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|   01.05.2016 Kurier - Bill Ramsey  |
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Über Jazz
Hier werden wir im Laufe der Zeit Interviews/Berichte veröffentlichen, von denen wir glauben, dass sie von allgemeinem Interesse für Jazzinteressierte sind.




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01.06.2020 - Die Presse

Der Jazz ist zurück, mit trotziger Lebenslust
von SAMIR H.KÖCK

Jazz. Wieder live: Das Jazzland lockte mit den Hot Jazz Ambassadors, das Porgy & Bess mit Wolfgang Muthspiel.

Martin agierte mit schickem Schutzvisier aus Plexiglas, Michael mit schlichter Stoffmaske. Die beiden eint auch etwas. Seit ihrem 18. Lebensjahr tragen sie Speisen und Getränke im Jazzland auf. Aus dem vermeintlichen Job wurde längst eine Leidenschaft. Der Sog aus Dixieland und Blues, aus Swing und Hard Bpp war für sie offenbar genauso attraktiv wie der Publikiunsmix aus altklugen Youngstern und fidelen Oldies. "Freundlichen Jazz" spiele man, sagte einst Oscar Klein, der aus Graz gebürtige Swing-Entertainer, der es verstand, die alte Zeit so gekonnt aufleben zu lassen, dass sich Jazzlandbesucher im Cotton Club im Harlem der Dreißigerjahre wähnten.

Am Stammtisch saß selbstverständlich am ersten Abend nach der coronabedingte Sperre das rührige Betreiberpaar. Axel Melhardt, der den Club ins 48. Jahr führt, und Tilly, seine bessere Hälfte, die sich, gerade von schwerer Krankheit genesen, an der Ausgelassenheit der Hot Jazz Ambassadors erfreute. "Ich mag das, wenn es so schiebt", lobte sie die Entertainerfähigkeiten des singenden Trompeters Walter Kortan, aber auch die federnden Bassläufe von Peter Strutzenberger. Aufs Schlagzeug hatte die Kombo an diesem Abend verzichtet. Das infolge der Abstandsregel auf der oberen Bühne auf 45 Besucher reduzierte Publikum wusste die daraus resultierenden Subtilitäten sehr zu schätzen.

Die Tage, als die Allergrößten hier spielten, etwa Clark Terry oder Gene Harris, sind vorbei. Aber die Story, dass die blutjunge Diana Krall hier in den Neunzigern im patinierten Gewölbe konzertierte, ist bei den gern einfallenden Touristen viel wert. Im Moment kommt das Stammpublikum. Melhardt freut sich auch darüber, dass sich sein Vermieter kulant zeigt. Von staatlicher Seite ist allerdings bislang kein Euro geflossen.

Trotz aller Erschwernisse hat Melhardt bis April 2021 geplant Das Jazzland ist schließlich Metapher für das ganze Genre. Es ist ein Ort der lebendigen Improvisation, aber gleichzeitig auch - man beachte die Fotogalerie - Museum seiner selbst. Wer genau schaut, kann das Konterfei von Ed Garland erblicken. Dieser 1891 geborene Bassist war bei der ersten Aufnahme einer afroamerikanischen Band in den USA dabei.

Streaming-Fans aus aller Welt

Mit Jazzlegenden kann auch das Porgy & Bess aufwarten. Dieser Hort des modernen Jazz öffnete einen Tag nach dem Jazzland wieder seine Pforten. 100 Besucher sind derzeit erlaubt. Die kleinen Tischchen stehen weit auseinander und sind bei Bedarf auch mit einer Plexiglasscheibe ausgestattet Jazzer sind ja für gewöhnlich sehr amikal untereinander. Aber in Zeiten einer Pandemle muss man Vorsicht walten lassen. Wie im Jazzland tauchten größtenteils hekannte Gesichter auf. Etwa jener Herr, der ein geheimes Sitzpölsterchen hinter dem Bühnenvorhang versteckt. Selbiges musste er diesmal auf die Galerie mitnehmen. Sein Stammplatz am Parkett war nämlich aus hygienischen Gründen aufgelöst. Auf der Bühne erwartet wurde der heimische Gitarren-Weltstar Wolfgang Muthspiel. Durch Zufall fiel das Reopening auf seinen Termin. Maitre Christoph Huber hat nämlich schon im April eine sehr erfolgreiche Streamingreihe programmiert, die er nun mit Publikum bis Ende August fortsetzen wird. Sie wird ausschließlich live übertragen. Genau das lockt auch internationale Porgy-Fans vor den Desktop. Die Zugriffe kommen aus Israel und Chile, aus New York und Amman. Die finanzielle Luge ist zwar wackelig, aber die Einnahmen aus dem Streaming besser als erwartet. Jetzt gilt es, sich durchzug'fretten.

Ab 1. September soll wieder regulär programmiert werden, möglichst mit internationalen Größen. Eröffnen wird Gitarristenveteran Karl Ratzer, selbst ein Survivor. Trotz wilden Lebens wird er Anfang Juli siebzig. Ein völlig anderer Typus ist Muthspiel. Streng auf der apollinischen Seite der Existenz stehend, entwickelte er an diesem schönen Abend leise, glühende Klänge. Oder, wie auf dem Notenblatt von "Locrian Star" zu lesen war: "Rubato, wide and airy, like a meditation." Lebendig wurde es beim westafrikanisch groovenden "Youssou", melancholisch heim Klassiker "Darn That Dream". Bei "Angel Envy" bestach Muthspiel mit souligem Gesang und innigem Flirt mit dem Hall. Ein Hochgenuss!

© DiePresse.com - Samir H. Köck


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20.04.2019 - Die Presse

Der alte Romantiker des Jazz mag auch Opernarien
von SAMIR H.KÖCK

Don Menza, 82-jähriger Saxofonist, begeisterte im Wiener Jazzland.

Wieso locken just alte Jazzsaxofonisten so viele junge Frauen in ihre Konzerte? Vielleicht liegt es an der intensiven Romantik ihrer Melodien. Don Menza, der nächste Woche 83 wird, gebot jedenfalls auch diesmal im Jazzland – wo er vor drei Jahren sogar ein Livealbum aufgenommen hat – majestätisch über die "blue notes". Er begann mit "On Green Dolphin Street", in dessen Text es so hübsch heißt: "Romance was the theme, and we were the players." Nichts als Marionetten der Liebe sind wir. Das weiß auch Menzas Frau, die ihn zu jeder Tour mit dem Satz "Hab nicht zu viel Spaß" verabschiedet.

Das erzählte Menza im Jazzland – und betonte, dass ihn stets mehr als nur der Jazz interessiert habe: Er schätze den frühen Elton John, die Beatles und dramatische Opernarien, auf die habe ihn sein sizilianischer Opa gebracht. Begleitet wurde er unter anderem vom famosen Innsbrucker Pianisten Oliver Kent, der Motive von Tschaikowski als Intro einer Ballade spielte, bei der Don Menza sein Instrument so richtig glühen ließ.

Anderswo verhielt er sich erfrischend störrisch. Fast 30 Jahre hat er im Orchester von Henry Mancini gespielt. Als Beweis neckte er mit einer viel zu kurzen Kostprobe der "Pink-Panther-Theme". Dann zerlegte er die Ballade "Charade" aus dem gleichnamigen Film rüde. Wieder sanft wurde es mit dem zart swingenden "Sunday with Sunny", das einen Nachmittagsplausch mit Sonny Rollins musikalisch rekapituliert. Rollins, mit dem Menza in ständigem Kontakt steht, war auch das Schlussstück zugeeignet, eine Art Calypso, der das Tanzbein lockte. Don Menza schmunzelnd: "If you feel like dancing – don't!"

© DiePresse.com - Samir H. Köck


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"Kurier" vom 01.05.2016 (auszugsweise)

Bill Ramsey: Der Jazzman mit der Zuckerpuppe
Die Jazz- und Schlager-Legende Bill Ramsey ist 85 und singt nach wie vor "furchtbar gern".

von Werner Rosenberger

Nach einer Knieoperation und mit angeknackster Hüfte ist Bill Ramsey ein bisschen wackelig auf den Beinen. Aber die Stimme eines der letzten Entertainer seiner Generation ist kraftvoll geblieben. Seit elf Jahren – so auch morgen, Montag, – tritt der Sänger auch regelmäßig bei Axel Melhardt im Wiener "Jazzland" auf.

Der Club ist meist bummvoll. Nicht die alten Schlager der 50er- und 60er-Jahre wie "Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett", "Pigalle", die "Zuckerpuppe von der Bauchtanztruppe" oder der Wumba Tumba Schokoladeneisverkäufer stehen da im Vordergrund, sondern Jazz-Klassiker wie "Satin Doll" und "Lady is a Tramp".

KURIER: Warum singen Sie heute lieber Jazz als alte Schlager?
Bill Ramsey: Es ist wunderbar, dass die Leute die witzigen Nummern von damals bis heute gern hören. Ich spiele sie auch noch ab und zu, um dem Publikum eine Freude zu machen. Aber ich singe lieber Jazz, weil man doch jeden Abend improvisieren und etwas Neues kreieren kann.

Sogar auf der neuen Doppel-CD "My Words" (Bear Family) sind zwei brandneue Aufnahmen unter den 31 Titeln, die meisten mit Texten von Ihnen?
Ja, diese Nummern kennt fast niemand. Es sind Raritäten mit Jazz Combo und Big Band, begleitet und arrangiert von Großen der Jazzszene wie Kurt Edelhagen, Toots Thielemans und Peter Herbolzheimer.

Hat Ihnen nicht Ella Fitzgerald einmal ein schönes Kompliment gemacht?
Ja. Ich kam 1952 nach Europa und war zuerst bei der Air Force als Offiziersberater in Frankfurt stationiert. Bald arbeitete ich für den Soldatensender AFN und hatte dort den ganzen Tag mit Musik zu tun. Mit Aufnahmen von Jazz-Orchestern und Solisten, die in Frankfurt gastierten: Stan Kenton, Woody Herman, Duke Ellington, und bei Jazz at the Philharmonic sollte ich etwas für Ella singen.

Und?
Ich dachte: Um Gottes Willen, kommt nicht in Frage. Ich doch nicht, ein kleiner Scheiß-Soldat. Dann haben sie mich angesagt. Ich habe einen Blues gesungen, eine Ballade. Und Ella sagte zu meinem Chef: "Schließe nur die Augen, und du glaubst, es singt ein Schwarzer". Das war das schönste Kompliment, das ich jemals bekommen habe.

Das wollten Sie doch: Singen wie ein Schwarzer?
Natürlich, das war mein Ziel. Die schwarzen Sänger und Sängerinnen waren meine Vorbilder und Idole.

Joe Williams etwa, der durch seine Auftritte in der Count- Basie-Band bekannt war.
Mit ihm war ich sehr befreundet. Er war ein sehr lieber, sehr erfahrener Mensch. Ich habe seine Titel gesungen und ihm eine Tribute-Platte gewidmet: "Here's to Life – Here's to Joe" (2009). Ein Song davon – "In The Eyes Of Children" – ist auch auf "My Words".

Und welche der jüngeren Vokalisten interessieren Sie?
Kevin Mahogany und Gregory Porter.

Im "Jazzland" treten Sie sozusagen mit alten Bekannten wie Richard Oesterreicher auf?
Mit Ritchie habe ich schon ewig zu tun, seinerzeit mit der ORF-Bigband und bei TV-Sendungen, für die er die Arrangements machte. Nostalgie-Sachen. Und der Vibrafonist Martin Breinschmid rief mich an und sagte, er kenne einen großartigen veganen Heurigen, wo es sensationelle Schweinshaxen gibt (lacht). Das ist seine Art Humor.

In Wien sind Sie gern?
Eine Zeit lang war ich nicht gern hier, weil ich ganz miese Erlebnisse mit Filmproduzenten hatte. Aber jetzt sagen meine Frau und ich, wenn wir aus irgendeinem Grund nicht in Hamburg leben könnten, würden wir sofort nach Wien ziehen. Ich liebe Wien, und ich mag die österreichische Mentalität. Hamburg ist schön grün, liegt am Wasser, und die Leute haben einen furztrockenen Humor. Die Wiener sind anders: skurriler.

Ihre Stimme hat Sie nie im Stich gelassen?
Doch. Letztes Jahr hier in Wien. Da war ich beim berühmten HNO-Arzt Reinhard Kürsten, der alle Sänger behandelt. Und der sagte: "Du machst eine große Partie. Man kann auch einen Opernsänger nicht drei Tage hintereinander einsetzen." Würde ich so weitermachen, wäre meine Stimme kaputt. Also mache ich jetzt Pausen zwischen den Konzerten.

Sie sind seit 33 Jahren verheiratet?
Ja? Das wusste ich gar nicht. Petra ist meine vierte Frau. Diesmal ist es richtig. Hundertprozentig richtig. Meine Frau managt mich und schimpft auf manche Produzenten. Sie ist klug. Wenn ein Veranstalter anruft: "Bill kenne ich schon seit 30 Jahren. Das ist ein alter Freund." Da sagt sie: "Dann zahlen sie doch sicher eine höhere Gage, oder? Einem alten Freund zahlt man doch einen guten Preis."

Sie erzählen gern Witze, welcher ist im Moment Ihr Favorit?
Al Capone besucht einen Jazzclub und schickt einen seiner Bodyguards zum Bandleader mit seinem Musikwunsch: "Come Rain or Come Shine". Also geht der Schlägertyp zum Pianisten und sagt: "Mister Capone möchte, dass du 'Come Rain or Come Shine' spielst. Und wenn ich dir einen guten Rat geben soll, dann spielst du besser beides."

© kurier.at - Werner Rosenberger


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DER STANDARD 17.04.2015

Mundell Lowe: Swingender Senior
Der Gitarrist begleitete Billie Holiday oder Charlie Parker. Seinen 93. Geburtstag feiert er beim Gastspiel im Jazzland Wien

Wien - Wenige können von sich sagen, mit den "Big Three" des Jazzgesangs aufgenommen zu haben. Gitarrist Mundell Lowe war im Laufe seiner Karriere sowohl mit Sarah Vaughan und Ella Fitzgerald als auch - schon 1948 - mit Billie Holiday im Studio. Daneben schätzten ihn aber auch viele weitere Musiker zwischen Charlie Parker und Barry Manilow als diskreten, swingenden Begleiter, während Lowes Œuvre als Leader schmal geblieben ist.

Wien kennt der 1922 in Laurel, Mississippi, geborene Musiker, der 1972 die Titelmusik zu Woody Allens Was Sie schon immer über Sex wissen wollten ... schrieb, gut: Hier gastierte er 1995 im Goldenen Saal des Musikvereins gemeinsam mit Jazzpianist André Previn und der inzwischen verstorbenen Bassistenlegende Ray Brown. Wiederholt stand Lowe aber auch im von Axel Melhardt seit bemerkenswerten 43 Jahren geleiteten Traditionsclub Jazzland auf der Bühne.

Und dorthin kehrt der wahrscheinlich älteste noch tourende Jazzmusiker der Gegenwart nun zurück, um bei einem zweitägigen Gastspiel seinen 93. Geburtstag zu feiern. Chapeau! Begleitet wird Lowe in bewährter Manier von Gitarrist Mike Magnelli, dem Lieblingsschüler des verstorbenen Kollegen Joe Pass. Dazu kommen mit Bassist Karol Hodas und Schlagzeuger Walther Großrubatscher kompetente lokale Cracks. Jazzgeschichte live!

© Andreas Felber/DER STANDARD


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Downbeat - Magazin
Jazz, Blues & Beyond
Great Jazz Venue 2015

von Frank H. Alkyer

January 6, 2015

We know it's not easy to present live music. But we're surely glad that you do.

For that reason, on behalf of everyone from DownBeat magazine, I would like to congratulate you for being named one of the world's top jazz venues for 2015.

Downbeat Magazine, Best Clubs 2015 This list represents a comprehensive look at where great jazz and improvised music is being programmed and performed around the globe - from the late-night clubs, to the intimate listening rooms to the grandest concert halls.

You will soon receive (or may have already) complimentary copies of DownBeat's February issue with your venue listed. Please find enclosed a window decai noting that you have been named one of our top venues for 2015.

All we can say is, BRAVO! Thank you for presenting ambitious artists, and here's to another year of great live music!

Best regards,
Frank H. Alkyer
Publisher DownBeat
102 N. Haven Road
Elmhurst, Illinois 60126
downbeat.com


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20.02.2014 - Die Presse

Das alte Wiener Jazzland lockt immer noch junge Menschen. Diesmal zur Soul Jazz Alliance.
von SAMIR H.KÖCK

Kaum zu glauben, dass er seine ersten professionellen Erfahrungen in einer Band der US-Militärakademie Westpoint gesammelt hat: Saxofonist Vincent Herring entzückte von Beginn an mit seinem daseinsverbundenen, warmen Ton. Im schummrigen Licht des bald 42 Jahre bestehenden Jazzland versammelte er fünf Kollegen, um Blues, Groove und Jazzballaden zu zelebrieren. Gemeinsam mit dem in den Siebzigerjahren aus der Schweiz zugereisten Schlagzeuger Joris Dudli hat er ein herrlich altmodisches Album eingespielt. Kennengelernt haben die beiden einander in den Achtzigern in New York; seit 1999 spielen sie immer wieder zusammen. So viel musikalische Vertrautheit wirkt zuweilen telepathisch.

Ein Stück für Axel Melhardt

Axel Melhardt, dem freundlich grantelnden Hausherrn, der allabendlich die Zeitungen mit fast der gleichen Begeisterung studiert wie die Wirkung der jeweiligen Band auf das Publikum, wurde gleich das zweite Stück zugeeignet: der Klassiker "Stompin' at the Savoy", einst von Benny Goodman unsterblich gemacht. Herring und Trompeter Jeremy Pelt verlangsamten die große Melodie dermaßen dramatisch, dass der Hadern plötzlich ganz jung wirkte. Dann tänzelte der 35-jährige New Yorker Sänger Sachal Vasandani herbei und begeisterte sofort. Jazzmusiker sind ja oft Genießer ihrer Trauer, und Vasandani ist da keine Aufnahme. Er verwischte kunstvoll die Grenzen zwischen Romantik und Melancholie, Leidenschaft und Versagung. Schön, dass sich seine gesangliche Soulfulness so gut hielt, obwohl er beim "Techniker" Wynton Marsalis gelernt hatte.

Leader Joris Dudli wechselte geschickt zwischen vitalen Rhythmen und Beserlsensibilität; die von Jared Gold gespielte Orgel sorgte für einen warmen Soundteppich für verzehrende Themen wie "Sara Smile" und "True Paradise". Am Ende des ersten Sets wagte man einen "Verrat" am Genre: eine munter scheppernde Version des Beatles-Hits "Can't Buy Me Love" fusioniert mit dem bluesigen "Love Me Or Leave Me". Leidenschaftlich bauten die Musiker hier dem ewigen Zwiespalt zwischen der melodiösen Herrlichkeit des Pop und der Erdigkeit des Blues eine gut belastbare Brücke. Im zweiten Set wurde es dann richtig funky. Idealer Stoff für Sitztänzer jeder Generation.

© DiePresse.com - Samir H. Köck


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Video und Interview vom 28./29.01.2014 auf krone.at

Erik Trauner im Talk "Österreich geht ekelhaft mit seinen Künstlern um"

Seit Jahrzehnten ist die Mojo Blues Band eine Institution in der Jazz- und Bluesszene. krone.tv traf den legendären Gründer und Frontman Erik Trauner zum Interview über kulturelle Unterschiede zwischen Europa und Amerika, das neue Album "Walk the bridge" und einen "Riesenskandal".

Das Video gibt es hier: www.krone.at/392584 (11:30 Minuten)

© krone.tv 2014


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Video und Interview vom 30.12.2013 auf krone.at

Marianne Mendt

Mutter des Austropops, Schauspiellegende und vor allem begnadete Jazz-Sängerin - Marianne Mendt ist der Inbegriff eines Entermainment-Multitalents. 2014 feiert die 68-Jährige ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum. Für krone.tv nahm sie sich im Wiener Jazzland Zeit, um über ihre bewegte Karriere, den Jazz-Nachwuchs in Österreich und Conchita Wurst zu plaudern.

Das Video gibt es hier: www.krone.at/390249 (5:40 Minuten)

© krone.tv 2014


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www.blues.at - Konzert-Berichte
Mojo Blues Band, Gisele Jackson, Paul Chuey

Jazzland, 2.-5.1.2013

Es stellt sich als ganz eigene und auch eigenartige Anforderung dar, nach mehr als zwei Wochen über zwei Abende mit den gleichen Künstlern mit nicht identischem Programm von sich steigernder Intensität und Haltbarkeit im Gedächtnis zu reflektieren.

