Story des Monats

November - Dezember 2001


 
Barney Kessels Verstärker

Barney Kessel, Salmo Köhler, Joschi Schneeberger, Joschi Weinrich, Zipflo Weinrich
Salmo Köhler g, Joschi Schneeberger b, Barney Kessel g, Joschi Weinrich g, Zipflo Weinrich v


Als Barney Kessel zum ersten Male nach Wien kam, da schickte er schon Wochen vorher eine genaue Beschreibung des speziellen Gitarrenverstärkers, auf dem er seinen spezifischen Sound erzielte, und ohne den er auf keinen Fall auftreten wollte. Leichtsinnig wie ich nun einmal bin (und voll der Überzeugung, daß es absolut nichts gibt, was es in Wien nicht gibt) schob ich die Besorgung dieses notwendigen Utensils auf die bekannte lange Bank. So zirka eine Woche vor dem Termin, fragte ich einen Gitarristen - ich glaube es war Gerd Bienert - wer denn einen solchen Verstärker haben könnte.

"Ui", kam es kryptisch, "da kenne ich niemanden, aber ich werde mich umhören."

Nach einigen Tagen - Barney's Auftritt kam immer näher - kam dann endlich ein Anruf: "Der Ewald hat einen. Den erreichst Du am besten um 15.00 Uhr unter......." Dann kam eine Telephonnummer.

Ich rief wie empfohlen Punkt 3 p.m. an. "Kann ich bitte den Ewald sprechen?"

"Ja, einen Moment, ich hole ihn", klang es dann - es war schon der erste Tag des Kessel-Gastspieles, und ich war schon bis zum Zerplatzen nervös - aus dem Fernsprechrohr. Im Hintergrund undefinierbare, aber sehr zahlreiche Geräusche.

"Ja, bitte?"

Ich erklärte dem Fragr mein Begehr.

"Für Barney Kessel - selbstverständlich. Ich bringe den Verstärker um 17.45 Uhr zu Euch - keine Erklärungen, ich kenne das 'landl."

Ich kam schon um 17.30 Uhr zum Franz-Josefs-Kai, ein mir unbekannter Herr stand schon vor der geschlossenen Pforte. Ich bedankte mich sehr, sehr herzlich und wollte ihn zum abendlichen Konzert, zur ganzen Konzert-Serie, auf alle Getränke und auch zum Essen einladen, aber er meinte sofort, daß er leider keine Zeit habe und vielleicht spät auf einen Sprung vorbei kommen würde.

Erst knapp vor der absolut letzten Zugabe kam er dann wirklich in den Keller, setzte sich in die inzwischen schon wieder frei gewordene erste Reihe und lauschte verzückt seinem Verstärker.

Ich frug den ebenfalls verzückt lauschenden Woody Bienert, wer denn eigentlich dieser Ewald sei. "Ich glaube er arbeitet in einer Küche", meinte ich, "die Hintergrundgeräusche ließen darauf schließen. Daß der sich so einen teuren Verstärker leisten kann?"

"Was heißt hier, er arbeitet in einer Küche - dem gehört die Küche, das ist der Ewald Plachutta. Der Chef und Meisterkoch der "Drei Husaren".

Inzwischen hat der Ewald sein eigenes Imperium aufgebaut, er hat immer noch den besten Verstärker von Wien - nur der Barney Kessel kann leider nicht mehr kommen. Er hat sich von seinem Schlaganfall zwar einigermaßen erholt, aber Gitarre spielen wird er leider nie wieder können.


© Axel Melhardt
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