Story des Monats

Mai - Juni 2005


 
ART HODES

Art Hodes, Harry Jirsa Art Hodes, Martin Treml
Art Hodes p, Harry Jirsa tb Art Hodes p, Martin Treml b
 

AIs der 1904 im winzigen Nikolajew in der Nähe von Odessa in der ehemaligen UdSSR geborene Pianist das erste Mal in Wien war, kam er mit seiner ebenfalls schon betagten ersten Frau - sie war da, er war da, das Gepäck war woanders.

In meiner gefürchteten, charmanten Art wollte ich die Nervosität ein wenig schlichten. "Halb so schlimm", meinte ich, "die Koffer werden schon kommen. Ich mache mir nur Sorgen, ob man im Hotel ein junges Pärchen ohne Gepäck nimmt - ich habe nämlich ein anständiges Hotel besorgt."

Erst inmitten der vibrierenden Metropole Simmering fing dann ART endlich zu lachen an. "Ich bin so alt, daß ich deine Anspielung gar nicht mehr verstanden habe", schmunzelte er endlich.

Einige Jahre später verstarb seine THELMA. ART zog sich zurück. Er saß nur mehr in Park Forest bei Chicago vor dem Fernsehgerät und wollte eigentlich nicht mehr. Seine Musikerkollegen registrierten sein Verhalten voller Sorge, denn trotz seiner Jahre - so gegen Ende der 70 - war er körperlich und geistig voll da, weiterhin imstande, große Musik zu machen, und die Jazzwelt - sogar in Wien - wollte ihn weiterhin hören.

Alles gute Zureden half nichts.

Da griff der Klarinettist KENNY DAVERN, der zu den besten, aber auch zu den klügsten Jazzmusikern zählt, zu einem Trick. Er buchte einen Gig in einem Club in Chicago, reiste zusammen mit einem Schlagzeuger an und rief am Nachmittag den zu Hause sitzenden ART HODES mit Verzweiflung in der Stimme an. Er müsse Konventionalstrafe zahlen und gar nicht wenig, klagte er, denn beim besten Willen sei kein Pianist aufzutreiben. "I called all the numbers", log er. "You have to help me". Nach langem Zögern ließ sich ART schließlich doch breitschlagen und spielte. Nach dem ersten Set drehte er sich um, grinste den guten KENNY an und sagte: "If you don't have a piano player for tomorrow, I'll do the Job." (Wenn Du für morgen noch keinen Pianisten hast, dann spiele ich).

So kehrte ART unter die Musiker zurück, und ich bin sehr, sehr sicher, daß er es keinen Augenblick lang bereut hat. Denn . . .

Wiederum einige Jahre später kam er mit seiner zweiten Frau nach Wien, JANE hatte ihn bei einem Gig irgendwo im Mittelwesten gehört, sie stellten verblüfft fest, daß ART zum Feste ihrer Taufe Anfang der 40-er Jahre in Chicago für sie gespielt hatte, und das Unwahrscheinliche wurde wahr. Eine Liebesgeschichte, wie sie in einem Kitschroman als zu unglaubwürdig vom Lektor gestrichen würde, bahnte sich an, und jetzt - da ART leider auf die Dialyse angewiesen ist - pflegt sie ihn.

Wenn er, was leider sehr selten vorkommt, wieder auftritt, dann ist sie mit dabei und spielt von Jahr zu Jahr ein besseres Piano...

ART war mehrfach in Wien, spielte mit der BARRELHOUSE und der STORYVILLE und diversen Solisten. Am besten paßte er aber mit seinem bluesbezogenen Spiel zu den RED HOT PODS, die auch eine sehr schöne LP mit ihm einspielten, die aber - so fürchte ich - vergriffen ist.

Königlich amüsierte sich ART über einen uralten Pressetext aus der Besatzungszeit nach 1945, worin die Kommunisten anhand seiner Person nachweisen wollten, daß auch der Jazz russischen Ursprungs sei.

Denn schließlich, wie eingangs erwähnt, wurde ART ja in Nikolajew bei Odessa geboren. Daß er in seinem ganzen Leben kein Wort Russisch gesprochen hat und noch als Baby nach Chicago kam, störte die Propagandisten nicht im geringsten . . .


© Axel Melhardt
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