Der sonst übliche Thessink-Termin wurde vom Jazzland mit einem viermal dargebotenen Special genützt, der viermal den bereits längst legendären Keller zur Quadratzentimeternutzung seitens des Publikums zwang, denn: Unsere - man lese ganz bewußt den Stolz in diesem Possesivpronomen mit - Mojo-Blues-Band rüstete sich - ja schon seit einiger Zeit - mit dem Texas-Saxophonisten Paul Chuey auf. Wer sich das bisher entgehen ließ, hat ja weitere Gelegenheiten zum Nachholen bei einem der nächsten Mojo-Auftritten. Doch das genügt ja diesen Musikern nicht. Sie beschenkten und verzauberten das im Jubel gleichsam gelähmte Publikum - und fraglos auch sich selbst mit der unfaßbar ausdrucksvollen, gewaltigen, tief ergreifenden, nahezu alle Stimmlagen ausfüllenden Stimme von Gisele Jackson aus Brooklyn.

Nun ist Gisele Jackson den Bluesern auch in Wien keine Neue, denn schon im unvergeßbaren Metropol-Abend When Ladies Get The Blues im Juni 2012, veranstaltet von Erik Trauner und seiner Mojo komplettierte sie das Quartett Lillie Kern, Petra Toyfl und Martina Kucera. Aber ein "Solo-Abend" bietet andere quantitative Ansprüche. Und daß Gisele Jackson das erfüllt, was sonst?!

Die beiden Abende am 4. und 5. 1. ließen miterleben, wie ein separat zusammengestelltes Programm von Erik Trauners Mojo für sich alleine schon einmal vom Staunen nicht losließ, gesteigert durch eine wahrhaftig nicht knappe Anzahl von Songs mit Chueys artistisch geführtem Saxophon, das Siggi Fassls Gitarre immer wieder an den Bühnenrand holte, das zum Dialog mit Erik Trauners schon zum Denkmal gewordener Gitarre aufforderte, das witzige Antworten auf Charly Furthners herrlich bedientem Flügel parat hatte und zusammen mit Herfried Knapps Bass sowie Didi Mattersbergers Drums ein Klangvolumen in dem kleinen, sowieso musikgefüllten Mauerwerk des Kellers. War das allein schon überwältigend, der Gesang und die Bühnenpräsenz von Gisele Jackson läßt nur die pauschale Beschreibung eines Über-Abends zu. Gestaltet von wahrhaftigen Übermusikern. Die Eindrücke des ersten Abends (4. 1.) zwangen gleichsam zur Wiederholung am Folgetag. Und es hat sich gelohnt: Alles klang anders, intensiver, spontaner (besonders der Chief of the Stage). Besonders berührend die Schlußnummer, die Erik Trauner für Gisele Jackson komponiert (Originalton wäre ja: kompostiert) hatte. Ob man diese je wieder hören wird? Es war, in Summe: gesteigert zum unbeschreibbaren Kulturereignis.

Es ist nicht nach Komplimenten zu suchen, sondern einfach auch in kritischer Beobachtung nicht die Feststellung zu verbergen, daß die Abende der Mojo sich zu Großereignissen gewandelt haben. Dazu sind die letzte Story of the Blues, der schon erwähnte Ladies-Abend (diese Wiederholung im kommenden Juni ist bereits in meinem Kalender markiert) und das Viertage-Festival im Jazzland die eindeutigen Nachweise. Einmal mehr: Sieben ist stets mit starker Kraft ausgestattet, wie die sieben Musiker dieser Abende.

Hermann, 18.01.2013

© www.blues.at/Konzertberichte
(Dieser Bericht existiert auf dieser Webseite nicht mehr)


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Video und Interview vom 21.08.2012 auf krone.at

Redakteur im Duett mit Boogie-Meister Axel Zwingenberger

Da strahlte krone.at-Redakteur Michael Fally mit der Bühnenbeleuchtung um die Wette, als Axel Zwingenberger höchstpersönlich neben ihm am Bösendorfer Platz nahm. Im Wiener Jazzland bat krone.tv den Großmeister des Boogie-Woogie zum launigen Talk inklusive improvisierter Jam-Session.

Das Video gibt es hier: www.krone.at/331897 (9:42 Minuten)

© krone.tv 2012


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BÜHNE - Österreichs Theater- & Kulturmagazin Nr. 6, Juni 2012

Der streitbare Jazzclub-Impresario
Axel Melhardts "Jazzland", eine Institution der heimischen Jazzszene, feiert seinen 40. Geburtstag.

Bis zum 50er wolle er weitermachen, so vernimmt man von Axel Melhardt schon seit Jahren. Immerhin: Den 40.Geburtstag hat sein "Jazzland" in diesen Monaten erreicht. Womit der urige Club am Franz-Josefs-Kai, der in einem Kellergewölbe aus dem 15. Jahrhundert untergebracht ist, nicht nur Wiens ältestes Etablissement seiner Art ist, sondern auch die weltweit einzige Jazz-Location, deren Leitung über einen derart langen Zeitraum in denselben Händen liegt: So behauptet zumindest Melhardt, und der Autor dieser Zeilen muss gestehen, dass ihm tatsächlich keine Beispiele einfallen, die dies widerlegen würden.

Die Gründung des "Jazzland", das am 4. März 1972 mit einem Konzert des legendären New-Orleans-Klarinettisten Albert Nicholas seine Pforten öffnete, verdankte sich ursprünglich einer Initiative des Jazzring Austria, doch schon nach wenigen Monaten übernahm Melhardt das alleinige Kommando. Die Musizierenden mit Respekt zu behandeln, aber sich "nicht zum Schuhputzer machen lassen", das war die wichtige Lektion, die Melhardt beim 1986 verstorbenen Tenorsaxofonisten Eddie "Lockjaw" Davis lernte, der über 12 Jahre lang im "Jazzland" auftrat und zu einer Art Mentor für den "Jazzland"-Impresario wurde. Nachsatz: "Wir sind Partner, der Musiker oder die Musikerin kann ohne mich nicht leben, ich kann ohne ihn beziehungsweise sie nicht leben."

Heute ist das "Jazzland" eine international, vor allem auch in den USA renommierte Club-Institution, die auf eine stattliche Reihe von Gastspielen prominenter Jazz-Ikonen von Pianist Teddy Wilson bis hin zu Saxofonist Dexter Gordon verweisen kann. Zudem darf man auf das Faktum stolz sein, dass hier auch Kapazunder wie George Benson und Wynton Marsalis während diverser Wien-Aufenthalte in die Session eingestiegen sind.

Melhardt ist über all die Jahre der streitbare Traditionalist geblieben, der er immer war. Der mittlerweile 69-Jährige, der im Alter von 13 Jahren aufgrund des Films The Benny Goodman Story für den Jazz entflammte, ist ein Vertreter jener Jazzfan-Spezies, für die das Interesse an dieser Musik bereits um 1960 endet. Spätere Stile wie Free Jazz und Rock-Jazz oder andere innovative Formen zeitgenössischen Improvisierens blieben und bleiben im "Jazzland" ausgespart. Dafür deckt das Programm vom Hardbop der 1950er-Jahre rückwärts über Swing bis hin zu Dixieland und New-Orleans-Jazz die Stile der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ab. Wo angehörs dieser Beschränkung auf historisches Terrain das im Jazz so essenzielle Überraschungsmoment bleibe? "Der Jazz hat in 100 Jahren das nachvollzogen, wofür die klassische Musik 500 gebraucht hat. Was ist da noch alles an Ecken und Winkel da, in die noch nicht hineingeleuchtet worden ist! Zwischen Armstrong und Roy Eldridge ist noch eine ganze Bandbreite an Trompetern mit musikalisch-stilistischer Eigenheit möglich!", pflegt Melhardt dem entgegenzuhalten. Interessant und amüsant erscheint, dass der gebürtige Wiener ursprünglich neben dem Jazz einer ganz und gar nicht konservativen, vielmehr futuristischen Leidenschaft frönte. Melhardt: "Ich wollte entweder einen Jazzclub aufmachen oder Science-Fiction-Romanautor werden. Lustigerweise bekam ich drei Monate, nachdem ich das 'Jazzland' voll übernommen hatte, das Angebot, nach München zu einem Verlag zu gehen. Aber das war bereits zu spät."

© Andreas Felber – BÜHNE - Österreichs Theater- & Kulturmagazin Nr. 6, Juni 2012


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03.04.2012 - Die Presse

Jazzland: Was Sie schon immer über Jazz wissen wollten
von SAMIR H.KÖCK

Jazz muss man pflegen wie Klassik, sagt Axel Melhardt. Er führt mit seiner Frau Tilly seit 1972 das Musiklokal am Wiener Franz-Josefs-Kai, in dem Größen von Gene Harris bis Diana Krall gespielt haben.

"Das Herz muss schon bluten, wenn man es als Jazzmusiker zu etwas bringen will", sagt der 90-jährige Gitarrist Mundell Lowe. Er muss es wissen, hat er doch an der Seite der ganz Großen gespielt. Bei Charlie Parker hat er gelernt, dass das, was man nicht spielt, fast noch wichtiger ist, als das, was man spielt. Eine gewisse Ökonomie hat er in seiner langen Karriere stets walten lassen. Das nützte ihm besonders bei seinen Engagements bei den unvergesslichen Diven des Jazzgesangs. Lowe diente Tragödinnen wie Billie Holiday und Sarah Vaughan, lebenslustigen Diseusen wie Peggy Lee und Rosemary Clooney und so mondänen Ladys wie Marlene Dietrich und Marilyn Monroe, wenn sie Lust hatten, ein wenig Liedgut zu hauchen.

Wenn so ein Veteran ins kleine, patinierte Wiener Jazzland kommt, dann erzählt er Geschichten, auch wenn er den Mund nicht öffnet. Am Montag verwöhnte er mit delikaten Arpeggios, mit köstlichem Unisono-Spiel mit seinem Kollegen Mike Magnelli. Die beiden weckten Erinnerungen an die Goldene Ära des Fünfzigerjahre-Jazz, auch in Menschen, die damals noch längst nicht auf der Welt waren. Denn die Ästhetik kennen alle. Nicht zuletzt aus den Filmen jener Ära.

Überraschend viele Frauen waren im Publikum, vielleicht wegen des Melodiösen, der sanften Glut dieser Form von Jazz. Fragt man Lowe, ob es je eine Ära gegeben hat, in der man mit Jazz leicht sein Geld verdienen konnte, dann verneint er entschieden. Stets habe er Brotjobs machen müssen, schließlich wollte er ja seine Familie ernähren. So spielte er Gitarre auf Hits wie "Cry" von Johnny Ray oder machte Film-Soundtracks. Etwa für Woody Allens "Was Sie immer schon über Sex wissen wollten".

Heute, da die finanziellen Belastungen kleiner geworden sind, tourt er wieder gern durch die kleinen, feinen Clubs in Europa, zu denen das Jazzland seit März 1972 zählt. Axel Melhardt, Science-Fiction-Fan und Liebhaber sämtlicher Jazzstile diesseits von Free Jazz, nahm damals das Kreuz auf sich und versorgte Wien mit einem Keller-Jazzclub, wie es ihn in St. Germain des Prés schon in den Vierzigerjahren gab. Hat er sein ökonomisches Himmelfahrtskommando je bereut? "Nein, nicht eine Sekunde. Es ist sich oft nur knapp ausgegangen, dennoch ist es die schönste Sache der Welt, wenn man mit seiner Leidenschaft Geld verdient." Gemeinsam mit seiner Frau Tilly macht er so gut wie alles allein. Sein Faible sind die Ansagen, in denen seine didaktischen Absichten nicht selten durchschlagen. Jazz, das war ihm stets der Ton der weiten Welt, der Klang der Toleranz. Und den brachte er eifrig in den Ziegelkeller am Franz-Josefs-Kai. Granden wie die Saxofonisten Benny Carter und Eddie Lockjaw Davis, Flügelhornpoet Art Farmer oder Blue-Note-Pianist Gene Harris zählten zu den Gästen des rustikalen Etablissements. Auch jüngere Kräfte spielten im Jazzland auf. Besonders im Gedächtnis haftet das erste Österreich-Konzert einer Pianistin und Sängerin namens Diana Krall.

"Weil alles in Zyklen kommt und geht"

Zahllose im Lokal aufgehängte Schwarz-Weiß-Fotografien zeugen von der Relevanz dieses Tempels des traditionellen Jazz, der sich trotz explosionsartiger Vermehrung an Unterhaltungsmöglichkeiten hält. Hat das Genre noch Möglichkeit der Selbsterneuerung oder wurden alle wichtigen Statements schon im 20.Jahrhundert getätigt? Für den 69-jährigen Axel Melhardt ist Jazz, nach dem tumultarischen Ausbruch des Free Jazz, eine ausformulierte Kunst, die man pflegen muss wie die klassische Musik. Der Praktiker Mundell Lowe sieht es anders: "Was aussieht wie ein Ende ist oft ein Anfang", sagt er, "weil alles in Zyklen kommt und geht." Das mag für die Musik gelten, aber Jazzimpresarios von der Statur eines Axel Melhardt sind keine neuen am Horizont zu sehen.

© DiePresse.com - Samir H. Köck


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CONCERTO Ausgabe 2-12, www.concerto.at

Jazzland feiert 40. Geburtstag

Swingende Rhythmen in den Katakomben unter der Ruprechtskirche
Das Wiener Jazzland ist in der Tat Welt-Rekord verdächtig: Nicht nur, dass es das älteste Wiener Jazzlokal mit täglicher Live-Musik ist, sondern auch weltweit der älteste Jazzclub unter kontinuierlicher Leitung. Engstens mit dem Jazzland verbunden, ist ein gewisser Herr Axel Melhardt, der am 4. März 1972 das Jazzland mit einem Konzert des New-Orleans-Klarinettisten Albert Nicholas und den heimischen Red Hot Pods eröffnete. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten - es waren zu Beginn drei Geschäftspartner - übernahm Melhardt ab September 1972 die alleinige Leitung des Lokals mitsamt der Erstellung des Musikprogramms. "Eines war von Anfang an klar", erzählt Melhardt im Interview. "Die Gegebenheiten des Kellers, dessen Gewölbe ungefähr um 1450 erbaut wurden, ließen sich nicht verändern. Das hat Vor-, aber auch Nachteile." Dass es in der 40-jährigen Geschichte des Lokals daher vorkam, dass so mancher Gast aufgrund von Überfüllung keinen Einlass mehr finden konnte, gehört definitiv zu den Nachteilen.

Sag mal, wer hat denn eigentlich hier gespielt.......
Wenn man mit Axel Melhardt länger zusammensitzt und ihn nach Geschichten über die Musiker, die hier aufgetreten sind, fragt, kommen nach und nach immer mehr Anekdoten heraus. Tatsächlich könnte man sagen, dass nahezu alle berühmten Jazzer mit Ausnahme derer, die in großen Konzertsälen der Metropolen aufgetreten sind, im Jazzland gastierten. "Und selbst Kapazunder wie Ben Webster, Teddy Wilson, Benny Carter oder Ray Brown waren bei uns auf der Bühne", schwärmt Melhardt. Ganz zu schweigen von den Musikern, die nach Konzerthausauftritten ganz "zufällig" ins Landl kamen. "Eines Abends erschien Wynton Marsalis und forderte den damals bei uns gastierenden Art Farmer zu einem musikalischen Duell heraus. Ein anderes Mal kam Gitarrist George Benson."

Legendär waren auch die Auftritte des großartigen Pianisten Friedrich Gulda, der im Jazzland immer wieder für volles Haus sorgte. "Einmal rief Gulda knapp nach 19 Uhr am Abend des Auftritts an und fragte, ob überhaupt Publikum da wäre. Ich sagte, dass die Hütte zum Bersten voll sei", erzählt Melhardt. Gulda kam dann gegen halb acht und spielte mit zwei Pausen bis halb ein Uhr in der Früh. "Er spielte einfach wirklich gerne und vor allem mit großer Freude."

Musiker lieben das Jazzland
Ein Konzept von Melhardt, der eigenen Angaben zufolge alle Musikstile mit Ausnahme von FreeJazz spielt, ist es, internationale Künstler mit heimischen zusammen zu bringen. "Da sind natürlich wunderbare Dinge passiert - etwa die fruchtbare Zusammenarbeit von Fritz Pauer und Chico Freeman." Im Jazzland sind in den vergangenen vier Jahrzehnten auch dutzende Live-Mitschnitte entstanden. Der Boogie-Pianist Axel Zwingenberger hat zehn CDs im Jazzland aufgenommen. Auch der kürzlich verstorbene Saxophonist Red Holloway hat mit der heimischen Mojo Blues Band die Live-CD "Jazzland Session" im Keller unter der Ruprechtskirche eingespielt.

"Musiker lieben das Jazzland, weil sie nahe am Publikum sind und die Atmosphäre schätzen", meint Melhardt. "Der verstorbene Saxophonist Eddie Lockjaw Davis etwa hat in 12 Jahren insgesamt 18 Wochen lang bei uns gespielt. Und er war damals einer der ganz berühmten Jazzer." Einen Vorteil sieht Melhardt auch darin, dass die Musiker ihre Verträge direkt mit dem Jazzland schließen. "Die Gagen-Abrechnung mit Lockjaw Davis erfolgte beispielsweise immer im Taxi zum Airport. Und dabei waren wir uns immer sehr schnell einig."

Angepeiltes Ziel: 50 Jahre Jazzland
"Das 50-Jahr-Jubiläum möchte ich noch begehen", meint der heute 68-jährige Melhardt. Eine Erkrankung vor einigen Jahren hat den Jazzland-Boss und ehemaligen Raucher zu einem gesünderen Lebensstil animiert. Seit 2010 ist das Jazzland übrigens Nichtraucherzone. Eine Teilung in eine Raucher- und Nicht-Raucherzone sei baulich nicht möglich gewesen. Daher habe man sich dazu entschlossen.

Die erfolgreiche "Rising Stars Serie", die in den vergangenen Jahren eine noch gänzlich unbekannte Diana Krall, den Gitarristen Russe Malone, den Sänger Kevin Mahogany oder den Pianisten Brad Mehldau ins Landl brachte, setzt Melhardt auf eigenes Betreiben fort. Zufrieden ist der Jazzland-Chef auch mit der Idee, sein Lokal zu einem Austragungsort des Jazz-Fest-Wien gemacht zu haben. Da werden sich auch in diesem Jahr wieder Stars die Ehre geben. Auf eines ist Axel Melhardt in seinem Club auch stolz. "Wir haben eine wirklich gute und bodenständige Küche. So hatte der verstorbene kroatische Vibraphonist Bosko Petrovic immer Cevapcici bei uns gegessen. Als ich ihn einmal danach fragte, warum er das bei uns immer bestellt, antwortete er, dass sie hier besser schmecken als bei ihm zu Hause."

© Wolfgang Weitlaner - CONCERTO Ausgabe 2-12
www.concerto.at


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Interview ORF Radio Wien von Bernd Matschedolnig - "Menschen im Gespräch" - 31.03.2012

Melhardt: Der Jazz hat es schwer

Axel Melhardt betreibt seit 40 Jahren das Jazzland in Wien und hatte Weltmusiker wie Jim Galloway dort zu Gast. Bei "Menschen im Gespräch" erzählt er von seiner Liebe zum Jazz und einer verpatzten Verabredung im Alter von zwölf Jahren

"Jazz hat es deswegen schwer, weil es eine schwierige Musik ist", sagte Melhardt bei "Menschen im Gespräch" mit Bernd Matschedolnig auf "Radio Wien". Im Vergleich zu anderen Stilen sei Jazz noch immer eine Musik für Kenner und nicht für die Massen. Melhardt hat sich trotzdem diesem Stil verschrieben: "Weil ich die Musik liebe", meinte er. Seit 40 Jahren veranstaltet er im "Jazzland" Konzerte und Jazz-Abende mit Musikern aus der ganzen Welt.

Arbeiten für den Jazz
Das Jazz-Business würde manchmal an seinen Kräfte zehren, so Melhardt. Er verbringt oft 70 Stunden pro Woche in seinem Lokal in der Innenstadt. Hinzu komme die finanzielle Unsicherheit, die das Jazz-Geschäft begleite: "Es ist seit 40 Jahren jeden Tag spannend: Kommen genug Leute, dass wir auf die Kosten kommen oder müssen wir zuschießen oder bleibt irgendwann einmal etwas übrig?", meinte er.

Trotzdem füllt er regelmäßig sein Lokal mit internationalen und österreichischen Musikern, Stammgästen und mit Besuchern aus der ganzen Welt. Im Gespräch mit Radio Wien äußerte er Kritik an den Umgang mit Jazz in öffentlichen Institutionen. Während die Klassik-Industrie in Mitteleuropa aufgrund ihrer langen Geschichte hoch subventioniert würde, bekäme die Jazz-Sparte kaum Unterstützung. "Bei uns ist halt die öffentliche Hand da, die hilft. Sie sollte nur etwas gerechter verteilen", so der Jazz-Liebhaber.

