Story des Monats

April 2004


 
DER 4. JULI
 
Big Joe Williams Little Brother Montgomery Robert Pete Williams Roosevelt Sykes Alton Purnell
Big Joe Williams Little Brother Montgomery 1972 Robert Pete Williams Roosevelt Sykes 1974 Alton Purnell

Wenn sich ein US-Stargast in das Meldebuch des jeweiligen Hotels einträgt, dann stehe ich meist hinter ihm und schaue ihm über die Schulter. Das war zuerst Zufall, heute ist es zu einer neugierigen Manie geworden denn - man kann es mir ruhig glauben - die meisten Amerikaner, die aus dem Süden stammen, schwarzer Hautfarbe sind und vor etwa 1929 geboren wurden, sind am 4. Juli geboren worden.

Das liegt nicht etwa daran, daß in den Iden des Oktober allgemeine Lusttage in den Staaten stattfinden, sondern einfach daran, daß in diesen Zeiten keinerlei Aufzeichnungen über Geburten der farbigen Bevölkerung gemacht worden sind. Und wenn dann so ein nicht Erfaßter einen Reisepaß beantragte, so wurde er auch nach seinem Geburtsdatum gefragt. Das Jahr läßt sich ja halbwegs schätzen, beim genauen Tag wird man dann schon etwas stutziger - und so nannten etwa ALTON PURNELL, LOUIS NELSON, COUSIN JOE, ROOSEVELT SYKES, LITTLE BROTHER MONTGOMERY, ALBERT NICHOLAS, THOMAS JEFFERSON und ROBERT PETE WILLIAMS, um nur einige aus einer langen Liste aufzuzählen, das erstbeste Datum, das ihnen einfiel.

Und der 4. Juli ist als Unabhängigkeitstag jedem bekannt.

Verstehen Sie jetzt, warum ich einigermaßen skeptisch bin, wenn in allen Jazz-Lexika steht, daß der größte aller Jazzmusiker, der unvergleichliche LOUIS ARMSTRONG ausgerechnet am Tage der amerikanischen Flagge das Licht der Welt erblickt haben soll?

Ja - man zweifelt sogar zu recht, wie ich glaube, das Jahr an, denn wenn er wirklich 1900 geboren wurde, dann ist er also 1923 mit dreiundzwanzig Jahren angeblich noch mit kurzen Hosen zu KING OLIVER nach Chicago gekommen.

Aber das ist nicht so wichtig - interessant ist vielleicht eine Parallele: beim SATCHMO weiß man nicht, wann er geboren wurde, und bei MOZART weiß man nicht genau, wo er begraben ist.

Die Welt geht nicht besonders freundlich mit ihren Genies um.


© Axel Melhardt
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