Story des Monats

März - April 2012


Kapitel 13 einer (möglichst) langen Serie .....
Axel Melhardt Axel Melhardt plaudert:

 
1972 - 2012  –  40 Jahre Jazzland

Albert Nicholas, Red Hot Pods Albert Nicholas, Red Hot Pods
Eröffnung am 04.03.1972 - Albert Nicholas mit den Red Hot Pods
Photos © ORF Wien
v.l.n.r.: Lothar Reichhold p, Claus Nemeth ts, Albert Nicholas cl, Erwin Frassine bjo v.l.n.r.: Albert Nicholas cl, Erwin Frassine bjo, Michael "Bibi" Libowitzky b, Kurt Lustig co, Satch Wrbka dm
 

Liebe Freunde!

Als wir erfuhren, daß Queen Elizabeth II. die für das Frühjahr 2012 fälligen Feierlichkeiten ihres 60-jährigen Thronjubiläums erst im Juni begehen wird, um den Winterstürmen zu entkommen, erinnerten wir uns an unser 15-Jahre-Fest als sich im März 1987 kaum mehr als 20 Musiker durch den Schneesturm ins 'landl gekämpft hatten.

Die Monarchin feiert im Juni und das können wir auch: zum eigentlichen Jubiläum im März & April bringen wir ein stargespicktes Fest-Programm von der Tradition bis weit hinein in die Moderne, also die komplette Bandbreite, die das JAZZLAND seit 40 Jahren bietet. Das Musiker-Fest findet dann erst nach dem im Frühjahr fälligen Kurz-Eingriff an meinen maroden Beinen im sonnigen Juni statt - die p.t. Musiker und treuesten Stammgäste werden die Details rechtzeitig erfahren.........

Auch wird es – zumindest jetzt – kein neues Buch geben, vielleicht kommt in ein paar Jahren noch ein gewichtiges "Alterswerk" auf Euch zu – das steht noch in den Sternen, in denen man ja bekanntlich nicht lesen kann.

Jetzt wollen wir uns einmal alle gemeinsam freuen, daß es das JAZZLAND noch immer gibt – und vielleicht auch noch ein kleines Weilchen weiter geben wird.

Wie dieses Wunder angefangen hat, wissen wir Alten, denn wir waren dabei – die Jungen können es als Internet-Generation ebendort nachlesen – wo, das findet man weiter untenstehend. Hier nur eine Kurzfassung der "Ersten Tage"......

Wer den moribunden Stadt-Heurigen "Weinfaßl" unter der Ruprechtskirche eigentlich entdeckte, ist heute nicht mehr feststellbar – es gibt einige, gleich wahrscheinliche Theorien, die allesamt nicht mehr relevant sind – Hauptsache war und bleibt die Entdeckung dieses altehrwürdigen Teils der Wiener Katakomben, der gerade die richtige Größe für einen Jazzclub hat – nicht zu groß (man muß keinerlei, oft schmerzliche musikalische Kompromisse eingehen um das Lokal zu füllen) und nicht zu klein (man kann die gerade noch "leistbare" Weltklasse in vernünftigem Rahmen nach Wien lotsen!!!).

Am 4.März 1972 eröffnete jedenfalls das JAZZLAND mit einem Konzert des New-Orleans-Klarinettisten Albert Nicholas¹ und den heimischen Red Hot Pods seine Pforten, womit schon die ersten Meinungsunterschiede aufkeimten, aus denen ich ebenso schnell wie schmerzhaft lernte, daß es bei allem Idealismus blanker Wahnsinn ist, einen Jazzclub (und sicher auch alle anderen "Unternehmen") in einer kollektiven Führung zu leiten – das ist Harakiri mit Anlauf!

Man trennte sich unter lautstarkem Zähneknirschen und seit September 1972 erstelle ich in Eigenverantwortung das Programm und ab dem Oktober 1983 erledige ich auch all die anderen Arbeiten, die dazu notwendig sind, um das "Werkel JAZZLAND" am Laufen zu halten – da kaufte ich nämlich meinem bisherigen Partner die Mietrechte an dem ehrwürdigen Keller ab, den wir vor dem unausweichlichen Konkurs gerettet hatten – kein "gutes Geschäft", aber die Erfüllung einer Lebenstraumes.