Jazz ist Ursprung von Pop und Rock
Die vielen Improvisationen, Melodie-Brüche und Interpretationen im Jazz würden viele Hörer stören, meinte Melhardt, obwohl Jazz der Ursprung von Rock- und Pop-Musik sei: "Wenn ich mir heute die Rolling Stones anhöre, höre ich was der Robert Johnson gemacht hat in den 30er-Jahren, alleine mit seiner Gitarre", sagte er.

Melhardt entdeckte seine Liebe zum Jazz mit zwölf Jahren, als er bei seiner ersten Verabredung versetzt wurde. "Dann bin ich alleine ins Kino gegangen und hab mir drei Mal 'Benny Goodman Story' (Anm.: eine Swing- und Jazz-Größe der 1930er-Jahre) angeschaut", erzählte er. Seine liebsten Jazz-Stücke stammen aus der Zeit zwischen 1920 und 1970. "Die modernen Sachen sind sicher auch gut, nur mir gefällt das nicht", so der Jazz-Kenner. Dabei störten ihn die fehlende Melodie und Tonsprünge der jüngsten Jazz-Entwicklung.

Science-Fiction ist wie Jazz
In der Vergangenheit übersetzte der passionierte Science-Fiction-Leser einige Romane aus dem Englischen ins Deutsche und schrieb selbst Kurzgeschichten. "Ich habe früher auch ein paar Stories geschrieben, die in einem kleinen Eck erschienen sind", so Melhardt. Während Science-Fiction-Romane vor 50 Jahren noch als schlechte Literatur verspottet wurden, sind sie für den 69-Jährigen heute Teil der Weltliteratur.

"Die meisten Science-Fiction-Fans sind auch Jazzfans", behauptete Melhardt. Beide Stile hätten gemein, dass sie ein Gedankenexperiment seien, in dem man ein Gebäude aufbaue und darin logisch eine Geschichte erzähle, so der Kenner. Weder in der Science-Fiction, noch im Jazz könne er sagen, wie es weitergeht. Ans Aufhören denkt er jedenfalls nicht. Sein Wunsch für die Jazz-Zukunft: "Ich wünsche mir, dass es so weitergeht wie bisher", sagte er.

Interview zum Nachhören:
self-Menschen im Gespräch - Radio Wien (18:14 Minuten, 8,7 MB)

© ORF Radio Wien - Bernd Matschedolnig
wien.orf.at


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"Kurier" vom 04.03.2012 - Seite 36

Jazzland - Eine Jazzlegende feiert Geburtstag
Das Jazzland hat aus Wien eine Weltstadt des Jazz gemacht.
Heute wird das Lokal 40. Gefeiert wird das ganze Frühjahr.

von Barbara Mader

Alle waren da. Von George Benson bis Wynton Marsalis, Monty Alexander bis Joseph Bowie, Fatty George bis Art Farmer. Nur Joe Zawinul und Hans Koller nicht, die waren zu teuer, seufzt "Jazzland"-Chef Axel Melhardt.

Apropos teuer: Auch Diana Krall trat einst im Jazzland auf. 1996, lang vor der Zeit, als sie zur teuersten Jazzsängerin der Welt wurde. Damals jazzte sie noch ganz im Geiste Nat "King" Cole's. "Fantastische Pianistin", erinnert sich Axel Melhardt trocken. Lieblinge hat er andere. Melhardt hat es nicht so mit dem Glamour. Er mag es authentisch.

Seit 40 Jahren betreibt Melhardt im Keller unter der Ruprechtskirche, einem Ausläufer der Katakomben des Stephansdomes, das mittlerweile legendäre Jazzland und hat damit Wien eine weitere musikalische Superlative verschafft. Blut geleckt hat er als Teenager, als ihn ein Mädchen versetzte. Als ihm das Warten zu blöd wurde, ging er ins Kino und sah die "Benny Goodman Story". Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Der Freundschaft zum Jazz.

"Wien hat eine doppelt so hohe Jazz-Club-Dichte wie New York", sagt Melhardt. Er hat einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet. In seinem "Jazzland" wird seit dem 4. März 1972 an sechs Tagen in der Woche live gespielt. Melhardt ist immer dabei, er lebt für das Lokal. Die Fotos an den Wänden erzählen eine Geschichte, die wie ein Jazzlexikon klingt. Dem Wahlwiener Art Farmer etwa, der bis zu seinem Tod 1999 in Wien lebte, ist hier viel Platz gewidmet. Ein echter Weltstar des Jazz, der 1968 als Juror eines Jazz-Festivals nach Wien kam und hängen lieb. Hauptberuflich spielte er in der ORF-Bigband, im Jazzland hatte er seine Homebase.

Kein Fan
Ein Höhepunkt der Anfangsjahre waren die Auftritte von Fatty George und dem Bill-Grah-Quartett. Obwohl Fatty erklärtermaßen kein besonderer Freund des Jazzland war – er war der Meinung, dass nur sein "Fatty's Saloon" am Petersplatz ein echter Jazzclub war. Dennoch konnte ihn Jazzland-Freund Bill Grah zu einigen Auftritten hier überreden.

Persönlicher Favorit Melhardts war der 1986 verstorbene Eddie "Lockjaw" Davis, Starsolist bei Count Basie, den er bei einem Jazz-Festival in Nizza kennenlernte. Der "Ederl", wie ihn Melhardt liebevoll in seiner als Lexikon gestalteten Publikation zum 30. Geburtstag des Jazzland nennt, habe den Ruf gehabt, dass mit ihm nicht gut Kirschen essen sei. In Wahrheit war er "einer der bemerkenswertesten Menschen, die ich in meinem Leben kennenlernen durfte." In 12 Jahren war Davis 18 Wochen in Wien. Es wird wohl mit dem Jazzland zu tun gehabt haben.

© Kurier - Wien, 2012, Barbara Mader


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Wiener Jazzland feiert 40. Geburtstag
Ältester Club der Welt unter kontinuierlicher Leitung

Wien (pte004/03.03.2012/06:15) - Das Wiener Jazzland feiert am 4. März 2012 seinen 40. Geburtstag und ist damit der älteste Jazzclub der Welt unter kontinuierlicher Leitung. Seit 40 Jahren leitet Axel Melhardt in den alten Katakomben unter der Wiener St. Ruprechtskirche am Franz Josefs Kai den Club.

"Eines war von Anfang an klar", erzählt Melhardt im pressetext-Interview. "Die Gegebenheiten des Kellers und dessen Gewölbe, die ungefähr um 1450 erbaut wurden, ließen sich nicht verändern. Das hat Vor- aber auch Nachteile." Dass es in der 40-jährigen Geschichte des Lokals daher vorkam, dass so mancher Gast aufgrund von Überfüllung keinen Einlaß mehr finden konnte, gehöre definitiv zu den Nachteilen.

Stelldichein der weltweiten Jazzelite
Die Liste der Musiker, die in dem täglich - bis auf ganz kurze Urlaubspausen - bespielten Lokal aufgetreten sind, ist lang. "Wir hatten Ben Webster, Teddy Wilson, Benny Carter, Benny Golson oder Ray Brown zu Gast", erzählt Melhardt. Aber auch der legendäre Pianist Friedrich Gulda oder der Trompeten-Meister Art Farmer spielten unzählige Male in dem kleinen Jazzkeller am Kai. Zum 30. Jahrestag gab Melhardt ein Buch heraus, in dem sämtliche Musiker, die in seinem Lokal auftraten, aufgelistet sind.

"Das Lokal ist selbst unter den Weltstars, die im Konzerthaus ihr Stelldichein geben, bekannt und so geschah es sehr oft, dass diese nach den Auftritten in den großen Sälen zu uns kamen", so Melhardt. George Benson, Wynton Marsalis oder Diana Krall - die übrigens als nahezu unbekannte Pianistin ihr Wien-Debut 1996 im Jazzland gegeben hat - kamen zu später Stunde in den gemütlichen Jazzkeller, um zu sehen, wie Wien sich auch diesem Musikgenre widmet.

Lokalkolorit mit internationaler Färbung
Melhardts Konzept war es immer gewesen, internationale Stars mit heimischen Musikern zusammen zu bringen. Das geschah schon beim allerersten Jazzland-Konzert im März 1972. Damals trat die New-Orleans-Klarinetten-Legende Albert Nicholas gemeinsam mit den Red Hot Pots auf. "Diese Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen", so der Jazzland-Besitzer. Positiv hinzu komme die Mundpropaganda der Musiker selbst.

Seit einigen Jahren ist das Jazzland auch ein Austragungsort des Wiener Jazz Fests. In diesem Sommer wird es im Rahmen des Festivals einen einwöchigen Auftritt von Scott Hamilton geben, der als einer der führendsten Tenorsaxophonisten des Mainstream gilt. Wie perfekt internationale Musiker mit lokalen Jazzern interagieren, kann man anhand der beigefügten Video-Aufnahme sehen. Hier spielt der legendäre Tenorsaxophonist Benny Golson gemeinsam mit dem österreichischen Pianisten Fritz Pauer und seinem Trio auf der Bühne des Jazzland.

"Im Jazzland sind in den vergangenen vier Jahrzehnten auch etliche Live-Mitschnitte entstanden. Der Boogie-Pianist Axel Zwingenberger hat zehn CDs bei uns aufgenommen", so Melhardt. Auch der erst kürzlich verstorbene Saxophonist Red Holloway hat mit der heimischen Mojo Blues Band die Live-CD "Jazzland Session" im Keller unter der Ruprechtskirche eingespielt. "Musiker lieben das Jazzland, weil es nahe am Publikum ist. Sie schätzen die Atmosphäre. Und unser Publikum schätzt den engen Kontakt zu den Musikern", meint Melhardt abschließend.

© Wolfgang Weitlaner - www.pressetext.com
(Anm.: mit link zur erwähnten Videoaufnahme)


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www.blues.at - Konzert-Berichte
Mojo Blues Band

Jazzland, 16. + 17. 11. 2010

Auch wenn das Jazzland seit 38 Jahren eine grenzüberschreitende Institution der "Musikstadt Wien" ist, welchen redlich erworbenen Titel sie täglich neu zu bestätigen hat, und auch wenn die Mojo Blues Band mit 33 Jahren (Gründung 1977) wahrlich respektable Bestandsjahre nennen kann, Berichte über sie im Blues.at, von wann?? Natürlich findet man über das Archiv in Blues.at eine Menge über Auftritte der MBB. In der Mehrzahl sind es Kurznotizen. Der letzte Bericht über sie im Jazzland datiert auf den 30.1.2006; der letzte im Davis vom 20.9.2008. Im gebotenen Respekt vor diesen historischen Dokumenten findet aber auch der Mut zu einem Bericht aus dem Jahre 2010 Platz. Dabei läßt die lebendige Erinnerung wenige Stunden nach dem Konzertende keine verblassenden, sondern detailreiche Bilder voll der Lebendigkeit in der Erinnerung zu.

Der besondere Anreiz, diese wohl renommierteste heimische Formation an zwei aufeinander folgenden Tagen hören und sehen zu wollen, lag in der zwei Tage zurückliegenden "Story of the Blues"-Festivität im Metropol (s. Konzertbericht hier in Blues.at), verknüpft mit der Frage: Wie geriert sich die Band in ihrem unverwechselbaren "Wohnzimmer", dem Jazzland, nach dem Sonderauftritt mit der "Story". Wo treten Unterschiede auf und wie verhält sich Tag 2 (Mittwoch, 17.11.) zum Tag 1 (Dienstag, 16.11.). Man darf ja als Interessierter mit vorformulierten Fragen hingehen. Der generelle Eindruck: ideologisch vergleichbar mit einem Gemälde von van Gogh und einem von Rembrandt: dort zieht der Farbenreichtum mit dem Überhang in die reale Fiktion (eine Antinomie wie in der Musik: grelle Töne untersetzt mit zartestem Klangspiel, produziert von fünf perfekten Tonmalern), hier begegnet man praller Üppigkeit, nicht zu bändigender Lebensfreude und nahezu überbordender Vitalität: und auch da kann das Schöpfungswerk der fünf Künstler locker den Vergleich zu Rembrandt aufnehmen.

Das ist ja eine der Kennmarken der Mojo BB-Musik: sie spielen nicht, sie erschaffen ihre Interpretationen mit den Tönen jedesmal neu; es entsteht immer wieder ein neues Tonbild. Doch Trauner mit den Seinen balanziert neuerdings auf einem sehr hoch gespannten Seil. Er selbst vollführt da hoch oben in den letzten miterlebten Auftritten mit besonderer Hingabe, besonderem Einsatz die Harpakrobatik. Auch nur auf rund zwei Jahre rückblickend finde ich keinen Musiker, der mit (s)einem Instrument derartige Veränderungen, Fortschritte gewissermaßen, gemacht hat.

War die "Blues Story" korrekt das, was der Titel ankündigte, boten die Jazzlandabende eine ganz andere Band mit einer anderen Gewichtung, zielgenau ausgerichtet auf möglichst unterhaltsame Stunden für die Band und für das, wie immer, in Überzahl in das Geschehen einbezogene Publikum. Zu "einbezogen": Erik hört alle Bemerkungen im und aus dem Publikum und thematisiert sie auch gleich: punktgenau und "nichts schuldig beliebend", möchte man sagen. Das schafft Teilnahme aller, bildet zumindest für die Zeit Gemeinsamkeiten. Auch wenn die Instrumente über Nacht vorort gelassen wurden, das Programm fand seinen weitgehenden Austausch. Das Repertoire zahlenmäßig zu erfragen, brächte sehr wahrscheinlich jeden der "Glorreichen Fünf" in Verlegenheit. Aber es waren auch unverkennbar kostbare und, in einem gesagt, auch köstliche Lieblinge dabei: "Promised Land" (da "rastet" Siggi fast aus, sosehr zieht ihn das Lied in den Bann), "Cold Woman - Warm Heart" (leicht zu denken, daß hier die Koketterie instrumentiert wird), "When I´m drinking" (formt Siggi zum Sozialthema um) usw...

Und die ganz große "stumme" Stütze der ganzen Band - als Teil im Ganzen - ist immer wieder und wieder die "Tigers Combo". Man soll sie auch die "Sound maker" nennen. Sie bereiten in Klangfarbe und Rhythmus das Parkett auf, auf dem Erik und Siggi die symphonischen Pirouetten plazieren: Charlie Furthner, Herfried Knapp (mit neuerdings besonders energiegeladener Interpretation seines Parts: wunderbar!!), Didi Mattersberger, der unverkennbar Authentische. Ihr gemeinsames "Solo" war an beiden Abenden ein lange aktiver Einschlafverhinderer.

Zurück zum Jazzland, zum Kulturinstitut der "Musikstadt": Erik Trauner mit seinen Gefährten leisten mehr als den ihnen in diesem Rahmen zukommenden Anteil. Man weiß es zwar und erlebt es dort regelmäßig: Ins Jazzland kommen Gäste aus dem Ausland, verstärkt junge Leute (wie gestern aus Tschechien und Holland: für diese leiste auch die Österreichische Braukunst ihren besonderen Werbebeitrag). Keine Frage, sie werden allesamt zu Hause von der coolen, megageilen, superdrönigen Mojo Blues Band of Austria berichten.

Und wenn der Platz auch im Keller liegt: hier wird nichts versteckt, sondern unter besonderen gastronomischen Delikatessen konsumiert: die faktischen und die musischen.

Trauners © und ® Spruch stimmt schon: "The Blues will never die". Nicht, solange es solche Musiker gibt.

Hermann

© www.blues.at/Konzertberichte


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www.blues.at - Konzert-Berichte
Nathan & The Zydeco Cha Chas

Jazzland, 10.11.2010

Zydeco, das "schwarze" Gegenstück zur "weißen" Cajunmusik, hört man seit dem Abgang Christian Dozzlers aus der Mojo Blues Band hierzulande bedauerlicherweise live kaum mehr.
Also ein "Muss", zu den Cha Chas ins Landl zu pilgern.

Nathan Williams, seit angeblich 26 Jahren musikalisch aktiv (ein Foto von ihm aus 1991 findet sich in Philip Goulds Fotoband "Cajun Music and Zydeco"), benennt seine Band nach einem Titel von Clifton Chenier (1971), vielleicht weil ihm der so besonders gut gefällt und weil Chenier sein Guru ist. Die Gruppe konnte ich zuletzt vor Jahren im Rathaus bei einem Flüchtlingsball bewundern, damals in dankenswerter Weise von Herrn Willi Resetarits nach Wien geholt.

Die Besetzung diesmal (an die damalige erinnere ich mich nicht) ist beinahe ein Familienbetrieb - Gitarrist Dennis Paul Williams ist ein älterer Bruder, und das Rubboard wird von Mark Williams bearbeitet, einem Cousin. Komplettiert wird die Gruppe von einer Orgel (!) und Schlagzeuger Herman Brown, nicht gerade der dezentesten einer.

Nathan spielt ein solides Akkordeon. Die Cha Chas haben keinen Bassisten; den Basspart übernimmt interessanterweise nicht oder nicht immer Orgel oder Gitarre, sondern Nathan selbst mit seinem Instrument, was dem Sound eine besondere Note gibt. Bei den Cajuns hört man das öfter, im Zydeco doch eher selten.

Gespielt wurde Tanzmusik, und viele Gäste hielt es nicht auf den Sitzen. Waltzes, Two-Steps, Bluesiges war zu hören, sogar eine einschlägige Version von "Trouble In Mind". Ein paar junge Leute aus der Slowakei tanzten beängstigend akrobatisch im schmalen Mittelgang, aber auch ältere Semester sah man stehend, sich enthusiastisch im Rhythmus wiegend. Zydeco (so wie auch Cajun) ist im Prinzip Tanzmusik, und für die Cha Chas war das völlig normal, absolut nicht ungewöhnlich, für manche Jazzlandgäste schon....

Die Performance hatte ihre Ecken und Kanten, und die gehören dazu. Nathan selbst griff einige Male daneben, sein Bruder (auch ein Linkshänder) spielte eine solide, wenn auch nicht fehlerlose Gitarre, die Orgel war kaum zu hören und solierte kein einziges Mal. Die Perkussion war um einiges zu laut und ließ mich im Interesse meiner Hörorgane aus den vorderen Reihen flüchten.

Weiter hinten war der Sound insgesamt erträglicher, wenn auch nicht immer angenehm. Zu undifferenziert, zu breiig drang die Musik ins Ohr, von Dynamik kaum eine Spur. Möglicherweise war das technische Equipment dieser Band einfach nicht gewachsen. Unplugged wäre schöner gewesen!

Dennoch ein vergnügliches, weil selten zu hörendes Konzert - ein paar Stunden Urlaub in Lafayette (oder Baton Rouge?). Unterhaltsam, fröhlich, unbeschwert, so wie sie halt sind, die Leute aus Louisiana. "I'm from Louisiana, but I feel like I'm home", sagt Nathan, und fast glaubt man es ihm.

Werner Simon

© www.blues.at/Konzertberichte


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Music Austria - 03.09.2010
Jazz/Improvisierte Musik
Artikel/Berichte

Diknu Schneeberger Trio zu Gast im Jazzland

Ganz im Zeichen der Gypsy-Klangtradition steht der Konzertabend am 9. September im Wiener Jazzland. Mit dem Gitarristen und Hans Koller-Preisträger Diknu Schneeberger ist ein echtes musikalisches Wunderkind zu Gast. Gerade erst zwanzig Jahre alt, offenbart der junge Musiker bereits ein von einer solch Virtuosität getragenes Spiel, welches man sonst nur von den wahren Meistern des Gypsy-Swings kennt.

Manche Begabungen und Talente bekommt man einfach in die Wiege gelegt. So auch der im 1990 geborene Diknu Schneeberger, der Sohn des renommierten Gypsy-Bassisten Joschi Schneeberger. Es gibt nicht wenige Experten, die dem jungen Gitarristen eine große Zukunft voraussagen. Er gilt nicht nur hierzulande als ein absolutes Ausnahmetalent. Besonders bewundernswert ist die kurze Zeit, in welcher der jetzt Zwanzigjährige seine instrumentalen Fertigkeiten perfektionieren konnte. Bedenkt man, dass Schneeberger erst mit 14 Jahren begann, Gitarre zu spielen, ist dessen rasante Entwicklung umso bewundernswerter. Ursprünglich lernte der junge Musiker Schlagzeug, was ihm dann letztlich dann doch nicht das Richtige zu sein schien. Zunächst übernahm er an der Rhythmusgitarre bei Striglo Stöger. Nur wenig später folgten auch schon die ersten öffentlichen Auftritte. Wiederum nur kurz darauf spielte er seine erste CD mit dem Joschi Schneeberger Sextett ein zu lernen. Und damit war auch schon das erste Jahr seine Karriere als Gitarrist vorüber.

