Story des Monats

Juli - August 2018


 
James Morrison
 
James Morrison James Morrison
James Morrison tp, tb, sax, p (1992) James Morrison & Harry Allen ts (1993)
 

Es muß Mitte der 80-er Jahre gewesen sein. Ich erhielt Post aus Australien, was nicht allzu oft vorkommt. Ein gewisser James Morrison plante eine Europa-Tournee mit seinem Quartett und legte seiner Anfrage, ob er im JAZZLAND spielen könne, auch eine Tonband-Kasette bei.

Ich hörte mir das Ganze an – und lag (bildlich gesprochen) flach am Boden. Was man da vom Bandleader hören konnte, war so unfaßbar gut und sensationell, daß ich beschloß, diesen Burschen mit seiner eigentlich nur durchschnittlichen Truppe nach Wien zu holen, wenn es finanziell auch nur halbwegs machbar war.

Man verhandelte, die Kosten waren für uns hoch, für ein Quartett – wenn man die Flüge Australien – Europa und retour mit einberechnete – eigentlich eher bescheiden, und wir einigten uns auf DM 1.500.-, was für das JAZZLAND zwar ein so gut wie bombensicheres Defizit bedeutete, das aber in Anbetracht der Klasse des Herrn Morrison zu vertreten war. Wir vereinbarten einen Termin, ich freute mich schon auf die verblüfften Gesichter der (sicherlich nur wenigen) JAZZLAND-Gäste, die sich bei einem so vollkommen unbekannten Musiker aus einer Gegend, die für Wien einen weißen Fleck auf der Jazz-Weltkarte bedeutet, ins 'landl verirren würden.

Nach einigen Wochen kam dann wieder ein Anruf. Es täte ihm unendlich leid, sagte James, aber er müsse das Wien-Konzert absagen, denn das JAZZLAND war der einzige Club in ganz Europa gewesen, der ihn engagiert hätte. Von überall her nur Ausreden und Desinteresse oder überhaupt keine Reaktionen auf seine Anfrage nach einem Konzerttermin. Ich müsse verstehen, meinte er, daß er und seine Band nicht für DM 1.500.- um die halbe Welt reisen könnten. Ich verstand und war sehr traurig, denn ich hielt diesen Mann für einen der ganz großen Jazzkönner.

Etwa ein Jahr später begann es dann: die ersten begeisterten Rezensionen in den Fachgazetten erschienen, die ersten Tonträger des Genies von "way down under" erreichten höchste Verkaufsziffern (für gute Musik, denn Hansi Hinterseer und andere Moik-Verwandte erzielen natürlich immer weit höhere Quoten), und so manches große Festival präsentierte voll Stolz diesen Neuen Star. Ich verfolgte das Ganze natürlich mit einem weinenden (wie gerne hätte ich James in Wien präsentiert) und einem lachenden (ich vergönnte dem sympathischen Mann den Erfolg von ganzem Herzen) Auge.

Und dann kam im Jahre 1992 wieder ein Anruf.

Nicht James selbst – aber sein Management. Ob ich Montag, den 12.10. noch frei hätte, da gäbe es für James Morrison eine Möglichkeit nach Wien zu kommen, da wäre noch ein Tag frei in seiner (ansonsten ausgebuchten) Tournee.

Ich war natürlich begeistert – aber in Grenzen, denn ich wußte nur zu gut, daß die Gage dieses inzwischen zum Weltstar gewordenen Aussies sehr weit jenseits unserer Möglichkeiten lag.

"Es wäre schön", meinte ich, "aber das können wir uns auf keinen Fall leisten."

"Das verstehe ich nicht", kam es trocken vom Management, "denn Sie haben ja die Gage mit Mister Morrison schon ausgemacht: DM 1.500.-."

Mir pflegen im Allgemeinen nur selten die Worte zu fehlen – aber da war es der Fall.

So kam es, daß wir immerhin zweimal diesen Top-Musiker bei uns zu Gast hatten

Er bekam natürlich weit mehr als die ausgemachte Gage, denn inzwischen war er ja zu einer echten Attraktion geworden, aber dann stieg James Morrison endgültig in eine Liga – die absolute Champions-Liga – auf, in der das JAZZLAND mit seinen engen Räumlichkeiten nicht mehr mitspielen kann.

Leider – oder auch Gott sei Dank, denn wenn ich mir vorstelle, wie schwierig es manchmal ist, unser kleines Lokal mit 40 oder 60 Gästen zu füllen, dann beneide ich diejenigen nicht, die dasselbe mit 400 oder gar 600 Sitzplätzen versuchen müssen.


© Axel Melhardt
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