Die ersten Monate und Jahre waren ein einziges Bangen und Hoffen ums Überleben, aber das Wunder dauerte länger und länger und daher feiern wir jetzt ein sensationelles 40 Jahres Jubiläum und sind somit – soweit ich es weiß – der älteste Jazzclub der Welt unter kontinuierlicher Leitung.

Und das passiert alles in Wien, wo neben W.A.Mozart und den "Sträußen" angeblich nur Fiaker und Heurige ein ewiges Leben gepachtet haben.

Das alles funktionierte nur, weil sich wie von selbst im Jazzland eine gar nicht so kleine Gruppe von idealistischen Fans ansammelte, die mich in vielerlei Hinsicht (um es stark untertrieben auszudrücken) tatkräftigst unterstützten – darunter auch der heutige Co-Chef des Jazz-Fest-Wien Heinz Krassnitzer, dessen Liebe zur Musik sicherlich in dieser Zeit wichtige Impulse erfahren hat.

Die wesentlichste Persönlichkeit war (und ist natürlich) meine Frau Tilly Melhardt (eine Migrantin aus dem fernen Oberösterreich), die seit dem Oktober 1972 mit mir und mit dem JAZZLAND liiert und später auch verheiratet (oder umgekehrt) ist. Viele sagen wir sind ein unschlagbares Team und ein Musiker sagte einmal: "When Tilly cooks it is tillycious and Axel finds the axellent Restaurants!" – ein schönes Kompliment, über das wir uns immer wieder freuen – vielleicht sogar gerade weil es von einem nicht gerade sympathischen Musiker kam (die gibt es auch – aber sehr, sehr wenige.....).

In den rund 40 Jahren haben wir mit viel Freude viel gearbeitet, viele herrliche Stunden erlebt, fürchterlich viel gemeinsam gelacht, uns manchmal ein wenig über unnötige Schrullen und Launen geärgert, und sehr selten ein wenig heftig diskutiert. Wahrscheinlich durften wir ebenso viel Freude erleben wie wir durch unsere Tätigkeit verbreiten konnten. Wir betreuten hunderte Gast-Musiker und konnten sie mit noch viel mehr heimischen Musikern zusammen spannen, und ich hoffe sehr, daß uns die gegenseitige Auswahl öfters ge- als mißlungen ist – und wenn es einmal schief gegangen ist, dann tut es uns sehr leid, wir haben uns immer bemüht.

Neben dem dringlichen Wunsch fast aller Gäste bald wieder im JAZZLAND aufzutreten, erfreut uns besonders die grenzenlose Verblüffung der jungen USA-Jazzer, wenn sie das erste Mal unsere (hauptsächlich von Peter Brunner geknipste) Galerie an den Katakomben-Mauern studieren: "Wo habt ihr denn die tollen Bilder her?", kommt fast unausweichlich die Frage. Und wenn wir den in der Jazz-Historie erfreulicherweise sehr gut bewanderten Jazzern erzählen, daß alle in unserer Galerie präsentierten Musiker auch wirklich und tatsächlich und persönlich im JAZZLAND aufgetreten sind, dann folgt ein ungläubiges Staunen über die Anzahl der Großen und Ganz Großen Jazzer, die auf dieser winzigen Bühne gestanden sind.

Das vielleicht traurigste Kapitel der gesamten JAZZLAND-Story ist aber das weitgehende Des-Interesse manch heimischer Medien an derjenigen Musikform, die die gesamte Popular-Musik des letzten Jahrhunderts entscheidend beeinflußt, ja geradezu geformt hat. In den letzten 40 Jahren habe ich oft und oft versucht, die Journalisten dazu zu bewegen, das Gastspiel des einen oder anderen Giganten des Jazz ausführlicher anzukündigen, was meist ein freundliches Nicken aber keinen Artikel hervorrief. Kaum war dann aber einer dieser Granden in eine Bessere Welt abberufen worden, kamen dann bestürzte Nachrufe garniert mit dem Hinweis, daß der X vor Y Jahren im Konzerthaus gastiert hatte – auf aktuelle Auftritte vor einigen Monaten im JAZZLAND vergaß man diskret.