2005 landete der blutjunge Musiker schließlich beim renommierten Wiener Jazzgitarristen Martin, von dem er in den folgenden Monaten unterrichtet wurde. Aus dem anfänglichen Schüler-Lehrer Verhältnis erwuchs schnell ein freundschaftliches Verhältnis, was mit Sicherheit zum Teil auch an der gemeinsamen Liebe zur Musik von Django Reinhardt begründet war. Was Diknu Schneeberger auszeichnet, ist sein vor allem ungemein ausgeprägtes Gespür für Melodik und Ton. In seinem Spiel vereinen sich Virtuosität und rhythmische Präzision zu einem unnachahmlichen und berührenden Ganzen, wie man es nur von den ganz großen des Faches kennt.

2006 schließlich gründet der junge Musiker gemeinsam mit seinem Lehrmeister und seinem Vater Joschi das nach ihm benannte Trio. Diknu Schneeberger und seine Mitstreiter spielen Gypsy Swing der rasanten Art. Die Stücke sind durch die Bank außergewöhnlich arrangiert und kommen dem Originalsound von Djangos Kompositionen sehr nahe. Zugleich lassen die Drei aber auch modernen Elementen viel Platz, was die Musik um zusätzliche Spannungsmomente erweitert.

Wer also Zeuge dieser musikalischen Brillianz werden will, sollte sich das Konzert im Jazzland auf keinen Fall entgehen lassen.(mt)

© Music Austria - www.musicaustria.at


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CONCERTO 4/2010
Jazzfest Wien 2010:
Treffen eines alten Kapazunders
Benny Golson & Fritz Pauer Trio im Jazzland

81 Jahre jung ist Tenorsaxofonist Benny Golson - und das sieht man ihm kaum an. Immer noch elegant beim Spielen - relaxt und straight - ein Mann, der es nicht nötig hat, auf irgendwelche billigen Gadgets zu setzen, sondern einer, der trotz seines Alters immer noch aufgrund seines Spiels überzeugen kann. Und Fritz Pauer, der wie edler Rotwein von Jahr zu Jahr besser wird und seine internationalen Gäste (etwa Dusko Goykovich, Chico Freeman oder die verstorbenen Art Farmer und Johnny Griffin) immer aufs Neue begeistert. Das Schöne daran ist, dass sie es auch immer in den höchsten Tönen tun - und zwar coram publico. Dieses Hohelied von Golson gilt auch Hannes Strasser am Bass und Joris Dudli am Schlagzeug, die wie immer überzeugen. Und langsam mit unendlich viel Zeit gehen die vier Männer ans Werk und spielen Standards wie "Strictly Confidential", "Mr. PC" oder "I Remember Clifford". In den kurzen Pausen fabuliert Golson über seine Jugend mit John Coltrane in Philadelphia. Dann folgen selten gehörte Kompositionen wie etwa Benny Golsons "Gypsy Jingle Jangle" oder Clifford Browns "Tiny Capers". So vergeht ein Abend mit wunderschöner Musik in einem dazu passenden Rahmen - und die Vorfreude auf einen weiteren lebenden Giganten gemeinsam mit dem Fritz Pauer Trio im kommenden Jahr.

© Wolfgang Weitlaner - CONCERTO 4-2010
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oe1.orf.at - Kulturjournal, 15.07.2010

"Orgeltornado" Barbara Dennerlein
Neue CD und Konzerte im Jazzland

Die deutsche Jazz-Organistin Barbara Dennerlein gehört zu den Großen ihres Instruments. Mit 19 nahm sie ihre erste Schallplatte auf. 24 Alben hat Barbara Dennerlein bisher eingespielt - und jetzt folgt neue: "Bebabaloo". Diese Woche konzertiert Barbara Dennerlein im Wiener Jazzland.

Virtuoses Spiel an Tasten und Registern konzedieren ihr die Kritiker, dazu einen ebenso kunstfertigen wie flinken Einsatz der Pedale. Barbara Dennerlein zählt zu den Großen des europäischen Jazz, ein "Orgeltornado", wie manch einer die temperamentvolle Münchnerin nennt. Auch auf ihrer neuen Live-CD "Bebabaloo" zeigt die Dennerlein, was sie so alles drauf hat.

Bewunderung für Friedrich Gulda
Es war ihr jazzbegeisterter Vater, so weiß die Dennerlein-Mythologie, der dafür sorgte, dass die elfjährige Barbara Mitte der 1970er Jahre eine Hammond-Orgel unter dem Christbaum vorfand. "Ich habe mich sofort mit dem Instrument angefreundet", erinnert sie sich.

Barbara Dennerlein hat ein breites Repertoire - von swingendem Blues bis hin zu temporeichen Eigenkompositionen, in denen sie Elemente von Bebop und Modern Jazz ebenso herbeizitiert wie die mitreißende Vitalität lateinamerikanischer Rhythmen.

Zu Wien hat Dennerlein ein inniges Verhältnis. Seit einem Vierteljahrhundert ist sie regelmäßig zu Gast im "Jazzland", hier hat sie legendäre Konzerte absolviert, mit Oscar Klein etwa, oder mit Friedrich Gulda. "Mit Friedrich Gulda hab ich wahnsinnig gern gearbeitet", so Dennerlein, er sei ein "Wahnsinns-Musiker" gewesen. "Ich habe ihn immer bewundert, weil er keine Kompromisse eingegangen ist. Das ist mir tausendmal lieber als Leute, die einem freundlich tun und hinten herum schlecht reden."

© Günter Kaindlstorfer/oe1.orf.at - Kulturjournal
Artikel online: oe1.orf.at - Musik


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Kulturwoche.at 06.07.2009

Allan Harris & Band im Jazzland - Die Kritik

Als Allan Harris mit seiner Band in der Staatsoper den Abend für Al Green eröffnete, stahl er dem Hauptakteur schon beinahe die Show. Stehende Ovationen für eine Vorgruppe sind nicht an der Tagesordnung, ebenso wenig wie Menschen, die Kugelschreiber beim Nachbarn ausborgen, um sich Musikernamen zu notieren. Beides war zu sehen beim Auftritt des amerikanischen Universal-Quintetts. Das Jazzland stillte die Lust auf Mehr.

Aber nicht nur einen, sondern gleich vier Abende gab es die Gelegenheit, sich an musikinduziert guter Laune zu berauschen: Von Sonntag, 4. Juli (vom Vorprogramm aus der Staatsoper direkt an den Schwedenplatz), bis Mittwoch, 7. Juli 2010, waren die Amerikaner im neuerdings rauchfreien (wie der Inhaber gerne betonte) Kellergewölbe zu Gast. Doch zunächst: Wer ist Allan Harris? Antwort: Ein New Yorker Sänger und Gitarrist, dessen Alter schwer zu ermitteln ist (seine Homepage verrät, dass er als Kind ab und an von Louis Armstrong höchstpersönlich gehütet wurde - die 40 wird er dann wohl bereits hinter sich gelassen haben) und dessen Genre-Schublade überhaupt nicht auszumachen ist. Man könnte eher von einem ganzen Baukasten sprechen. Sich selbst als "an american voice" bezeichnend, deckt er wirklich vieles ab, was populäre amerikanische Musik hervorbrachte. Samtweich singt er und ist damit prädestiniert für Soul, R&B, Broadway und das weite Feld Pop. Ohne den Versuch, sich zu verstellen interpretiert er aber auch Folk, Gospel, Blues und vor allem Jazz als sei das seine und jeweils einzige Musik. Ein Vergleich: Allan Harris klingt bei Jazzstandards wie Tony Bennett mit Warmfilter, dafür ohne Valium und Vibrato. Will sagen: Angenehm ohne schläfrig zu sein. Er ist überhaupt ein "Ohrschmeichler".

Unglaubliche Spielfreude
Mit erstaunlicher Sicherheit intonierte er live (ob in der Oper oder im Jazzland), ging spielerisch durch anspruchsvolle Passagen, sang soulig-samtig in allen Lagen. Dadurch entstand die Gelassenheit, die den Zuhörern die Schwierigkeiten eines Abends verbirgt; genau dieses spielerische Spiel braucht es, um die Chemie zwischen Publikum und Musikern nicht zu vergessen: Trotz schon einigen Spielstationen hinter und noch vielen vor sich verstanden es die fünf, das Gefühl von Einzigartigkeit zu vermitteln. Sie hatten Spaß auf der Bühne miteinander, banden das Publikum mit ein und versprühten schlicht gute Laune. Hier soll eine vielleicht speziell US-amerikanische Tugend gelobt werden: Professionelles Unterhalten, egal ob in der Nacht zuvor schlecht geschlafen wurde oder es die dritte Show am Tag ist. Extra erwähnt werden muss hier der Routinier der Band, Saxofonist Jesse Jones. Nicht nur da ein wunderbarer Solist, sondern auch wegen seiner unaffektierten, selbstironischen Showeinlagen war er der Star des Abends, bekam wie schon in der Wiener Staatsoper auch auf der kleinen Bühne vom Jazzland den größten Applaus.

Zum Schluss des ohne Pause zweieinhalbstündigen Gigs mit keinem einzigen schweren, nachdenklichen Titel, während dem man lieber auf dem Klo gewesen wäre, wurden ein paar Standards ausgepackt: "Fly me to the moon" als Soulballade, "You make me feel so young" klassisch, "On the street where you live" im 12/8-Shuffle, "Smile" als Beguine und "What a wonderful world" als Uptempo-Nummer zum Mitsingen. Der Abschied seitens des Publikums war unfreiwillig. Darunter übrigens viele, die sich das Programm schon mehrmals gönnten. Auch ein Indikator für mitreißende Unterhaltung. Wer meinem Urteil nicht glaubt, so vielleicht einem anderen: Gesagt wurde in der Staatsoper, es sei Al Greens ausdrücklicher Wunsch gewesen, im Vorprogramm Allan Harris zu haben. Sicher ist, dass das eine gute Wahl war. Nicht nur, weil er für ausgelassen positive Stimmung sorgte, sondern auch, weil er vielen diesen großartigen und noch zu unbekannten Künstler entdeckt hat. Und das hat Al Green dann wohl mit den Betreibern des Jazzlands gemein.

© Peter Baumgarten/Kulturwoche.at


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DER STANDARD 03.07.2009

Eleganter Stilist des Hardbop: Benny Golson, heute, Samstag, zu Gast im Jazzland Wien.

Das Jazzfest Wien bietet dem Fußball Paroli: Benny Golson, Al Green, Al Jarreau und Co lassen das Wochenende swingen.

Das Jazzfest Wien nimmt also an diesem Wochenende den Kampf mit dem Viertelfinale der Fußballweltmeisterschaft auf und schickt dafür ein breites wie buntes Aufgebot an musikalischen Geistern an die Publikumsfront.

Ein letztes Mal gastiert in diesem Samstag etwa Legende Benny Golson im Jazzland, jener elegante Stilist des Hardbop, der das Jazzrepertoire um Standards wie Stable Mates, I Remember Clifford, und Whisper Not bereicherte - und der durch seine Verbindung mit dem einst viele Jahre in Wien heimischen Trompeter Art Farmer in die Annalen eingegangen ist. Begleitet wird der rüstige Einundachtzigjährige wie gewohnt vom Fritz-Pauer-Trio.

© Andreas Felber/DER STANDARD


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DER STANDARD 30.03.2010

KONZERTKLÄNGE

In Red Holloway ist dem in seiner erstaunlichen 38. Saison stehenden Jazzland-Impresario Axel Melhardt ein Stammgast erwachsen. Wohl nicht zuletzt, da der Tenorsaxofonist die beiden Programmsäulen Jazz und Blues gleichsam in Personalunion verkörpert. Als Begleitmusiker in Blues-Bands hat der aus Arkansas Stammende einst begonnen, u. a. bei Willie Dixon und John Mayall. Später driftete er immer mehr in Richtung Jazzszene, er umrankte mit seinen expressiven, erdigen Linien die Stimme von Billie Holiday und arbeitete sowohl mit Sonny Rollins als auch mit Lester Young.

1964 legte er mit "Brother Red" - u. a. mit George Benson - sein Debüt als Leader vor. Im Jazzland frönt der bald 83-jährige Holloway seit Jahren beiden Lieben: Im Geist des 12-taktigen Ursubstrats afroamerikanischer Musik stehen heute und morgen die Abende mit Erik Trauners Mojo Blues Band, die jazzigen Gelüste werden dann bis Samstag mit den Routiniers von Jazzklusiv befriedigt.

Ein Stück Musikgeschichte, live!

© Andreas Felber/DER STANDARD


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"Kurier" vom 03.01.2010 - Seite 12
Ausgabe Wien

B E G E G N U N G E N
Ein guter Stern

von Toni Faber

Meine Hände sind klamm, das Gesicht durch die Kälte gerötet, die Nase tropft. Mein Blick schweift vom tief verschneiten Tal bis zur Arlberg-Passstraße hinauf, kurzes Verschnaufen auf dem Sessellift.

Plötzlich eine Melodie, die dick vermummten Ski-Mädchen neben mir sind gut bei Stimme. "Die Heiligen drei König' mit himmlischem Stern", tönt es vom Lift, "die kommen gegangen aus Morgenland fern."

Sie proben für ihren Einsatz als Sternsinger der Pfarre St. Anton am Arlberg. Auch aus dieser kleinen Tiroler Gemeinde wird mit den Stimmen der Kinder ein wesentlicher Beitrag für Notleidende in der ganzen Welt gesammelt. Denn unser Nächster ist jeder, der Hilfe braucht. Ob in Asien, Afrika oder Lateinamerika.

Ich selber werde wie jedes Jahr in der Wiener Innenstadt mit den drei Königen eine abendliche Lokaltour machen. Wir singen, leihen Caspar, Melchior und Balthasar unsere Stimmen, bitten um Spenden.

Manche Wirte empfinden es als Störung, verwehren uns den Eintritt. Andere zeigen sich begeistert, meist weil sie als Kinder selber Sternsinger waren und die Mühsal dieser Wanderung bei jeder Witterung kennen, tagelang treppauf, treppab. Besonders freudig ist der Empfang im Wiener "Jazzland", die Musiker unterstützen die jugendlichen Stimmen mit Saxofon, Schlagzeug, Klarinette. Sie bringen den Stern der weltumspannenden Hilfe zum Leuchten.

Die singenden Könige schreiben "20-C+M+B-10" über den Eingang. Nicht nur die Namen der Weisen aus dem Morgenland werden so genannt, sondern - mit dem lateinischen "Christus mansionem bene-dicat" - wird der Segen des Christuskindes auf dieses Heim herabgerufen.

Hilfe hat viele Gesichter - ob die der Sternsinger in St. Anton oder in Wien, ob die der großzügigen Lokalbesitzer oder einfach Ihres! Öffnen Sie die Türen für die Königskinder, öffnen Sie Ihr Herz und Ihre Börse. Es wird Ihnen ganz sicher zum Segen sein. So steht dann auch Ihr neues Jahr unter einem guten Stern.

© Kurier - Wien, 2010
toni.faber@kurier.at


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DER STANDARD 08.09.2009

Geschichte, wie sie leibt und bläst

Benny Golson ganz in seinem Element, zu beobachten von 8. bis 12. 9. im Wiener Jazzland

In Steven Spielbergs The Terminal sitzt ein gewisser Viktor Navorski, dargestellt von Tom Hanks, auf dem New Yorker Flughafen JFK fest. In die USA führt in die Suche nach einem Autogramm, der letzten fehlenden Signatur jener 57 Musiker und Musikerinnen, die 1958 für das berühmte Foto A Great Day in Harlem posierten. Während Navorskis Heimatland Krakozhia fiktiv ist, existiert dieses Foto tatsächlich.

Wie auch der Musiker, den er treffen will - und der im Film einen kurzen Gastauftritt absolviert: Benny Golson. Dieser Benny Golson stammt aus Philadelphia, ist heute 80 Jahre alt und längst Teil der Jazzgeschichte. Er war es, der 1959 mit dem später lange Jahre in Wien ansässigen Trompeter Art Farmer das Jazztet gründete, eine der berühmtesten Hardbop-Formationen ever. Golson war es zudem, der das Jazzrepertoire um Klassiker wie I Remember Clifford, Stable Mates und Whisper Not bereicherte und sich als melodiöser, "romantischer" Stilist des Tenorsaxofons in die Chroniken einschrieb. In den 1970ern schrieb er Musik für TV-Serien von M*A*S*H bis The Six Million Dollar Man, zudem ist er als Komponist von Sinfonien und Kammermusik hervorgetreten, unter anderem für Violinist Itzhak Perlman. Zurzeit arbeitet er an seiner Autobiografie, in der er seine Freundschaft mit John Coltrane prominent behandeln will. Und er quert in musikalischer Mission noch immer gerne den Atlantik.

Ab heute ist Benny Golson bis Samstag erneut im Wiener Jazzland zu Gast, begleitet von Fritz Pauer (Klavier), Johannes Strasser (Bass) und Joris Dudli (Schlagzeug). Das ist Jazzgeschichte, live!

© Andreas Felber/DER STANDARD


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CONCERTO 4/2009
Steifzug durch das Jazzfest Wien
Dusko Goykovich & Fritz Pauer beim Jazzfestival Wien im Jazzland

Eigentlich ist das Konzept, internationale Stars nach Wien zu holen und sie mit heimischen Stars auftreten zu lassen, immer eines der Erfolgsrezepte des Jazzland gewesen. Und beim diesjährigen Festival kamen zwei Musiker aneinander, die einander wohl schon länger kannten - der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Trompter Dusko Goykovich und der österreichische Jazzpianist Fritz Pauer. Eine wesentliche Rolle bei dieser äusserts fruchtbaren Begegnung spielte die heimische All-Star-Band mit Johannes Strasser am Bass, die österreichische Antwort auf Sonny Rollins - Herwig Gradischnig - und dem Drummer Joris Dudli. Der 77-jährige Goykovich vermochte mit seiner herrlich eleganten Spielweise immer noch zu faszinieren (wie gerne erinnere ich mich an die sensationelle 2005 erschienene Enja-CD "Samba Tzigano"). Fritz Pauer, der von Art Farmer gerne als pianistischer Weltmeister "Made in Austria" bezeichnet wurde, agierte wie schon so oft als intelligenter und versierter Tastenmann, der immer wieder aufs Neue begeistern kann. Auch Herwig Gradischnig mit seinem satten Ton, der es nicht nötig hat, in Technikdemonstrationen zu verfallen, passte in das wunderbare Klangbild dieses Ensembles. Das gleiche galt für die solide Arbeit von Bassist Johannes Strasser und Drummer Joris Dudli. Dass Fritz Pauer und sein Trio mit der Weltklasse locker mithalten können, bemerkte schon Chico Freeman vor einigen Jahren im Jazzland. Ein absolut gelungenes Konzert. Auf eine Fortsetzung mit einem anderen Superstar beim Festival 2010 darf gehofft werden.

© Wolfgang Weitlaner (woolf) - CONCERTO 4-2009
www.concerto.at


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The Vienna Review - All That Jazz: Highlights for Februrary
(Deutsche Übersetzung folgt demnächst)

Chico Freeman: Playing It All!

by Jean Pascal Vachon

The 1970s weren't easy for American jazzmen. After the deflagration of free jazz in the 1960s, jazz somehow lost its appeal. Several American jazzmen found themselves with lesser opportunities to play, a much-reduced audience and no recording contract as some of the most important labels had closed. Some quit performing music, others accepted less musically-rewarding jobs - read, 'more commercial' - and some left for countries where jazz still enjoyed relative success. Old masters started to slowly fade away. Even the ever-transforming Miles Davis was virtually retired by 1975. For young emerging musicians, this just wasn't the right time ....

Then came the 1980s and jazz enjoyed a revival in the public eyesand ears, somehow re-awakened to its magic, fueled by a few marketing gurus who branded it 'cool' and 'sophisticated'. Record labels started signing "young lions", talented and good-looking, but far from ready, musically-speaking. As for the musicians who had emerged in the 1970s, well, they found themselves too old to be marketable (despite all their great chops and committed wood-shedding) and not old enough to be treated as masters! Even today, this generation of musicians is scandalously overlooked. While we know about Brad Mehldau, Joshua Redman and Roy Hargrove (and deservedly so), who is familiar with the music of Mulgrew Miller, Joanne Brackeen, Bobby Watson, Valeri Ponomarev, Woody Shaw, Arthur Blythe, Anthony Davis? A few from that "sacrificed" generation managed to get through to, if not stardom, at least relative popularity. Chico Freeman is one of these.

