story des Monats

Dezember 2000


 
Czanyi Mathias

Czanyi Mathias


Ob die Geschichte wahr ist, weiß ich nicht aus erster Hand: irgendwer hat sie mir einmal erzählt und dann habe ich sie mehrfach - in leicht veränderten Variationen - aus anderen Ecken gehört, und heute bin ich der Überzeugung, daß sie sich zumindest ähnlich wirklich abgespielt hat.

Der große, unvergleichliche, wunderbare DUKE ELLINGTON gastierte in Wien und ging nach dem Konzert auf einen Drink in FATTY GEORGE's Saloon.

Und dort hörte er den kleinen ungarischen Zigeuner-Geiger CZANYI MATHIAS, dessen Klänge weit weg waren von jedem Primas und auch weit weg von den Spielidealen eines DJANGO REINHARDT und STEPHANE GRAPELLI, die als erste Europäer der Musik der Neuen Welt entscheidende Impulse gaben.

Der DUKE war begeistert. Diesen Mann wollte er für seine Band haben. Er bot höchstpersönlich - via einem liebenswerten Dolmetscher - dem CZANYI einen Vertrag an, hochdotiert, eine wirklich einmalige Chance für den bei uns schon heimisch gewordenen Ungarn.

CZANYI war - no, na - ebenfalls begeistert, unterschrieb, und stellte sich tags darauf - ausnahmsweise pünktlich - im Hotel des DUKE ein, um gleich und stante pede mit dem wohl berühmtesten Jazz-Orchester aller Zeiten auf Tournee zu gehen.

Und dann erfuhr der gute CZANYI, daß solch eine Tournee sich sehr häufig eines Verkehrsmittels bedient, das einem gläubigen Zigeuner unheimlich und fast unvorstellbar ist - dem Flugzeug.

"Nichts und niemand bringt mich in solch ein Teufelszeug", sagte der CZANYI, packte seine Geige wieder unter den Arm und verließ das DUKE ELLINGTON Orchester ohne einen Ton gespielt zu haben.

Er ging zurück zu FATTY, wo er auch nicht berühmt wurde, spielte eine hinreißende und nicht-jazzige und trotzdem so swingende Musik im "Abbazia", dem "Ragusa" und wie die Lokale noch hießen. Und trat auch einige Male im JAZZLAND auf - mit seiner nicht zu charakterisierenden Musik, schwermütig und doch swingend, modern-abstrakt und gleichzeitig voller melodischer Folklore.

Aber dieser kleine Erfolg war ihm nicht genug. Er wurde immer weniger, trank immer mehr, um schließlich nach München zu übersiedeln, wo er dann plötzlich, aber nicht unerwartet, starb.

Ich weiß nicht, wo er begraben ist.


© Axel Melhardt
Story