Vielen Journalisten (womit – wie generell in der JLP – auch die -Innen gemeint sind) geht es oft nur um Zeitgeist und Aktualität – der ärgerlichste Satz, den ich in unzähligen Kritiken über Kunst in jeglicher Form, (also auch über Jazz) lesen und hören konnte, lautet: "Das war zwar sehr gut – aber nicht innovativ!!!"

Niemand kann Innovatives planen – Neues entsteht! Der Roy Eldridge wollte Louis Armstrong kopieren und sein Genie fand wie von selbst Neues, Dizzy Gillespie wollte wie Eldridge klingen und ein innovativer Geist war geboren und so weiter bis in die Gegenwart. Als sich die Revoluzzer in "Mintons Playhouse" trafen – Chef des Haustrios übrigens unser Freund Eddie "Lockjaw" Davis – wollten sie einfach nur jammen und es entstand der Be-Bop.

Aber mit dem Desinteresse vieler heimischer Zeitungen leben wir seit 40 Jahren und werden es weiter tun – aber manchmal dürfen wir uns über einzelne "Reiskörner standardmäßig" als besonders wertvolle und rare Ausnahmen herzlich freuen. International bekommen wir hin und wieder schöne Artikel über das JAZZLAND zu Gesicht – das "Down Beat" und das "Jazz-Podium" finden lobend bis enthusiastische Worte und die Berichte auf Türkisch, Portugiesisch und Japanisch erkennen wir leider nur an den Bildern........

Viel besser ist es uns im Laufe der Jahrzehnte mit unserem Team ergangen – Tilly und ich hatten in all den Jahren immer wieder hervorragende Freunde, die mit uns das JAZZLAND gestalteten und in Schuß hielten. Eigentlich fast alle von ihnen haben nach ihrer Zeit im tiefen Keller "Karriere" gemacht – sie sind Ärzte für Mensch und Tier, Betriebswirte, Lektoren und Intendanten, Journalisten und Juristen geworden und in vielen anderen honorigen Berufen tätig, fast alle kommen aber immer wieder in den Keller, um ihre Verbundenheit mit diesem schönen Teil ihrer Jugend nicht ganz einschlafen zu lassen.

Aber es gibt auch "ewige Felsen in der Brandung"!

Seit 1982 ist Martin Mayer² bei uns, über den es natürlich auch schon im allerersten Buch eine Story gab, die jetzt im Internet zu finden ist. Ohne seine Treue und Einsatzbereitschaft wären die letzten 30 Jahre nicht möglich gewesen und sein fast unbezwingbarer Humor geht nicht einmal dann verloren, wenn Köln in Fußball oder Eishockey ausnahmsweise einmal nicht siegreich ist...... Da er ja mit seinen knappen 50 Jahren fast noch ein Jüngling ist, hoffen wir auch in Zukunft auf ihn zählen zu können......

Untrennbar mit dem alten Keller sind natürlich auch (in Reihenfolge der "Dienstjahre") unser Beute-Bayer Thomas Wackerle und Michael Schlacher verbunden. Der erste richtet sein wachsames Auge auf den Eintritt und meinen Computer und hilft bei der unbedingt notwendigen Werbung. Den "Michi" hat uns sein Vater (ein Stammgast) schon in zartem Schulalter vorgestellt und ihn uns als einen unverzichtbaren und überaus wertvollen Mitarbeiter ans Herz gelegt – und er hatte recht! Und wenn irgendetwas noch mehr gelobt wird als unser swingendes Programm, dann ist es die grandiose Küche, die auch schon seit langem von Ljuba Negovec liebe- und effektvoll betreut wird.