Son of the legendary Chicagoan and perennial maverick, Von Freeman (still going strong at 86!), Chico Freeman, interestingly enough, started on the trumpet before realizing that his true calling was the tenor saxophone. He has since added the bass clarinet, the soprano saxophone, the flute and keyboard to his palette. Preoccupied with the African origins of jazz, Freeman likes to mix various influences in his music: rhythm & blues, pop, world (and particularly South American):

"My goal is to explore new worlds, and I don't want to be limited by categories. I don't want to be told that I can't go into other categories. The only limitations I place on myself are the limitations I place on my own imagination. And within that realm, there are none."

His vast knowledge of musical cultures plus solid studies in music theory have made him particularly in demand with other musicians, from avant-gardists to more traditional, from Latin greats to ... the pop group Eurythmics! Trying to follow him is a big assignment, but despite his many projects, he's always managed to remain loyal to his origins: influenced among others by his father, Chico Freeman developed a sound which owes a debt to the Chicago tradition: a robust, warm, big and almost aggressive sound (with a little touch of Coltrane) that he applies to his own style made of long legato phrases, expressionistic harmonics effects and volcano-like eruptions that can be best appreciated within a small group. And the highest compliment: Chico Freeman is also a supreme balladeer!

For his appearance in Vienna's Jazzland - Europe's oldest continuing jazz club - on a European tour that includes Linz, Bruck an der Leitha and Lustenau, Chico Freeman will play, as he usually does when touring in Europe, with the Fritz Pauer Trio. Viennese jazz lovers don't need to be introduced to this legend. It's probably easier to mention those who haven't played with him since the list of his collaborations seems endless. But let's just mention a few who did: Sheila Jordan, Eddie "Lockjaw" Davis, Benny Golson, Benny Carter, Herb Ellis, Dave Liebman, Harry "Sweets" Edison, Warren Vaché, Benny Bailey, Kai Winding, Jim Galloway, Attila Zoller, James Moody .... without forgetting his unique collaboration as member of the European combo of the late "wahl-Wiener" Art Farmer.

Let's say that when one wants to study the history of jazz in Vienna since 1970, Fritz Pauer is likely to appear more than a couple of time. Recently awarded with the Grand Decoration of Honour for Services to the Republic of Austria, Pauer belongs to this precious category called the musicians' musician". In other words, he is a musician able to adapt to the guest's style and make him sound good while managing to keep his own style. One thinks of Hank Jones, Tommy Flanagan, Jimmy Rowles or Kenny Barron ....

Influenced by Thelonious Monk and Bud Powell, Pauer also mentions Friedrich Gulda and mostly Joe Zawinul as mentors:

"I was first influenced by Joe Zawinul whom I heard on radio," he remembers, "and was particularly fascinated by his sound, his creativity and his whole way of playing."

And had ever thought of moving to the other side of the ocean:

"I've often toured across Europe. Because I've gotten so many interesting things to do, I've never felt the urge to move to New York." Also present for these Vienna concerts, bassist Johannes Strasser and drummer Joris Dudli, who have developed over the years with Pauer a rare combination of complicity and flexibility.

Surely one the "must-see" jazz events of February ....

Chico Freeman and the Fritz Pauer Trio
February 18 - 21, 21:00
Jazzland Vienna

© Jean Pascal Vachon - The Vienna Review - February 2009 Page 19

Musicologist Jean-Pascal Vachon teaches at Webster University Vienna and gives lectures on the history of music at various venues around the city. In addition, he also contributes texts and works as a translator for the Swedish classical label, BIS.


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DER STANDARD 07.07.2008

Jazzfest Wien: Messages und Lieder ohne Worte
Sanfte übermittelte Botschaften - The Last Poets, Caetano Veloso, Charles Lloyd, Abdullah Ibrahim

Wien - Die Macht des Wortes, gesungen, gesprochen, instrumental abstrahiert, dominiert weiterhin das Programm des diesjährigen Jazzfest Wien. Bewusst kommuniziert, hätte dieser Fokus wohl auch eine Möglichkeit zur Schärfung der seit Jahren als verwechselbar kritisierten Programmierung geboten.

Die Chance wurde nicht genützt, was die Herren Omar Ben Hassan und Abiodun Oyewole nicht weiter gekümmert haben dürfte: "40 years of let the truth slap in your face", so resümierten die beiden Gründungsväter der Last Poets, im WUK von luxuriösen Rhythmusarbeitern - Jamaaladeen Tacuma (b), Ronald Shannon Jackson (dr) und Babatunde (perc) - begleitet, das Anniversarium ihrer Spoken-Word-Radikalinski-Truppe.

Ihrer Geschichte sind sich Hassan und Oyewole wohl bewusst: Zu Beginn wurde der verblichenen Last-Poets-Mitglieder gedacht, im Repertoire dominierten Klassiker von Hassans Jimi-Hendrix-Tribut über "This Is Madness" bis zum berühmten "America's a terrorist": Messages, die großteils noch immer Aktualität besitzen und unter die Haut gehen, zwischen denen man indessen tatsächlich aktuelle Statements zur politischen Lage vermisste.

Der Star solo

Sanft, verhalten, in melancholischer Süße formte hingegen eine andere Stimme die Worte, um jeden Song wie aus der Erinnerung entstehen zu lassen: Caetano Veloso, der experimentierfreudig gebliebene Superstar des brasilianischen Tropicalismo, gastierte solo, bewehrt nur mit seiner dienstbar betätigten Gitarre, in der Staatsoper - wie vor fünf Jahren Kollege João Gilberto, dem prompt mit einer Bossa-Nova-Hommage gehuldigt wurde. Davon abgesehen besann sich Veloso vor allem auf eigene Lieder, sang mehrsprachig Brandneues wie Altbewährtes von "Coração vagabundo" abwärts und hinterließ ein enthusiasmiertes Publikum.

Am Abend zuvor versteckte Charles Lloyd, der Mann, dessen Saxofonspiel oft vokale Qualität attestiert wird, lange Zeit seine Tugenden hinter verhuschten filigranen Skalen-Ornamenten, ließ dabei immerhin seine jungen Mitstreiter, voran Pianist Jason Moran, vorteilhaft ins Rampenlicht rücken. Erst im finalen "Rabo de Nube" sang Lloyd die Melodielinien in jenem glutvollen, fragilen Ton aus, der ihn unverwechselbar macht.

Abdullah Ibrahim sang nicht. Er sprach auch nicht. Und er meditierte auch nicht am Klavier, wie man es von ihm gewohnt ist. Den Mann, der sonst wie ein Tasten-Buddha entrückt seine Patterns entwickelt, ihn hatte während seines Solokonzerts in der Staatsoper ungewohnte Unruhe gepackt. Ein Suchender war der 74-Jährige aus Kapstadt an diesem Abend, einer, der immer wieder die kontemplative Routine durchbrach und den Tasten Aussage abzutrotzen gewillt war. Das hatte etwas zutiefst Menschliches, es hatte - ob der auf diese Weise gnadenlos offenbarten spieltechnischen Limitiertheit - auch etwas Tragisches.

Beste Zeit kommt noch

Pete McGuinness sollte seine beste Zeit indessen noch vor sich haben, der New Yorker Vokalist und Posaunist konnte im Rahmen seines Jazzland-Gastspiels auf die inspirierten Beiträge von Saxofonist Herwig Gradischnig, Oliver Kent (p), Uli Langthaler (b) und Christian Salfellner (dr) vertrauen und in Eigenkompositionen wie Standards zwischen "Birks Works" und Chaplins "Smile" vor allem durch agile Scat-Improvisationen konvenieren. Ein Talent aus den Gefilden des nachschöpferischen Geradeaus-Jazz.

© Andreas Felber/DER STANDARD

Anm.: Pete McGuinness trat am 4/5.7.2008 im JAZZLAND auf


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DER STANDARD 31.12.2007

"Zwei Meter Blues" geht von Wien nach Dallas
Wenn Teenagerträume in Erfüllung gehen: Christian Dozzler lebt dort, wo seine Musik herkommt

Dallas/Wien - "Als weißer Bluesmusiker in Amerika Fuß zu fassen war überhaupt kein Problem - eher, als Europäer dort legal arbeiten und leben zu dürfen, das war richtig harte Arbeit", erzählt Christian Dozzler, einer der renommiertesten Blues-Musiker der europäischen Szene und heute in Dallas, Texas, ansässig.

Der 49-Jährige, im deutschen Sprachraum wegen seiner ansehnlichen Körpergröße auch unter dem Beinamen "Zwei Meter Blues" bekannt, verwirklichte seinen Traum vor sieben Jahren und zog in das Land, aus dem seine Herzensmusik kommt. In den Staaten und bei regelmäßigen Europa-Tourneen spielt er seither im Durchschnitt an die 200 Auftritte pro Jahr, bei denen er sein Publikum mit Gesang, Klavier und Mundharmonika ebenso begeistert wie mit dem Akkordeon. "Begonnen hat mein Faible für diese Musikrichtung als ich 14 war", erinnert sich Dozzler, "mein Bruder war großer Jazzfan und hatte einmal versehentlich eine Blues-Sendung aufgezeichnet." Der musikalische Teenager hatte bereits seit dem fünften Lebensjahr Klavierunterricht bekommen, und so war es kein Problem nachzuspielen, was er auf dem Tonband hörte. Sein Lebensthema war entstanden, ohne dass ihm das selbst noch bewusst war.

"Ich ging ins Jazzland in Wien, mit dem Kassettenrekorder unter dem Arm, und sah fantastische Auftritte. Damals spielten noch Koryphäen wie Roosevelt Sykes, Little Brother Montgomery oder Sunnyland Slim dort", so Dozzler mit einem Anflug von Sentimentalität, "und bald wurde klar, ich brauche meinen eigenen Stil." 1976 gründete er mit der "Backyard Bluesband" seine erste eigene Formation, "eine zunächst blueslastige Mischmasch-Sache, die dann aber durchaus 'stilrein' wurde"

Damit ließ sich bereits Geld verdienen. "Ich studierte anfangs Elektrotechnik. Die Musik sah ich als Hobby, sie entwickelte sich von selbst zum Beruf." Nach zwei Jahren hängte er das Studium an den Nagel und spielte zuerst bei den Blues Bandits und trat dann in die Mojo Bluesband ein, deren prägendes Mitglied er von 1984 bis 1993 war. Es entstanden erste Plattenaufnahmen. Zahllose Tourneen und regelmäßige Zusammenarbeit mit amerikanischen Blueskünstlern erweiterten seinen stilistischen Horizont. Für weitere sieben Jahre reiste er mit seiner eigenen Band "Blues Wave" kreuz und quer durch Europa. Im Mai 2000 kam ein Angebot, das er nicht abschlagen konnte - er wurde Mitglied der Band von Larry Garner und übersiedelte in die USA.

"Es war eine tolle Zeit, nur die amtlichen Hürden waren ein Graus", erinnert sich der Musiker an die undurchschaubaren Formularberge. Schließlich war ihm das Glück hold, und er gewann bei der "Greencard-Lotterie" eine permanente Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. "Aber selbst bis das abgewickelt war, verging ein Jahr", so Dozzler, "mein Verhältnis zum amerikanischen System ist wegen dieses bürokratischen Wahnsinns etwas gestört."

Warum er trotz aller Schikanen bleiben wollte, erklärt der Wiener Blueser mit "der Faszination vom Blues" und "in dem Land zu leben, wo er herkommt". Was den begeisterten Hobbykoch und -Fotograf noch hält, ist "das milde, mit dem griechischen vergleichbare Klima in Dallas/Fort Worth", wo er sesshaft geworden ist.

Er tritt als Solist auf oder spielt bei anderen namhaften Bands mit und genießt das Leben sonst mit seiner Lebensgefährtin, beim Angeln in einsamer Natur oder auf Wohnmobilreisen durch die Staaten, Kanada oder Mexiko.

Wien ist bei jeder Europa-Tournee weiterhin ein Fixpunkt in seinem Programm: "In Amerika gibt es diese konzertanten Auftritte, zu denen Fans 'hinpilgern' nicht, und ich bin meiner Heimatstadt und meiner Familie nach wie vor sehr verbunden."

© Pia Alexandra Bauer/DER STANDARD

Anm.: Christian Dozzler trat am 3.12.2007 im JAZZLAND auf


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14.11.2007 - Die Presse

Jazz: Das zarteste Schlagzeugsolo
von SAMIR H.KÖCK

Doug Hammond genoss im Wiener Jazzland späten Ruhm.

Alles beim alten im ältesten Jazzklub der Stadt. Am Eingang sitzt Frau Helga, die beflissen Kreuzworträtsel löst, nahe der Schank der Maître Axel Melhardt, tief versunken in der Welt kleinformatiger Tageszeitungen. Zwischen diesen Monolithen der zerstreuten Wahrnehmung fanden sich am Montagabend erstaunlich viele junge Menschen, um einem Veteranen der amerikanischen Black-Jazz-Szene, dem Poeten, Schlagzeuger und Komponisten Doug Hammond zu lauschen, der da im Programm als "Rising Star" angekündigt war.

Ja, auch ein Mittsechziger sollte sich dafür bereithalten, jäh berühmt zu werden! Und fürwahr, der in Linz lebende Texaner steht wieder hoch im Kurs. Vor kurzem wurde sein legendäres Album "Reflections In The Sea Of Nurnen" wiederveröffentlicht, und eben hat er mit "A Real Deal" ein erstaunlich frisch tönendes Album auf dem französischen Label "Heavenly Sweetness" veröffentlicht, für das er einige seiner aktuellen Poeme gemeinsam mit dem Pianisten Kirk Lightsey vertont hat. Der späte Nachfahre der amerikanischen Literaturbewegung "Harlem Renaissance" lässt halt nicht locker.

Ins Jazzland kam er aber in rein musikalischer Mission mit dem Bassisten Steven Wood und dem groß aufspielenden Trompeter Dwight Adams. Raffiniert groovend hob die schöne Performance mit Kurt Weills "Speak Low" an, das in bewährtem latinesken Kleid ins Bewusstsein tanzte.

"Ich kann nicht genug widmen"

Hammond, der in seiner langen Karriere auch mit Ornette Coleman, Charles Mingus und Nina Simone gespielt hat, gehört zu jenen Jazzmusikern, die als Solokünstler eng mit afroamerikanischen Independent-Labels wie Strata-East-Records verbunden war. Ja, er probierte es sogar selbst als Entrepreneur. Seinem Label "Idibib" war am harschen freien Markt leider kein langes Leben beschieden. Um so wichtiger waren die Freundschaften, die er mit Kollegen schloss. Die Rhythmiker Max Roach und Cozy Cole waren seine Mentoren, ihnen eignete er das zartest vorstellbare Schlagzeugsolo zu. Überhaupt widmete er fast jedes Stück jemandem. Mal war es Saxofonist Sonny Fortune, dann wieder eine seiner Töchter: "I can't dedicate enough, but there are too many people in the world", gab er sich einsichtig.

Im Zentrum seiner Bemühungen lag es diesmal, den Funken der Romantik überspringen zu lassen. Mit dem innigen "Singing Smiles" etwa oder der immer schon wirkmächtigen Melodie von "Body & Soul".

Der Abend im Jazzland fand im Rahmen des zehnten Wiener "IG-Jazz"-Festivals statt. Weitere Highlights: 14.11. Vince Herring im Jazzland; 28.11. Victor Bailey im Reigen; 29.11. David Krakauer in der Sargfabrik.

14.11.2007 | © Die Presse | Wien


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DER STANDARD 10.07.2007

Formatradio und zorniger Protest
Erich Kleinschuster, Dionne Warwick und andere beim Jazzfest

Wien - Schon seltsam, wenn an einem Konzertabend ausgerechnet ein Musiker die Ehre des Jazzfests rettet, der schon vor einigen Jahren sein offizielles Abschiedskonzert gegeben hat und am Instrument naturgemäß schon etwas aus der Übung ist.

Posaunist Erich Kleinschuster, mittlerweile 77, in den 60er- und 70er-Jahre als Musiker, Pädagoge und ORF-Mann Schlüsselfigur des österreichischen Jazz, präsentierte am Sonntag im Arkadenhof des Wiener Rathauses noch einmal sein ursprünglich 1966 gegründetes Sextett in neuer Besetzung. Um mit rund 30 Jahre alten Piecen wie den andalusisch gefärbten "Maurischen Anekdoten", von ihm selbst mit einer multifonen Solo-Introduktion, von einem blendend disponierten Harald Neuwirth sowie Daniel Nösig (Trompete) und Thomas Kugi (Tenorsaxofon) mit munteren Soli aufgepeppt, individueller und substanzvoller zu klingen als vieles, das in den letzten Tagen Jazzfest zu vernehmen war.

Zuvor hatte Rama Widi aus Jakarta mit simpel gestrickten exotischen Romantizismen und Nettigkeiten nahe der Banalitätsgrenze an Harfe bzw. Klavier das Publikum beschallt, und die niederländische Sängerin Traincha alias Trijnte Oosterhuis verzichtete mit ihrer kräftigen Allerweltsstimme darauf, den Burt-Bacharach-Songs und Dionne-Warwick-Hits auch individuelle Deutung zu verleihen.

Dionne Warwick war am Freitag auch persönlich in der Staatsoper zugegen, um routiniert und ohne Mehrwert Hits zwischen Walk On By und Heartbreaker exakt so abzuspulen, wie man sie aus den Formatradios dieser Welt kennt. Auch in Zeiten der längst erfolgten Verwässerung des Jazzfest-Begriffs sollte die Frage erlaubt sein, ob dieser Veranstaltungsrahmen nicht auch inhaltliche Vorgaben - und damit Grenzen - impliziert.

Einen markanten Kontrapunkt hiezu bedeutete die 78-jährige Sheila Jordan, die in Begleitung des Fritz-Pauer-Trios im Jazzland gastierte. Auch wenn ihre Standard-Interpretationen mitunter stark von der mittlerweile brüchigen Stimme beeinträchtigt werden: Ihre grandiose Version von Paul McCartneys Blackbird, dessen Scat-Improvisationen sie um die kehligen Vokalisen der Navajo-Gesänge bereicherte, wird lange in Erinnerung bleiben.

Jazz und Poesie

Spannend zweifellos auch Archie Shepps "Born Free"-Projekt: Über einer eher anspruchslosen Rhythm-'n'-Blues-Basis ließ der 70-Jährige seine Gesänge, Gedichtdeklamationen und Saxofonimprovisationen mit den Stimmen von "Last Poet"-Legende Jalaluddin Mansur Nuriddin und dem französischen Rapper Rocé zusammenkommen, um so einen vielschichtigen, Generationen übergreifenden afroamerikanischen Protestchor zu formen.

Wäre es Shepp gelungen, die afrikanische Projektfacette in Gestalt von Keyboarder Cheick-Tidiane Seck sinnvoll ins Konzept zu integrieren, und hätte die Akustik im Arkadenhof des Rathauses mitgespielt, es wäre statt eines interessanten ein höhepunktverdächtiger Termin geworden.

© Andreas Felber/DER STANDARD


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DER STANDARD 08.06.2007

Zartheitsprobe zwischen Jazz-Kolossen
Kevin Mahogany im Wiener Jazzland

Wien - Wenn im Wiener Jazzland, nun bereits seit 35 Jahren unter der Leitung des nach schwerer Krankheit glücklicherweise wieder genesenen Axel Melhardt stehend, die Gastspiele zweier Schwergewichte überlappen, dann stehen im alten Gemäuer unter der Ruprechtskirche die Zeichen mitunter auf Gipfeltreffen. So geschehen diese Woche, als zum 80-jährigen Chicagoer Saxofon-Urgestein Red Holloway an zwei Tagen Sänger Kevin Mahogany auf die Bühne stieg: Ein Koloss von einem Mann, der mitunter gerne rasante Scats einlegt, der seinen warmen, volltönenden Bariton, seine ausgereiften Phrasierungskünste jedoch am besten in balladeskem Rahmen zur Geltung zu bringen versteht.

"My Romance" oder "Let's Fall In Love" hießen einige der auf diese Weise geschmackvoll interpretierten Standards aus dem Great American Songbook - mit den knorrigen, bluesig-expressiven Improvisationschorussen des noch immer hörenswerten Holloway als kontrastierender Widerpart. Für das swingende Fundament zeigten Erwin Schmidt (Klavier), Martin Spitzer (Gitarre), Christoph Petschina (Bass) und Joris Dudli (Schlagzeug) verantwortlich. Derlei würde man gerne öfter im Jazzland vernehmen.

