Story des Monats

Juli - August 2014


Kapitel 26 einer (möglichst) langen Serie .....
Axel Melhardt Axel Melhardt plaudert:

In den diversen "Stories des Monats" der letzten Jahre tauchen immer wieder "Zufälle" auf, die dem Schreiberling widerfahren sind, und es ist daher vielleicht an der Zeit zur Sicherheit eines zu betonen: als überzeugter Agnostiker glaube ich an keine "Höhere Macht, die mit gütigen Händen die Geschicke der Menschen leitet" sondern ich glaube an Zufälle – also an Ereignisse die willkürlich und wirklich zufällig miteinander in Verbindung stehen....
Es ist dies so ähnlich wie beim Roulette: statistisch gesehen fällt die ominöse Kugel unter einer Million "Rien ne vas plus" des Croupiers gleichmäßig auf die Zahlen 1 bis 36. Aber "zufällig" kann sie auch zwanzigmal hintereinander auf die Eins fallen....
Zufälle in Jazz
 
#7 (2014)
 
Skurriles beim Lainzer Tiergarten
 

Ich fuhr zum Gütenbachtor des herrlichen Lainzer Tiergartens und plauderte fernmündlich und freisprechig mit einem meiner Lieblings-Ärzte, dem leider schon emeritierten Gefäß-Chirurgen Dr. Michael Müller, dessen geschickten Händen und ärztlichem Genie ich es verdanke von nikotinösen Ablagerungen in meinen Beinvenen befreit worden zu sein – kurz: ohne seine Intervention wäre eine Fahrt zu den Wildschweinen absolut sinnlos gewesen – ich hätte keine hundert Schritte mehr gehen können....

Ich parkte neben einem unschuldig aussehenden Skoda, dessen wesensgleiche Fahrerin mich ansprach: "Kennen Sie sich vielleicht bei Autos aus?", was ich wahrheitsgemäß verneinte, denn meine Kenntnis erschöpft sich in dem Wissen um die Anzahl der Räder – das sind bekanntlich fünf: zwei vorne, zwei hinten und das Lenkrad....

"Unter der Motorhaube grammelt es", meinte sie, "und es stinkt erbärmlich....!"

Das war noch feststellbar – ein Duft nach verbranntem Gummi überdeckte alle frühlingshaften Jasmin- und Veilchen-Ausdünstungen.

"Da hilft nur der ÖAMTC!!!" meinte ich fachmännisch und wählte die "120", was bei meinem und ihrem Handy sinnlos blieb – an diesem gar nicht so extrem abgelegenen Platz im idyllischen Wienerwald gibt es eben kein Netzempfang!!!!

Doch mit dem mir eigenen Genie fand ich sofort die Patentlösung: "Wir rufen einfach vom Festnetz im Wärterhäuschen an!!!"

Aber – man faßt es nicht – da gibt es kein Festnetz, denn für Notfälle (es kann sich ja jemand ein Bein brechen oder von einem wilden Wildschweineber angefallen werden) gibt es eine Telefonzelle vor der Eingangstüre – allerdings nur mit Wertkarten zu benutzen (könnte ja aufgebrochen werden) und die bekommt man bekanntlich nur noch in Antiquariaten, denn in den Postämtern kennen die jungen Angestellten den Begriff der "Wertkarte" gar nicht mehr, was der sehr freundliche Angestellte der "Stadt Wien" zu berichten wußte, weil er (um für alle Fälle gerüstet zu sein) sich eine solche bei einem Amtlichen Postamt besorgen wollte....

"Allerdings", meinte der hilfreiche Torposten, "etwas weiter den Hang hinauf, hinter dem Spielplatz bei den ersten Großen Bäumen gibt es manchmal einen passablen Empfang."

Die Dame und ich stapften durch den von hungrigen Wildschweinen penibel durchforschten und zerwühlten Boden – man hat die täglichen, sehr spektakulären Fütterungen des Borstenviehs abgeschafft (aus Kostengründen?) und seither sieht es im ganzen Tiergarten ziemlich grauslich aus....

Aber auch da kein oder zumindest kein brauchbarer Empfang.

Was blieb als Alternative? Erstens darauf warten, daß zufällig ein ÖAMTC-Engerl vorbeikommt – mögliche Wartezeit: zwei bis drei Jahre ....oder mit meinem Auto in die Zivilisation zurückfahren – wir fuhren also nach Kalksburg, wo ich den Automobil-Club mühelos erreichte und man uns in Stundenfrist Hilfe versprach.

Als ich mich von der netten Dame verabschiedete, um noch eine kleine Runde durch die Wälder zu drehen, sagte sie zu mir:

"Jetzt sollte ich mich eigentlich vorstellen", sagte sie, "ich bin schon lange Witwe und ich heiße Margarethe Müller und mein lieber Mann war Arzt...."


Einige Wochen später pilgerte ich zu einem anderen meiner Lieblingsärzte – der Dr. Müller ist der Kapazunder für die Gefäße, sein Kollege Dr. Robert Schönherr ist der Meister der Knochen, Sehnen und Bänder - also kurz ein Orthopäde – , der (wie der JAZZLAND-Gast weiß) noch dazu den weiteren Vorteil hat, ein grandioser Pianist zu sein, womit der Dr. Müller nicht dienen kann....

Der Robert untersuchte also meine beim Wandern (siehe oben) immer wieder quälend schmerzenden Füße und meinte, daß man sich für Hatscher ab mehreren Kilometern in meinem hohen Alter (wovon spricht der Mensch???) zu qualitativ aufgewerteten – sprich: gepolsterten – Einlagen für die schon ausgelatschten "Fusserln" entschließen sollte.

Da ich für das bevorstehende Wochenende eine für mein Alter ausgedehnte Tour plante, hoffte ich auf eine baldige Fertigstellung der neuen Gehhilfen: "Kein Problem, am Freitag gegen 11.30h sind sie fertig – allerdings bitte pünktlich in unsere Zentrale kommen, denn wir schließen wochenendlich pünktlich um 12.00h....", meinte der ebenso freundliche wie deutsche Bandagist.

Da hatte ich den Salat, wie man auf Wienerisch sagt: genau zu diesem Zeitpunkt (Freitag zwischen halb Zwölf und Zwölf) sollte ich die fertige JAZZLAND POST aus der Druckerei in der Josefstadt (genau gesagt in der Piaristengasse 17) abholen.

Wer den Freitagvormittag-Verkehr in Wien kennt, der weiß, daß man innerhalb einer halben Stunde keine nennenswerten Distanzen mit dem Auto innerstädtisch zurücklegen kann – und 8000 Exemplare der JLP kann man nicht mit der Bim transportieren....

Ich sah meinen wochenendlichen Ausflug im Nichts verschwinden und fragte Lukas – den Augsburger Jüngling – leicht resigniert, wo ich denn meine hoffentlich ebenso passenden wie hilfreichen Plattfußkorrektoren abholen könne.

Der meinte lakonisch: "In der Josefstadt – Piaristengasse 17".

"Aha", dachte ich, "also das Geschäftslokal neben der Druckerei.... So ein Zufall....!!!"


© Axel Melhardt
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