Bleiben die vielen Mitglieder des "Hot Club de Vienne", die mit Idealismus und Liebe zur Musik das Club-Leben erst möglich gemacht haben – stellvertretend für viele soll hier die derzeitig aktive Truppe besungen werden: Margie Pitamitz, Pia Raczkövi, Magda Sedlacek, Teresa Tschennet, Stefan Hanslik und Manfred Schütz helfen unermüdlich im allgemeinen Clubbetrieb, Christa Libowitzky bringt ihr graphisches Know-How in die Gestaltung der ersten Seite der JLP ein, Peter Brunner hält die Spielfreude der Musiker auf der Bühne und an der Bar in Bildern fest, die dann von Werner Raczkövi an den schon brüchigen Mauern aufgehängt werden, Udo Elsner ist seit Jahrzehnten als stiller Ratgeber und Nothelfer in vielen Belangen absolut unersetzlich geworden, unser Freund Günter Weismann ist als unser Webmaster und auch in vielen Bereichen zu einer festen Institution geworden – ohne ihre Hilfe hätten wir sicherlich keine 40 Jahre geschafft.

Ein spezieller Dank gilt unserem Sohn Julius, der oft unbedankt und unbemerkt überall dort einspringt, wo sein greiser Vater Unterstützung und umsichtige Hilfe in allen Lebenslagen braucht, ohne ihn wäre ich vor 5 Jahren wahrscheinlich gar nicht mehr auf die Beine gekommen.

Selbstverständlich hatten wir aber auch "Hilfe von Außen". Jahrelang wurden wir von der Öffentlichen Hand vollkommen ignoriert – jetzt kann man die allgemeine Wertschätzung, die das JAZZLAND erfährt, auch daran erkennen, daß wir vom Kulturamt der Stadt Wien (der MA7 unter Ursula Pasterk und Peter Marboe bis zum heutigen Chef Andreas Mailath-Pokorny) und der Erste Bank substanziell unterstützt werden – vielen Dank für die materielle und auch ideelle Hilfe.

Auch das bmfukk (Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur) und der Veranstalterverband bemühen sich nach Kräften und die in der Welt der Musik so bedeutenden heimischen Firmen Bösendorfer und Thomastik sowie die Ottakringer Brauerei, das rührige "Drumhouse", die Mikrophon-Firma AKG und Martin Breinschmids "Musik-Instrumente Verleih" tragen ihr Scherflein zu unserem Erfolg bei – es sei allen herzlichst gedankt!!!

Natürlich werden wir rasant älter, aber trotzdem peilen wir aus mehreren Gründen die "50 Jahre Jazzland" an. Einer davon sind zweifellos die heimischen Musiker – sie haben ein Instrument erlernt, geübt und geprobt, um jazzen zu können und mancher ist vielleicht erst durch das Beispiel der Großen des Jazz im Club dazu animiert worden, Musiker zu werden – sie alle, deren grenzenloser Idealismus und die Liebe zur Musik das Jazzland erst ermöglicht haben, brauchen diese Spielstätte, um weiterhin ihre Musik pflegen zu können.

Das JAZZLAND ist in seiner derzeitigen Form für das Jazz- und auch für das Kulturleben Wiens – einer Stadt die heute von einem historischen Kleinod zu einer pulsierenden Weltstadt geworden ist – kaum zu ersetzen.

Und meine Tilly und ich – wir wüßten nicht, was wir am Abend anfangen sollten, wenn wir nicht in den Keller unter der Ruprechtskirche pilgern könnten, um dort die Musik zu hören, die seit 40 Jahren unser Leben bedeutet!

Also – auf die nächsten 10 Jahre.....

Axel Melhardt

Im Archiv findet man als "Stories des Monats" fast das gesamte erste Buch (20 Jahre Jazzland – Geschichte und G'schichtln) aus dem Jahre 1992, darunter mehrere Vorworte von Dr. Hugo Portisch, Oscar Klein, Werner Christen und Klaus Schulz, in denen die Autoren sehr freundliche Worte über unseren Jazzclub fanden.

¹ Albert Nicholas - Story des Monats Mai-Juni 2001
² Unser Mayer... - Story des Monats Jänner-Februar 2008


© Axel Melhardt
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