© Andreas Felber/DER STANDARD


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STAR EXPRESS - Juli 2007

35 Jahre Jazzland Wien

Vor 35 Jahren erfüllte sich ein Wiener Jazzfreund am Franz Josefs Kai unterhalb von Wiens ältester Kirche, der Ruprechtskirche, in einem Keller seien Traum - ein eigenes Jazzlokal!

Der Name war bald gefunden: "Jazzland" sollte es heißen. Axel Melhardt, so des Träumers Name, hatte eine eigene Art des Zugangs zu internationalen Jazzgrößen gefunden, so dass er Legenden wie Ray Brown, Herb Ellis, Monty Alexander, Ben Webster, Wild Bill Davison, Oscar Klein oder Axel Zwingenberger zu einem Bruchteil ihrer sonstigen Gage engagieren konnte.

Die für das Frühjahr angesagte Jubiläumsfeier fiel allerdings ins Wasser, da Axel schwer erkrankte. Eine Blutvergiftung zwang ihn für sechs Monate ins Spitalsbett, laut Ehefrau Tilly war er "zu 95% hinüber!". Mittlerweile geht Axel, wenn auch nicht mehr so flotten Fußes wie früher, wieder in sein geliebtes "Landl", macht die Honeurs, auch noch hier und da den Conférencier, aber er raucht nicht mehr, er trinkt nicht mehr, und er hat einiges abgenommen.

Wir wünschen Axel Melhardt alles Gute für die Zukunft und dass das "Landl" auch in Zukunft florieren möge! Und vielleicht werden ja einmal die gewinnorientierten Veranstaltungs-Platzhirschen "Birdland" und "Porgy & Bess" von der Gemeinde Wien weniger subventioniert, und man unterstützt einen idealistischen Querkopf wie unseren Axel.

Speziellen Dank an die Krankenschwestern in der Rudolfstiftung, Wien/Erdberg, ohne deren Hilfe Axel heute keinen Schmäh mehr hätte!

© Oliver Gruen/Star Express, Ausgabe Juli 2007


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JUST JAZZ - The Traditional Jazz-Magazine, UK

Down by the Danube Riverside with the Wild Bill Davison Legacy Band
(deutsch >>)

Not without good reason is Vienna described as "the music capital of the world" on the Austrian capital's official website. The city's classical musical credentials are world famous as it was, at one time or another, home to Mozart, Schubert, Beethoven and Haydn.

But jazz? Well, you wouldn't immediately associate this elegant, sophisticated city with jazz, but the fact is that it is something of a mecca for visiting musicians, especially those from America. Currently there are, in fact, three flourishing venues. Two are relatively recent ventures, but the third, and the one to which Vienna owes its place on the jazz map, is almost as old as London's fabled Ronnie Scott's and it's survival for 34 years is entirely due to the determination of its owner, the legendary Axel Melhardt, of whom more later on.

Back in October, and in recognition of his 100th anniversary, Jazzland presented the Wild Bill Davison Legacy Band, an American-European outfit dedicated to playing that glorious, uncompromising, Condon-jazz which inspired some of Davidson's finest recordings. Sadly the band did not include Britain on its itinerary, so a trip to Vienna was the only way to catch them in action - and it was well worth the effort.

The main attraction was the American front-line, comprising three accomplished musicians all of whom had played with Wild Bill. On trumpet-cornet was Tom Saunders whose link with Bill was as leader of the band when the great man was only well enough to play short guest spots. Playing clarinet was Allan Vaché, brother of the rather more celebrated (in the UK, at least) cornet maestro, Warren Vaché, while the trombone man was Bill Allred, normally leader of his own Classic Jazz Band in Florida and whose fluent, muscular playing, much in the style of Cutty Cutshall, has also graced Condon tribute bands back in the States. Probably for economic reasons, the rhythm section consisted of European musicians, Mike Goetz (piano), Isla Eckinger (bass) and Bernard Flegar (drums) who delivered effortless propulsion in a manner which must have brought as much pleasure to the Americans as it did to the small British delegation in the audience. Think Fred Hunt, Lennie Hastings and Ronxxx and you'll know what I mean.

Many of the tunes they played were, as expected, those closely associated with Wild Bill - "Wolverine Blues", "Ain't Gonna Give Nobody None of My Jelly Roll", "Tin Roof Blues", "Can't Believe That You're In Love With Me", "Don't Get Around Much Anymore" and, a rather more obscure title called "Jubilee", written by Hoagy Carmichael. In Britain, where New Orleans rules, this kind of freewheeling jazz, played straight from the lip, is something of a rarity these days and I have a feeling that the Wild Bill Davison Tribute Band would go down in a storm if some enterprising promoter decided to bring them over, an opportunity which Tom, Alan and Bill would certainly welcome.

Their three-night appearance, in the small, smokey, cellar underneath St.Ruprecht's Church, a stone's throw from the Danube, was the latest in a prestigious list of more than 300 American musicians who have found their way to Jazzland over the last three decades. Outstanding among them was the former Count Basie tenor sax giant Eddie "Lockjaw" Davis who played there for 18 weeks over a period of 12 years. Others on the Jazzland roll of honour include, Max Kaminsky, Teddy Wilson, Clark Terry, Benny Carter, Bud Freeman, Ralph Sutton and onetime Vienna resident Art Farmer. English bands have been conspicuous by their absence. This, explains Axel, is largely due to the high cost of travel, but also due to Viennese preferences for American musicians whose names are familiar or for local bands with which they more readily associate. Nevertheless, the likes of Brian Carrick, Roy Williams, Danny Moss, Tony Coe and Claire Martin have visited and, says Axel, "If a British band is planning European dates and is playing nearby, we will find possibilities."

Writing his own science-fiction stories while also translating the works of leading American authors and then publishing a literary magazine were Axel's first great interests. But his hobby was jazz and he became a familiar figure on the city's music scene. Then in 1972 he took his first step in jazz promotion by organising a musical evening at a financially-strapped wine cellar. It was successful enough to encourage him to present music on a more regular basis and it wasn't long before the wine cellar took on its present Jazzland identity.

Supported for almost all the past 34 years by his wife Tilly, Axel's musical policy from the start has been well-defined - invite outstanding overseas stylists, notably American, and team them with the best local players, while simultaneously using the club as a training ground for deserving, emerging young talent. This particularly manifested itself in October when Scottish-born reeds man James Galloway, now a resident of Toronto, was featured for seven nights working with different bands at each show.

Axel's own music tastes are wide-ranging, "from Blues to hard-bop and everything in between, but we feature very little free- or avantgarde-jazz at the club". Look at the monthly programme and featured artists range through the likes of the Barrelhouse Jazzband, Big Joe's New Orleans Jazzband, Elly Wright's Gospel Night, Benny Golson, the Reggie Washington Trio featuring Ravi Coltrane, Bottleneck John, Worried Men Skiffle Group, Stanton Big Band, Blue Note Six and Grapellissimo. It's an eclectic mix, but when you are trying to keep a club open six nights a week, it's wise to offer varying types of jazz and cater for paying customers with diverse listening tastes.

But jazz promotion for Axel, like it is for so many committed souls, remains a risky business. "Jazzland," he admits, "has never been a financial success. Jazz is nowhere near a good business anymore. But I do what I like best in this world and I can make a modest living."

For the present, he remains a dedicated optimist. But his view of the future of jazz - or at least the kind of jazz that he loves - as a source of commercial entertainment is that it may struggle to survive. "As long as the radio stations ignore jazz, it will die out within the next decade or two. They play Mozart and Bruckner, but ignore Armstrong and Ellington. And it is nearly impossible for young people to find their way into our music when all they hear is Coltrane and even more 'free' sounds. But I will, as long as possible, fight this situation."

It's a tough prospect he faces, but if anybody can make it work, then that man must be Axel Melhardt. As Sophie Tuker might have sung, "Nowadays a better man would be hard to find."

Jazzland is located at Franz Josefs Kai 29, 1010 Vienna. Cost of admission is modest and decent food and drink is available. More information can be found by logging on https://www.jazzland.at.

Further information about the Wild Bill Legacy Band can be found by contacting Bill Allred at 653 Rosemere Circle, Orlando, Fl 32835. His website is http://billallred.com which allows access to tracks from their Arbors cd Call Of The Wild. After their Vienna gig the band was heading for Switzerland to record a new CD. This will be featured in the New Year on the Hot Jazz Channel on www.radiojazz.co.uk

© Brian Mulligan - Just Jazz Issue No. 105 January 2007 - Nr. 105 Jänner 2007

Übersetzung von Axel Melhardt:
(<< Originaltext)

Am Flußufer des Donaustroms mit der Wild Bill Davison Legacy Band

Nicht ohne guten Grund wird auf der offiziellen Webseite der österreichischen Metropole Wien als die "musikalische Hauptstadt der Welt" bezeichnet - immerhin lebten Größen wie Mozart, Schubert, Beethoven und Haydn zumindest zeitweise in dieser Stadt.

Aber der Jazz? Auf den ersten Blick verbindet man diese elegante und ungemein vielseitig kulturelle Stadt nicht mit dem Jazz, aber tatsächlich ist Wien ein Mekka für reisende Musiker - speziell aus den USA. Zur Zeit gibt es nicht weniger als drei Spielstätten - zwei verhältnismäßig neue aber die dritte - und zwar diejenige, der die Stadt ihren Platz auf der Landkarte des Jazz verdankt - ist fast so alt wie das berühmte "Ronnie Scotts" in London und verdankt das 34-jährige Überleben vollkommen dem Enthusiasmus ihres Besitzers, dem legendären Axel Melhardt, auf den wir später zurück kommen werden.

Im letzten Oktober präsentierte das JAZZLAND zum Anlaß des 100.Geburtstages von WILD BILL DAVISON die herrliche LEGACY BAND - eine amerikanisch-europäische Formation; die die herrlich und kompromißlos swingende Musik von Eddie Condon pflegt und die untrennbar mit Wild Bill verbunden ist. Leider machte diese Band in Großbritannien keine Station, sodaß eine Reise nach Wien die einzige Möglichkeit war die Band zu erleben - und die Reise war alle ihre Strapazen mehr als wert.

Der Höhepunkt war natürlich die amerikanische Frontline mit drei erfahrenen Musiker, die alle oft mit Wild Bill gespielt haben. Am Cornet hörten wir TOM SAUNDERS, der Wild Bill in seinen letzten Jahren als Leader in seiner Band unterstützte, denn der große alte Mann spielte aus Gesundheitsgründen nur mehr kurze Soli. An der Klarinette hatten wir ALLAN VACHÉ - den Bruder des noch berühmteren (zumindest im Vereinigten Königreich) co-Meisters Warren - und an der Posaune BILL ALLRED, der üblicherweise seine eigene CLASSIC JAZZBAND in Florida leitet, und dessen starkes, flüssiges Spiel so sehr an Cutty Cutshall erinnert, das so blendend in jede von Condon inspirierte Band paßt. Wahrscheinlich aus ökonomischen Gründen ¹) bestand die Rhythmusgruppe aus europäischen Musikern: MIKE GOETZ (piano), ISLA ECKINGER b und BERNARD FLEGAR (drums), die die Band in einer fulminanten und scheinbar mühelosen Weise unterstützten, die sowohl bei den Amerikanern in der Frontline als auch die kleine britische Delegation begeisterten.

Viele der Lieder waren wie erwartet eng mit Wild Bill verbunden: "Wolverine Blues", "Ain't Gonna Give Nobody None of My Jelly Roll", "Tin Roof Blues", "Can't Believe That You're In Love With Me", "Don't Get Around Much Anymore" und ein eher unbekanntes "Jubilee" aus der Feder von Hoagy Carmichael. In Großbritannien, wo New Orleans herrscht, ist diese Art frei swingender Jazz heutzutage eher eine Rarität und ich habe das Gefühl, die Wild Bill Davison Tribute Band würde bei einem wagemutigen Promotor einen gewaltigen Sturm auslösen - worüber sich Tom, Allan und Bill sicherlich sehr freuen würden.

Der dreitägige Auftritt der Band in dem kleinen verrauchten Keller unter der Ruprechtskirche nur einen Steinwurf von der Donau entfernt ²) war der letzte Höhepunkt in einer überaus eindrucksvollen Liste von weit mehr als 300 amerikanischen Musikern, die in den letzten drei Jahrzehnten ihren Weg ins JAZZLAND gefunden haben. Herausragend hier sicherlich der ehemalige Count Basie Saxophonstar Eddie "Lockjaw" Davis, der hier im Verlaufe von 12 Jahren volle 18 Wochen aufspielte. Unter den vielen Namen auf der Ehrenliste des JAZZLAND findet man Max Kaminsky, Teddy Wilson, Clark Terry, Benny Carter, Bud Freeman, Ralph Sutton und den lange Jahre in Wien residierenden Art Farmer.

Das Fehlen britischer Bands ist auffällig - dies liegt (so erklärt Axel) hauptsächlich an den hohen Reisekosten aber auch daran, daß das Wiener Publikum nur zu bekannten Namen und heimischen Musikern in hellen Scharen zu strömen pflegt. Aber immerhin traten Persönlichkeiten wie Brian Carrick, Roy Williams, Danny Moss, Tony Coe und Claire Martin im JAZZLAND auf - und: "sofern eine Band eine Tour in Europa plant und in der Nähe gastiert," sagt Axel, "werden wir sicherlich eine Möglichkeit finden."

Axel's erstes großes Interesse lag bei der Science Fiction - er schrieb eigene Stories, übersetzte viele Werke der großen Meister ins Deutsche und gab auch ein eigenes literarisches Magazin heraus, ohne allerdings den Kontakt mit der Jazzszene zu vernachlässigen - er wurde hier zu einer bekannten Größe. Im Jahre 1972 war er mit dabei, als man in einem finanziell schwer angeschlagenen Weinkeller ein Jazz-Event organisierte, das erfolgreich genug ablief, um weitere Veranstaltungen zu ermöglichen und es dauerte nicht lange bis der Weinkeller sich in das heutige JAZZLAND verwandelte.

Seit fast 35 Jahren wird er von seiner Frau Tilly unterstützt, die mit ihm die für die damalige Zeit revolutionäre Politik entwickelte, hochkarätige Stars der internationalen Jazzszene - vor allem aus den USA - nach Wien zu holen, um sie hier mit den Spitzen der heimischen Musiker zu präsentieren, was natürlich sowohl den etablierten wie auch den aufkommenden Talenten zu steigender Qualität verhalf. Dies zeigte sich besonders im vergangenen Oktober als der aus Schottland stammende Saxophonist Jim Galloway - jetzt in Toronto lebend - an sieben Tagen mit sieben verschiedenen Bands konfrontiert wurde.

Axel's musikalischer Geschmack ist weit gespannt, "vom Blues bis hin zum Hard-Bop und alles dazwischen, allerdings haben wir wenig Free oder Avantgarde-Jazz hier im Club!" ³) Ein Blick auf das Monatsprogramm und die darin beschriebenen Konzerte zeigen eine bemerkenswerte Vielfalt - man findet die Barrelhouse Jazzband, Big Joe's New Orleans Jazzband, Elly Wrights Gospel Night, Benny Golson, das Reggie Washington Trio featuring Ravi Coltrane, Bottleneck John, Worried Men Skiffle Group, Stanton Big Band, Blue Note Six und Grapellissimo. Es ist eine weitgespannte Mischung, aber wenn man einen Club sechs Tage in der Woche bespielen will, dann ist es sehr klug, verschiedene Stile des Jazz anzubieten und die zahlenden Besucher mit einem unterschiedlichen Menüangebot zu verwöhnen.

Aber der Betrieb eines Jazzclubs bleibt für Axel - wie für alle Idealisten - ein riskantes Unternehmen. "Das JAZZLAND", so räumt er ein, "war nie ein finanzieller Erfolg. Der Jazz ist heutzutage nirgendwo mehr ein gutes Geschäft - aber ich tue in meinem Leben das, was ich am liebsten mache, und kann davon auch bescheiden leben."

Für die Gegenwart ist er gebremst optimistisch - aber für die Zukunft des Jazz - oder zumindest in der Spielart, die seinem Geschmack entspricht - als ein Standbein des erfolgreichen Entertainments sieht er eher schwarz. "Solange die Radiostationen den Jazz ignorieren, wird er in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren aussterben. Sie spielen Mozart und Bruckner aber keinen Armstrong oder Ellington. Und es ist so gut wie unmöglich, daß junge Menschen ihren Weg in unsere Musik finden, wenn ihnen Coltrane oder sogar noch freiere Klänge serviert werden. Aber solange ich kann werde ich diesen Zustand bekämpfen."

Er sieht also einer harten Zukunft entgegen, aber wenn irgend jemand damit fertig werden kann, dann ist es Axel Melhardt. Wie Sophie Tucker einst gesungen haben könnte: "Heutzutage ist ein besserer Mann schwer zu finden!"

Das JAZZLAND findet man im Zentrum von Wien am Franz Josefs Kai 29. Die Eintrittsgebühr ist sehr bescheiden und man serviert feine Getränke und der Keller verfügt über eine solide Küche. Nähere Informationen unter https://www.jazzland.at

Weitere Informationen über die Wild Bill Legacy Band erhält man von Bill Allred (653 Rosemere Circle, Orlando, Fl 32835). Seine Website ist http://billallred.com/, wo man auch einzelne Nummern der Arbor-CD "Call of the Wild" anhören kann. Nach dem Auftritt in Wien fuhr die Band in die Schweiz weiter, um eine neue CD einzuspielen.

© Brian Mulligan - Just Jazz Ausgabe Nr. 105 Jänner 2007

Anmerkungen des Übersetzers:
¹) stimmt nicht: die Rhythmusgruppe waren die Organisatoren der Tournee.
²) der Autor verwechselt den Donaukanal mit der Donau - nicht schlimm, wir kennen uns in London auch nicht perfekt aus.
³) Das machen eben die anderen ....


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DER STANDARD 19.10.2006

Heinz von Hermann
Späte Selbstfindung - Saxofonist Heinz von Hermann gastiert im Jazzland: "Wenn ich nach Amerika gegangen wäre, wäre ich wohl berühmter, aber vielleicht schon tot"

Wien - Es darf als gutes Zeichen gelten, wenn als Antwort auf die Frage nach unerfüllten Wünschen Nachdenklichkeit zurückschallt und Worte bei Heinz von Hermann nur langsam tröpfeln: Mit Dizzy Gillespie zwar Geburtstag gefeiert, niemals aber gespielt. Seine Orchester-Suite für Bigband und Perkussion? Noch unaufgeführt! Wirklich dringlich scheint derlei freilich nicht, Hermann ist entspannt.

"Ich bin froh, dass ich mein Leben gelebt habe, wie es war. Ich war von Menschen umgeben, die mir Wichtiges mitgegeben haben." Wichtiges mitgegeben wurde ihm vor allem im Wien der 50er-Jahre: Fatty George zeigte ihm, wie man auf jener Klarinette Töne hervorbringt, die Hermann von Friedrich Gulda geschenkt bekommen hatte. Und: "Gulda ist aus New York stets mit einem Stapel Platten zurückgekommen. Wir gingen oft zu ihm, die Sachen anzuhören - und eine Woche später haben Joe Zawinul und Co. die Stücke schon im Tabarin gespielt. Damals gab es ja sonst nichts, Gulda war sozusagen die Verbindung zur Außenwelt."

Als Hermann 1958 in der Band von Uzzi Förster nach Deutschland ging, sollte dies den Beginn langer Wanderjahre bedeuten, die ihn durch halb Europa und Nordafrika führten. Amerika sei dabei in Gestalt einer Einladung von Booker Ervin Thema gewesen. Jedoch: "Ich war mit Jobs immer ausgelastet. Wenn ich nach Amerika gegangen wäre, wäre ich wohl berühmter, aber vielleicht schon tot."

Hermanns Arbeitsauslastung hatte seine Ursache auch darin, dass er oft Kompromisse machte. Sei es in der eher Swing-orientierten SFB-Bigband von Paul Kuhn in Berlin, wo er 1971 seine Zelte aufschlug, sei es in Gestalt von Studiojobs für Milva oder Bert Kaempfert oder Engagements bei den Berliner Philharmonikern. Das Jahr 1992 sollte eine Zäsur bedeuten: Nahm Hermann seinen Lehrauftrag am Konservatorium Klagenfurt doch zum Anlass, sich wieder hier - in Strobl am Wolfgangsee - niederzulassen. Und legte er doch - 56-jährig - sein CD-Debüt als Leader vor: Folge auch einer ob der Vielbeschäftigtheit erschwerten Identitätsfindung. "Wenn in Berlin jemand einen Ben Webster oder einen Michael Brecker gebraucht hat, hat es geheißen: 'Ruf den Heinz an!' Ich war das Chamäleon. Aber irgendwann dachte ich mir: 'Wer ist der Heinz?' Und ich hatte in gewisser Weise Probleme zu sagen, wie ich eigentlich spiele."

Vor allem im Hardbop-orientierten Quintett mit Flügelhornist Andy Haderer, aber auch im schlagzeuglosen Chamber Trio hat Hermann seither an Profil gewonnen und zuletzt eine späte Solokarriere hingelegt. Was er an der heutigen Szene beobachtet: "In den 50ern war der Jazz mit einer Protesthaltung verknüpft, der größte Unterschied aber war: Wir haben viel gespielt, es gab Engagements für 14 Monate! Mit der Einführung des TV ist der Markt zusammengebrochen. Und heute gibt es mehr gut ausgebildete Jazzmusiker als je zuvor, denen es an Praxis mangelt." Sein Rat an Junge: "Spielen, spielen, spielen!"

© Andreas Felber/DER STANDARD


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A Day in/im Jazzland

Eine weltweit bekannte Jazzinstitution - und das soll keine bloße Schmeichelei sein - wie das Wiener "Jazzland" vulgo "Landl" immer wieder neu zu beschreiben, muss natürlich scheitern. Eine Institution hat eben ihre Grundsätze, hier sind es die künstlerischen Vorstellungen von Axel und Tilly Melhardt, die das Jazzland unverwechselbar machen. Und das seit 34 Jahren, was das JAZZLAND zum weltweit ältesten Jazzclub unter kuntinuierlicher Leitung macht. Doch wie sieht ein Jazz-Everyday im "Jazzland" aus? Axel Melhardts wortstarke literarische Lebenserfahrungen, leicht frisiert von Thomas Hein.

Das Atmen beginnt - nicht mit dem Einatmen - sondern mit dem Ausatmen ...
Ein Jazztag beginnt daher eigentlich mit dem Konzert des Vorabends. "Für mich endet der Tag manchmal noch vor Mitternacht" so Axel Melhardt. Die Mär von Clubbesitzern, die bis in den frühen Morgen mit den Musikern "herumziehen", kann man in der rauen Wirklichkeit eines Tagesbetriebes getrost in das verrauchte Reich der Vergangenheit verbannen. Wie und wann sollte man denn den darauf folgenden Tag und dessen Arbeitspensum bewältigen?

Morgenstund hat ...

Klingeln ...
Ist es der Wecker? Nein, das Telefon!
"Ist dort das JAZZLAND?" kommt die Frage aus dem Hörer. Der Wecker zeigt auf 8.20 Uhr.
"Nein, Sie sind bei mir privat?"
"Ich glaube, ich habe gestern meinen Schirm bei Ihnen vergessen, können sie nachschauen, ob der da ist?"
"Sie rufen mich bei mir zu Hause an, im siebenten Bezirk", köchele ich, "das JAZZLAND ist im Ersten."
"Das macht ja nichts, schauen Sie halt dort nach, ich rufe Sie in einer Stunde wieder an."
"Sie glauben, ich fahre jetzt extra ins Lokal, um ihren Schirm zu suchen? Um 18 Uhr ist jemand da, rufen Sie dann dort an."
"Ich kann doch nicht den ganzen Tag darauf warten, ob der Schirm bei Ihnen ist oder nicht? Na ja, dann muss ich halt in der Garage nachschauen, ob ich ihn nicht doch einfach im Auto vergessen habe ..."
Ich hänge auf. Kein Einzelfall, regelmäßig und in verschiedensten Varianten kommen solche Anrufe und eröffnen einen stimmungsvollen Tag.

Vormittags ...

Die ersten kulinarischen Vorbereitungen warten auf den Clubbesitzer. "Gegen 10 Uhr muss ich ohnehin auf den Franz-Josefs-Kai fahren, denn da kommen Kartoffel und Zwiebel aus dem Marchfeld. Kürzlich hatte ich vergessen diesem speziellen Bio-Bauern seine Bramburi abzukaufen und die Gäste beschwerten sich über die sinkende Qualität des 'Gröstels' mit banalen Erdäpfeln aus dem Supermarkt." Es folgt "ein Anruf bei 'Bösendorfer', ob denn der Klavierstimmer auch gegen 11 da sein kann - nein, der kann nicht, erst gegen 12! Eine tote Stunde im leeren Keller - ein Vergnügen." Gegen 13 Uhr ist der "Axel" wieder zu Hause - "E-mails checken - 73!!! Junks und 3!!! zu beantwortende Anfragen. Dann noch das Programm für die nächsten zwei Monate durchgehen und Auftrittstermine vergeben. Den Rest des Nachmittags dient der Vorbereitung der JAZZLAND-POST und der Eintragung einzelner Bandankündigungen".

Showtime

Axel Melhardt, verstärkt durch drei Helfer an der Bar und drei sich abwechselnde Vereinsmitglieder an der Kasse, resümiert innerlich: "Jetzt am Abend im JAZZLAND, wenn ich dort relaxed sitze - sofern ich nicht in die Küche muss, wenn zu viele Bestellungen kommen - und scheinbar nichts tue, habe ich eigentlich einen vollen 8-Stunden-Tag hinter mir. Eines ist allerdings erfreulich - die Struktur eines solchen Tages ändert sich dauernd, da entsteht keine Langweile. Und ich kann den Rest des Abends einer meiner absoluten Lieblingsbeschäftigungen nachgehen: Ich kann - GRATIS - herrlich swingenden Jazz hören und muss nicht bis zum bitteren Ende bleiben, denn meine Mannschaft ist die allerbeste, die man sich vorstellen kann. Der Martin Mayer etwa ist seit über zwanzig Jahren im Team, die Burschen hinter der Bar scheiden meist erst aus, wenn sie ihren Doktor der Theaterwissenschaften, Medizin oder weiß Gott noch was absolviert haben oder sich in Richtung Siemens zu einem Spitzengehalt verabschieden."
"Axel" und seine Philosophie: "Es geht mir gut in meinem Traumberuf und wenn ich es aushalte, dann möchte ich bis zu meinem 79er weitermachen, wenn wir dann 50 Jahre JAZZLAND feiern. Danach überlege ich mir ernsthaft, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen werde".

© jazzfirst der ERSTE BANK, Beilage jazzzeit Nr.59 März-April 2006


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DER STANDARD 02.12.2005

Die Eloquenz der Energie
Saxofonist Don Menza gastiert zurzeit im Wiener Jazzland

Vor zwei Jahren wollte er sein Saxofon schon an den Nagel hängen - ungewöhnlich für einen, der 67 ist, also in einem Alter, das Jazzer oft zu abgeklärten Stilisten macht; noch viel merkwürdiger für jemanden, der Don Menza heißt und noch immer Jazzklubs mit Intensität zu beschenken vermag. Also konnte nicht sein, was nicht sein durfte; nun ist der Mann aus Los Angeles im Jazzland aufgetaucht. Nicht unlogisch: Er unterrichtet zurzeit auch als Gastprofessor am Jazz-Institut der Kunstuniversität Graz.

Menzas Name ist - auch durch seine Arrangeur-Künste - vor allem mit Bigbands wie jenen von Stan Kenton und Maynard Ferguson verknüpft, während unter eigener Regie nur wenige Alben entstanden sind, was man angehörs der eloquenten Vitalität seiner Kunst bedauern mag. Als virtuosen Eklektizisten mit persönlicher Note könnte man ihn bezeichnen, gipfeln doch seine Linien immer wieder in den ekstatischen Höhen des Überblasregisters, während sie sich der archaischen Vibratos der Hawkins-Webster-Schule bedienen. Vor allem aber lebt sein Spiel von der Intensität eines kernigen Sounds, mit dem er Ton um Ton wie unverrückbar in den Klanggrund zu meißeln scheint. Diesen stellten zum Auftakt des Gastspiels u. a. Stücke der Count-Basie-Arrangeure Neal Hefti und Sam Nestico - grundsolide wie unspektakulär dargeboten von der Teddy-Ehrenreich-Bigband, deren Leader in Respekt einflößender Weise seit 43 Jahren seine Jazzorchester-Herde (am Mittwoch u.a. mit Fritz Ozmec, Bobby Dodge, Thomas Kugi) zusammenhält. Zweifellos wird die kommende Sekundanz Fritz Pauers die Stärken Menzas noch besser zur Geltung bringen. Auch weil sich die beiden - siehe das wiederveröffentlichte Menza-Album "Morning Song" (1965) - ja schon ein ganzes Weilchen kennen.

© Andreas Felber/DER STANDARD


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DER STANDARD 08.09.2005

Neue Lichtregie für einen lecken Dampfer
Saisonbeginn in den Wiener Jazzclubs

Herbst wird's: Mit Birdland, Reigen und Porgy & Bess erwachen dieser Tage drei Wiener Jazzclubs aus dem Sommerpausenschlaf. Im Jazzland ist man schon etwas länger munter, dort dürfte das zweitägige Gastspiel von Bud Shank einige Leute wachgerüttelt haben, die üblicherweise an der am Franz-Josefs-Kai situierten Hochburg des traditionellen Jazz vorübergehen. Repräsentiert der Saxofonist und Flötist doch ein Stück Musikgeschichte: als Zentralfigur des kalifornischen West-Coast-Jazz einerseits, als früher Brückenbauer, der schon in den 50ern mit Laurindo Almeida Jazz und Samba fusionierte, und kurz darauf mit Ravi Shankar kollaborierte, andererseits. 79 ist er mittlerweile, und über die Jahre ist sein Altsaxofonspiel gereift wie alter Wein. Im Jazzland zeigte sich Bud Shank, unterstützt von Bob Bargad (Klavier), Johannes Strasser (Bass) und Alan Jones (Schlagzeug), als nuancenreicher Geschichtenerzähler, der die abstrahierte Lyrik des Cool-Jazz geschmackssicher mit vitalen, erdigen Charlie-Parker-Einflüssen fusioniert.

Bei ihm atmen auch fragile Klanggedanken bluesige Sinnlichkeit, werden lyrische Elemente auf kleinstem Raum zu farbenreichen Motiveinheiten verdichtet. Während im Jazzland seit 33 Jahren dieselben Fotografien an den Mauern gilben, war in Joe Zawinuls Birdland schon nach der ersten Saison wieder Umbau angesagt: Das neue Konzept, mit dem man 600.000 Euro Verbindlichkeiten abarbeiten will, umfasst neben vorverlegten Beginnzeiten sowie neuen Kartenpreisen auch eine Neugestaltung des Balkonbereichs: Mischpult und Lichtregie übersiedelten auf einen eigenen Vorbau, die Tische wurden ins Raum-Innere verrückt, die Sichtverhältnisse verbessert.

Musikalisch ist leider ein Fehlstart zu vermelden: In der Glätte des inspirationsfreien 80er-Jahre-Jazz-Funk-Konzepts, das Schlagzeuger Wolf Wolff dem neuen Bandprojekt Emergency Room verordnet hat, bedeutet auch ein posaunistisch engagierter Joseph Bowie einen zu schwachen Widerhaken. Um den angeschlagenen Jazzclub-Dampfer wieder in günstigere Gewässer zu navigieren, wird es anderer Ideen bedürfen.

© Andreas Felber/DER STANDARD


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DER STANDARD 06.07.2005 (Auszugsweise Wiedergabe)

Zartbittere Herbheit und kühle Abstraktion
Franz Koglmann, Oskar Aichinger und Chico Freeman beim Jazzfest Wien

Wien - Montag hat das Jazzfest Wien wieder Kammeroper und Jazzland erreicht. Nicht alle indessen erreichten das Jazzfest: Archie Shepps Konzert musste kurzfristigst gestrichen werden, der Saxofonist war nicht imstande, in Paris zur richtigen Zeit den richtigen Flieger zu besteigen. Vor gut einem Jahr, als er mit Bassist Georg Breinschmid im Porgy & Bess duettierte, ist ihm dies noch gelungen, auch ein Archie Shepp wird offenbar nicht jünger.

Die dergestalt im Regen stehen gelassenen Festivalorganisatoren refundierten dem Publikum einen Teil des Eintrittsgeldes und boten also den anwesenden Musikern die Gelegenheit, sich allein im Scheinwerferlicht der Kammeroper zu sonnen. Franz Koglmann und Oskar Aichinger waren im Gegensatz zu Shepp mühelos rechtzeitig durchs Portal gegangen, kein Kunststück, wenn man statt im 5. Arrondissement im 5. Hieb wohnt.

..........

Ein paar Schritte weiter, im Jazzland am Franz-Josefs-Kai, zeigte sich am selben Abend Chico Freeman in Spiellaune: Der 56-jährige Saxofonist mit Vergangenheit in der Chicagoer Freejazz-Kooperative AACM, der dort bis inklusive Mittwoch, unterstützt vom Fritz-Pauer-Trio, gastiert, blies gleich zu Beginn in frenetischen Schreien am Tenorsaxofon viel Staub vom alten Mainstream-Gemäuer. Um in Don Pullens George-Adams-Hommage Ah, George am Sopran zu glühender Eindringlichkeit zu finden. Shepp hat man zumindest an diesem Abend nicht vermisst.

© Andreas Felber/DER STANDARD


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24.06.2005 - Die Presse / Kultur&Medien / Pop

Sheila Jordan: Freiheit aus Begrenztheit
VON SAMIR H. KÖCK
Sängerin Sheila Jordan begeistert im Wiener Jazzland.

Es mag nicht sehr publik sein, aber das seit 33 Jahren bestehende Jazzland führt explizit auch "Jugendgetränke" (etwa Soda-Zitron - frisch gepresst!). Und manchmal hat das seine Berechtigung. Etwa wenn Sheila Jordan junge Männer und vor allem junge Frauen in eine Jazzbastion lockt, in der für gewöhnlich pensionierte Räte wissend zu den Klängen der Riverside Stompers wippen, einer Formation, für die schon ein Mikrofon ein Instrument des Teufels ist.

Jazz ist eine Musik, in der man prinzipiell gut altern kann, wie auch immer. Sheila Jordan, 1928 in Detroit geboren, wählte die Strategie des Negierens: das Haupthaar konsequent eingefärbt, die Garderobe extrem geschmackvoll, Glitzerkäppchen, Stöckelschuhe. In der Kunst allerdings rekurriert sie auf reiche Lebenserfahrung, bringt Humor und Weisheit ins Spiel. Etwa wenn sie ihre berühmte Interpretation von "Falling in Love with Love" mit den Worten "Liebe .... was bin ich froh, dass ich diesen Zeiten entwachsen bin" ankündigt.

Begleitet vom famosen Fritz-Pauer-Trio (Johannes Strasser: Bass, Joris Dudli: Schlagzeug), fiel es Jordan, die viele Jahre an der Grazer Jazz-Uni unterrichtet hat, leicht, sich in Glanzzeiten zurück zu imaginieren. "Falling in Love with Love" war ja ebenso wie die Oscar-Brown-Jr-Komposition "Hum Drum Blues" auf dem exzellenten "Portrait of Sheila" - 1962 die erste Vokal-Platte beim Blue-Note-Label. Von George Russell und Charlie Parker protegiert, fand sie damals im Bebop ihre Heimat.

An diesem Abend konzentrierte sie sich auf sanft Groovendes à la "Comes Love" und "Dat Dere" und große Balladen wie Abbey Lincolns "Bird Alone" und Jimmy Webbs "The Moon is a Harsh Mistress". Klug setzte sie ihre eher kleine Stimme ein, wusste tausend Möglichkeiten der Nuancierung, improvisierte musikalisch, aber auch textlich, besonders eindrucksvoll in "I'm Going Home".

Zum Abschied das melancholische "For All We Know" mit der Zeile: "We may never meet again". Da bekamen auch die Jungen eine Ahnung menschlicher Hinfälligkeit. Aber gerade im Bewusstsein der Begrenztheit der Existenz kann man Freiheit - und um die geht es im Jazz immer - so richtig schätzen. Die Welt ist, was jeden Tag entsteht. Und jede Nacht.

24.06.2005 | © Die Presse | Wien


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DER STANDARD 23.06.2005

Bittersüße Authenzität

Wien - Es lebe die Gedächtnislücke! Soll es doch einst ein Blackout gewesen sein, das dem Jazzgesang einen wesentlichen Impuls verlieh. Louis Armstrong soll's gewesen sein, dem - angeblich 1926 bei einer Aufnahme von Heebies Jeebies - die persönliche Festplatte den Dienst versagte. Der Text war weg. Also begann er, spontan einen solchen zu improvisieren.

Shubidubih-dapdah: Der Scat war erfunden und damit die "Instrumentalisierung" des Jazzgesangs eingeleitet, ein Prozess, der heute bei Bobby McFerrin oder Geräuschvirtuosen wie Phil Minton weiterwirkt. Irgendwo dazwischen, genauer: im New York der frühen 50er-Jahre, kommt Sheila Jordan. Wagte sie es doch als Erste, die Bebop-Improvisationen chorusweise auf Stimme zu uuml;bertragen.

Eine mutige Haltung, die auch Charlie Parker zu ihrem Fan machte, finanziell aber kaum zählbare Anerkennung brachte. Erst Ende der 70er konnte Jordan den Status eines ewigen Geheimtipps abstreifen. Und Gastspiele antreten, wie sie es diese Woche mit dem Fritz-Pauer-Trio im Wiener Jazzland absolviert. Agil und extravertiert wie eh und je gibt sie sich dort. Und hungrig. Dergestalt, dass die 76-Jährige einem essenden Kritiker ein glänzendes "Neunkirchner Pusztawürstel" vom Teller gestibitzt hätte. Oscar Brown Juniors Humdrum Blues und Abbey Lincolns Bird Alone ergeben schon zu Beginn eine Linie abseits bekannter Standardprogramme. Songs, deren Texte Jordan in zartbitteren Tonbeugungen, die oft an Billie Holiday gemahnen, mit Bedeutung auflädt, und die sie mit munteren Scat-Läufen durchzieht.

Natürlich sind die Jahre nicht spurlos an ihr vorübergegangen, ist bezüglich Intonation und Phrasierung Nachsicht angesagt. Am frischesten wirkt Jordan, wenn sie in sprechsingender Ökonomie die Lieder zu persönlichen Minidramen umdeutet und so mit dem Siegel emotionaler Authentizität versieht. Wie die kokette Version von Falling in Love With Love, dem sie den Kommentar vorausschickt, dieses Lied hätte sie gesungen, als sie noch "young and foolish" gewesen sei.

Jimmy Webbs The Moon Is A Harsh Mistress erhält, ohne jede Verklärtheit dargeboten, tragische Tiefe. Während man sich mit der Jordans Tochter gewidmeten Version von Bobby Timmons' Klassiker Dat Dere auf der amüsanten Seite des Lebens wiederfindet. Bass-Duopartner Johannes Strasser gibt sich in diesem Kleinod keine Blöße. Da auch Schlagzeuger Joris Dudli und der zwischen Bluesyness und leuchtenden Akkordtürmen changierende Fritz Pauer in Spiellaune sind, sollte eine gute Woche gesichert sein.

© Andreas Felber/DER STANDARD


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JAZZLAND - Die Jazz-Institution

Die mittlerweile um eine neue Pflanze angewachsene Wiener Jazzclub-Szene blickt natürlich immer mit einem Auge auf das seit 1972 bestehende "Jazzland"- das "Landl" für die Eingeweihten. Axel Melhardt und seine Frau Tilly stehen der erweiterten "Konkurrenz" mit in 33Jahren gewachsener Gelassenheit gegenüber, jeder findet im weiten Jazzland Wien seinen Platz. Mit Axel Melhardt sprach Thomas Hein.

Das Jazzland als Fortführer der Tradition des Jazz ist eine internationale Institution, was sich auch unweigerlich am abwechslungsreichen Programm ablesen lässt, wo nicht nur die vollständige österreichische Szene sondern auch vor nicht allzu langer Zeit in der "Rising Star"-Serie eine Lady am Klavier saß, die mittlerweile in den großen Hallen zu Gast ist: Diana Krall. Das Jazzland ist der Humus der heimischen Jazzwelt, Axel Melhardts Programm reicht "von der klassischen Zeit bis zum Free Jazz" (Eigendefinition), im nächsten Monat von der "Barrelhouse Jazzband", der "Mojo Blues Band", der saxlastigen "The Endgrad" (Johannes Enders/Herwig Gradischnig/Thomas Stabenow/Howard Curtis) bis zu Barbara Dennerlein und einem "Special Meeting" mit dem Avantgardisten Dave Liebman, dem türkischen Pianisten und Wolfgang Muthspiel-Weggefährten Aydin Esen, Wayne Darling und Wolfgang Reisinger.

Die neue Situation der Wiener Szene
Im Mai des letzten Jahres gesellte sich mit "Joe Zawinul's Birdland" ein neuer großer Club zum reichhaltigen Wiener Jazz-Angebot, für Axel Melhardt keine wesentliche Veränderung der Landschaft, die schon einst durch das "Porgy & Bess" im Bereich des "Contemporary Jazz" neue Impulse bekam: "Durch das 'Porgy' findet sich bei uns sicherlich weniger Avantgarde im Programm, das Angebot im 'Birdland' ist sicher wesentlicher kommerzieller als das bei uns; wir sind sicher im Kern der klassische Jazzclub". Ein hohes Qualitätslevel des Programms, eine ausgewogene Mischung aus österreichischen Szenegrößen, internationalen "Kapazundern" und der Förderung des heimischen Nachwuchses auf Dauer halten zu können, bedarf auch der notwendigen finanziellen Ausstattung des Clubs: "Als uns vor vier Jahren unsere damalige Hausbank, die Bank Austria, verließ um das 'Porgy & Bess' als Sponsor zu unterstützen, war die Situation zwar nicht lebensbedrohlich für das Jazzland - wir sind zwanzig Jahre ohne jegliche Unterstützung ausgekommen -, das Angebot der 'Erste Bank' im Rahmen ihres Kultursponsorings war und ist uns aber bei der Gestaltung unseres Programms eine große Hilfe", beschreibt Axel Melhardt die Bedeutung der "Erste Bank" für Wiens ältesten Jazzclub.

Die Idee Jazzland
Wer sich in Österreich für Jazz interessiert und dabei das "Landl" und die dort auftretenden Musiker nicht kennt, hat wahrscheinlich in diesen 33 Jahren tief geschlafen oder ist kein wahrer Jazz-Fan. Es ist diese bunte Mischung an Musikern, die in dieser langen Zeit auf der Bühne gestanden haben, die sich vor allem aus den Wurzeln des Jazz, dem Blues und seinen vielen seither entstandenen Spielarten herleiten. Dixieland, Boogie Woogie, Bebop, Swing und Modern Jazz leben in ausgewogenem Verhältnis miteinander, eine Besonderheit sind immer die Auftritte von internationalen Größen, die an mehreren Tagen in unterschiedlichen Besetzungen ihre Vielseitigkeit aufzeigen können. Gerade in diesen Konzerten lebt die Geschichte des Jazz, wenn arrivierte Künstler ihre Erfahrung "On Stage" weitergeben, die jungen österreichischen Musiker sich der Herausforderung stellen. Zuletzt gastierte nicht nur die Tenorsaxophon-Legende Don Menza, der als Solist bei allen großen Big Bands von Maynard Ferguson, Stan Kenton bis Buddy Rich auftrat; mit dem Drummer Jake Hanna, der mit Toshiko Akiyoshi, Woody Herman, Bud Freeman und Oscar Peterson spielte, stand auch ein weiterer geschichtsträchtiger Künstler einige Abende auf der Bühne des "Jazzland". Auf seinen nächsten Star im April freut sich Clubbesitzer Melhardt ganz besonders: am 29.April kommt der Tenorsaxophonist Scott Hamilton.

© jazzfirst der ERSTE BANK, Beilage jazzzeit März 2005


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"Kurier" vom 13.10.2004 - Seite 30
Ausgabe Wien

Der Kampf ums tägliche Publikum
von Werner Rosenberger

"Es geht uns sehr gut", antwortet Wolfgang Rauscher auf die Frage, wie die Geschäfte in Joe Zawinuls "Birdland" gehen. Aber so gut, dass er das am 25. Mai eröffnete Lokal im Souterrain des Hilton am Stadtpark ohne Subventionen auch im nächsten Sommer durchgehend bespielen wird, ist die Situation auch wieder nicht.

"Wien hat eine doppelt so hohe Jazz-Club-Dichte wie New York", sagt der Szene-Doyen Axel Melhardt. In seinem "Jazzland" unter der Ruprechtskirche in den Ausläufern der Katakomben von St. Stephan wird seit dem Konzert des legendären New-Orleans-Klarinettisten Albert Nicholas und den Wiener Red Hot Pods am 2. März 1972 an sechs Tagen in der Woche live gespielt.

SWING Die Geschichten zu den Fotos an den Ziegelwänden erzählt er im Buch "Swing that Music" (im Jazzland erhältlich), erschienen zum 30-Jahr-Jubiläum - oder auch live. Ein Porträt von Friedrich Gulda hinter der Bar hat eine vom Pianisten selbst verfasste Textzeile, die Melhardt so erklärt: "Gulda saß im Lokal, blätterte im KURIER, mit dessen Musikkritiker Franz Endler er jahrelang Auseinandersetzungen hatte, seufzte und schrieb sich selbst den Text zum Bild: Spinner auf dem Leidensweg."

Alle waren sie da. Von Monty Alexander bis Joseph Bowie, Wild Bill Davis bis Diana Krall, Fatty George bis Art Farmer. War man als Gast zum richtigen Zeitpunkt vor Ort, konnte man sogar einen George Benson oder Wynton Marsalis bei einer spontanen Jam-Session goutieren.

Zuletzt hat Melhardt das Zeitgenössische zurück genommen, weil andere Clubs wie das Porgy & Bess "dieses Segment ausgezeichnet abdecken". Dixieland, Swing, Mainstream, Bebop, Blues sind die Eckpfeiler des "Jazzland"-Programms.

"Wenn's nicht swingt, ist es kein Jazz." So einfach und klar ist das für den passionierten Bergwanderer. Der Swing ist für den Besitzer von 12.000 Vinyl-LPs und 2000 CDs die quintessentielle Ingrendienz seiner Musik wie die scharfen Gewürze in der Küche seiner kroatischen Köchin. 26.000 Euro Subvention für 300 Live-Konzerte seien sowieso nicht der Rede wert. "Ich habe 60 bis 80 Stunden pro Woche gearbeitet. Und ohne meine Frau Tilly hätte ich es sowieso nicht geschafft", sagt Melhardt und will bis 2022 weitermachen.

Hat ihn das "Birdland" Besucher gekostet? "Das weiß ich frühestens in einem Jahr", so Melhardt. Mehr Verdrängungswettbewerb durch Joe Zawinuls Club im Hilton spüren hingegen Wolfgang Windbacher und sein "Reigen" bei der Kennedy-Brücke, der derzeit sein 15-Jahr-Jubiläum mit einem kleinen Festival feiert.

Um Besucher raufen alle Veranstalter und hoffen auf neue Impulse durch das IG-Jazz-Festival, das u. a. die Clubs Blue Tomato, Sargfabrik, Miles Smiles und Tunnel mit Live-Gigs gemeinschaftlich werben lässt.

"Was die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Musikform betrifft, ist das 'Birdland' eine Bereicherung und wichtig", sagt Christoph Huber vom Porgy & Bess. Programmatisch stehe man sich kaum im Weg. "Inhaltlich haben wir teilweise Überschneidungen. Aber da wir kein Nobelclub im Nobelhotel Hilton sind, hat das Birdland auf unser Publikum wenig Auswirkungen."

Das liegt auch an den Eintrittspreisen: Im "Birdland" beginnt die Musik erst bei 25 Euro zu spielen, für Arrested Development wurden 35 Euro, für Joe Zawinul sogar 50 Euro verlangt.

"Das ist für viele Leute nicht mehr leistbar", sagt Huber, der mit Tickets ab 13 Euro "nicht ausschließlich für die gut verdienende Mittelschicht veranstalten will. Solche Konzerte müssen leistbar bleiben - und zwar für alle. Das bringt uns in Bedrängnis, aber ich halte an dieser Philosophie so lange wie möglich fest."

Zum Gesamtbudget von 1,2 Mio Euro für mehr als 300 Veranstaltungstage im 200-Sitze-Lokal steuern Bund und Land je 110.000 Euro bei. "Das sieht nach viel aus. Aber wir müssen 84 Prozent selbst aufbringen", so Huber, "und das ist keine Kleinigkeit in einem Bereich, den man nicht in die Nähe der Popularmusik bringen kann."

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DER STANDARD 23.10.2003

Fliegende Finger, edle Gedanken
Hiromi Uehara
und der Saxophone Summit

Wien - Es sind schon seltsame Zeiten, in denen eine Jungjazzerin schon dadurch Interesse an ihrer Person wecken kann, indem sie vermeidet, ihre Stimmbänder in Schwingung zu versetzen. Hiromi Uehara singt nicht, obwohl sie 24 Jahre jung und von durchaus fotogenem Äußeren ist, und das bedeutet in Tagen des Vokaljazz-Hypes durchaus einen gewissen Raritätsbonus.

Was Diana Krall, Norah Jones und Co gleichsam nebenbei tun, das tut Uehara in jeder Hinsicht voll und ganz: Klaviertasten drücken. Mit jener Hingabe und physischen Vehemenz freilich, die man sonst nur von den Cluster-MeisterInnen in der Nachfolge Cecil Taylors kennt. Uehara, die Japanerin mit Wohnsitz Boston durchkreuzt den Parcours der Jazzgeschichte in angriffslustigen, spielerischen Tours de force, in der vom Hochgeschwindigkeits-Ragtime über die distinguierten Akkorde des Cool Jazz bis zum Funkrock-Pattern so ziemlich alles auf seine Gegenwartstauglichkeit abgeklopft wird.

Virtuose Energie

Es war schon erstaunlich, mit welch virtuoser Energie diese zierliche Frau das alte Gemäuer des Wiener Jazzland zum Erzittern brachte: Schon im Opener XYZ flogen die Finger, wurden Akkorde mit der Geschwindigkeit von Skalen in die Tastatur gestanzt, wirbelwindartig und dennoch klar in der Aussage.

Da hätte es nicht einmal kontemplativerer Gedankenspiele wie in Another Mind bedurft, um den Verdacht eines seelenlosen, eklektischen Technikmonsters zu entkräften. Obwohl an so manchem naturgemäß noch gefeilt werden kann: Etwa am Keyboard-Sound von "010101 - Binary System", der als Sciencefiction-Effekt bestenfalls in den 60er-Jahren brauchbar gewesen wäre. Oder auch am breiigen, offenkundig am Dub geschulten Sound des von Tony Grey bedienten fünfsaitigen Basses. Während das harte, spröde Schlagzeug Martin Valihoras einen durchaus sympathisch eckigen Kontrapunkt zur pianistischen Perfektion bedeutete.

Die edlen Soli

Ob Michael Brecker, Joe Lovano und Dave Liebman in ihrem Zusammenwirken ebenfalls Bandcharakter erkennen lassen würden, oder ob es sie sich mit einer Aneinanderreihung edler Soli begnügen würden: Diese Frage stellte sich vor Beginn des dienstägigen Gastspiels des mit Phil Markowitz (Piano), Cecil McBee (Bass) und Billy Hart (Drums) komplettierten "Saxophone Summit" im Konzerthaus.

Es kam anders: Der berüchtigte akustische Waschküchencharakter des Großen Saals kam gleich im Opener voll zum Tragen, sodass man im weiteren auf kollektive Saxofonpassagen oder selbst Bläsersätze getrost verzichten konnte. Überraschend war immerhin, dass nicht etwa die Kulinariker Brecker oder Lovano die Richtung vorgaben, sondern Altmeister Dave Liebman seine Kollegen mehrmals in für sie ungewohnt freie Gefilde verführte.

Das bedeutete dann schon den einen oder anderen spannenden Moment, etwa wenn Billy Hart Jazzrock-Koloss Brecker zu einem selbst in freejazziger Ekstase wohlkontrollierten Gedankenflug anregte. Auch Pianist Phil Markowitz hätte solistisch viel vorzuweisen. Hätte der Konzerthausraum nicht die Wirkung erheblich geschmälert, man hätte von einem hörenswert unbequemen Konzert sprechen können.

© Andreas Felber/DER STANDARD


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23.04.2003 - Die Presse

"Wilde Leidenschaft fürs Singen"
Der Jazz hat einen neuen Gesangsstar! Malia aus Malawi begeisterte nun auch in Wien - und erzählte der "Presse" ihre Niederlagen.

Gemeinhin stellt man sich unter einem gefeierten Vokalisten jemanden vor, dessen Unerschrockenheit ihn ermächtigt, tief in seine Persönlichkeit hinab zu steigen und die herauf beförderte Seelenschlacke noch heiß zu bearbeiten und dem Publikum gewissermaßen dampfend zu präsentieren. Malia, aus Malawi gebürtige, in London ansässige Newcomerin, hat indes ganz andere Voraussetzungen für ihre steil anhebende Karriere: "Mein Zugang zur Welt ist eher pessimistisch. Es hat mich viel gekostet, meine Scheu zu überwinden. In meiner Anfangszeit hatte ich einige schreckliche Erlebnisse, mit dem Publikum, mit Musikern. Was mich antrieb, war wilde Leidenschaft fürs Singen, was mich schützte, war meine große Unwissenheit. Sonst hätte ich nach meinen Niederlagen wohl aufgehört mit dem Singen."

Glücklicherweise konnte sie sich mit der Zeit eine eigene Ästhetik schaffen, reich inspiriert durch die Jazzvokal-Ikonen Sarah Vaughan, Billie Holiday und Nina Simone, ergänzt durch attraktive kontemporäre Elemente. Die seltene Intensität dieser Kunst hörte man nun erstmals live in Österreich. Das Wiener Jazzland, sonst großteils ein Hort des traditionellen Jazz, in dem viel und gern über Leberwerte parliert wird, war an diesem Abend in der Hand eines überwiegend jugendlichen Publikums, das eine Sängerin feierte, die auf formalisierte Methoden zeitgenössischen Pop- und R&B-Gesangs gerne verzichtet und unbeirrt ihrer Vision von zeitlosem Gesang folgt.

Gut behütet von ihrer vierköpfigen Band unter Leitung des umsichtigen Fender-Rhodes-Piano-Spielers André Manoukian, verzärtelte Malia mit erotischem Timbre die Melodie, nahm sich alle Zeit der Welt nahm für ihre winzigen Wendungen und Kolorationen, die dazu angetan waren, aus dem Gleichgewicht geratene Seelen wieder zu equilibrieren.

Als die in schlichten Jeansanzug gehüllte Sängerin zur schwermütigen Adaption von Ellingtons "Solitude" anhob, entwickelte ihr Gesang eine Sogkraft, die heute ihresgleichen sucht. Dominiert wurde der Auftritt von der Harmonie der Wehmut, wie sie Malias große Balladen - "Yellow Daffodils", "Big Brown Eyes", "Moon Glows" - so unverstellt durchzieht. Dass es noch einen anderen Teil ihrer Persönlichkeit gibt, der nicht auf den weiten Horizont der Sehnsüchte fokussiert ist, sondern Nutznießer des kleinen Glücks sein will, bezeugten flotte Songs wie "I Believed In Roses" und das barfüßig intonierte Hohelied auf einen Schuh-Designer: "Purple Shoes".
sam

23.04.2003 | © Die Presse | Wien


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April 2003

Malia live im Jazzland - die Kritik

Malia und das Jazzland, das war schon ein uriges Pärchen, das sich letzten Endes aber doch vertrug, mehr noch: Sie hatten richtig Spass miteinander.

Die Sängerin Malia, so schrieb es "Le Parisien" ist "almost too good to be true". Lassen wir das "almost" weg, stimmt die Aussage. Ich kenne derzeit keine andere Gesangsstimme einer zeitgenössischen Sängerin, die mich mehr in den Bann zieht, so wie sie ihre Töne hält, phrasiert und die Vokale hinauszögert ist schlicht und einfach umwerfend gut. Was auf dem Tonträger " Yellow Daffodils" aufgefettet daherkommt, ist beim Konzert natürlich um einiges sparsamer ausgefallen. Beides mit gleich hohem Reiz. Höhepunkt da wie dort ist ihre Version von Ellingtons "Solitude", einer Sternstunde intimer Gesangskunst.

Malia wurde im Rahmen der "Rising Star"-Serie auf Tour geschickt, das Wien-Konzert dabei war der krönende Abschluss, die letzte Zugabe im Jazzland schloss daher sinnigerweise mit der Liedzeile "Bring it home to me". Im Interview vor dem Konzert attestierte die Sängerin auch bereits ein wenig Müdigkeit. Sie sei froh wieder pausieren zu können. Beim Konzert freilich war davon nichts zu spüren. Ihre feine Band rund um Fender-Rhodes-Pianisten Andre Manoukian spielte sich frei von allen etwaigen Zwängen, was besonders in Songs wie dem phantastischen "I'm not jealous bravourös" rüberkam. Die Interaktion zwischen Sängerin und Band funktionierte in allen Belangen. Und: Malia bewies wie viel Potenzial in alten Standards wie "Moon Glows" immer noch stecken kann. Standards, die eindeutig in der Minderheit blieben, denn ihre eigenen Songs standen im Kernpunkt des zweiteiligen Sets. Sie schreibe neue Texte zu neuen Songs von Manoukian, erzählte Malia im Interview, mit der Hoffnung selbst einmal neue Standards mit ihrer zeitlosen Stimme zu kreieren. Mit "Yellow Daffodils" hat sie den ersten erfolgreichen Prüfstein dazu abgelegt, im Konzert das hohe Niveau halten können. Live möge sie daher bitte bald wieder in Österreich zu hören sein.

Manfred Horak

manfred horak, 35, liebt schräge bläsersätze und
lebt in wien u.a. als freier journalist, texter und
projektleiter.

April 2003 | © www.Jazzzeit.at


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Jazzzeit März 2003

DAS JAZZLAND. EINE LIEBESERKLÄRUNG.
Von John Evers

Hier bin ich zu Hause. Irgendwie. Der stimmungsvollurige Keller unter der Ruprechtskirche ist eine Art zweiter Wohnsitz. Jeder Mensch sollte einen Stammtisch und einen Gerichtsstand haben. Meiner ist gegenüber der Theke vom Jazzland, da sitze ich besonders gerne. Die Getränke sind süffig, das Essen hervorragend und die Musik swingt. Ihr wollt "Atmosphäre" ? Hier ist sie !

Das kleine große Wunder eines Jazzclubs, der nun schon seit mehr als 30 Jahren heiße Musik an sechs Tagen in der Woche präsentiert, gehört zu den selbstverständlich gewordenen Attraktionen der Musikstadt Wien und ist doch alles andere als selbstverständlich.

Glaubt mir, ich weiß, wovon ich rede, habe ich doch selbst schon 4 Jazzclubs auf- und wieder zugemacht. Jeder Jazzclub, der 5 Jahre übersteht, verdient das Prädikat "langlebig". Beim Jazzland darf man schon von einem Weltwunder sprechen. Man muß schon sehr lange suchen und weit reisen, um Ähnliches zu finden. Und doch sind das Village Vanguard in New York, das Caveau de la Huchette in Paris und der Jazzkeller in Frankfurt nicht mehr das, was sie einmal waren. Das Jazzland hingegen schon - und schon deshalb einmalig.

Kein anderer Jazzclub dieser Welt kann auf ein derart langes, kontinuierliches Management zurückblicken. Damit sind wir beim Clubchef himself, Axel Melhardt, der gemeinsam mit seiner Frau Tilly den Laden schmeißt, das Programm gestaltet, Musiker und Gäste betreut, eine monatliche Zeitung an 7000 Adressen verschickt (nachdem er sie zuvor im Alleingang geschrieben hat) und auch noch Abend für Abend im Club sitzt, weil er dort noch viel mehr zu Hause ist, als ich. So ganz nebenbei organisiert er An- und Abreise der Gaststars, bucht deren Hotelzimmer und lädt sie zu sich nach Hause ein, wo sie von Tilly kulinarisch verwöhnt werden. Kein Wunder, daß das Jazzland und sein Boss in amerikanischen Musikerkreisen legendären Ruf genießt. Die Kontakte der Melhardts hätte ich auch gerne - nicht aber ihre Telefonrechnung.

Weil Axel Melhardt inzwischen den Status einer Institution erreicht hat, wurde er mit dem Ehrenzeichen der Stadt Wien ausgezeichnet, oder besser: abgespeist. Denn so ein Orden kommt die Stadt allemal billiger als eine Subvention. Zum Glück denkt die ERSTE da anderes darüber. Das Programm ist auf swingenden Mainstream zugeschnitten, mit gelegentlichen Abstechern zu Blues und Boogie einerseits und zur gemäßigten Moderne andererseits. Das tägliche Brot sind natürlich die Wiener Amateure; die Butter drauf die amerikanischen Guest-Stars. Monat für Monat präsentiert das Jazzland mindestens zwei von ihnen, die dann mit einheimischen Bands und Rhythmusgruppen zusammengespannt werden.

Was habe ich da schon für herrliche Sessions erlebt, auf der Bühne und davor! Hautnah, in direktem Kontakt, weitaus intensiver als jedes Konzert. Die Musiker fühlen sich wohl, denn vor ihnen sitzt kein Publikum, sondern Fans. Axel hat meist eine glückliche Hand, wenn es darum geht, US-Stars mit der richtigen Begleitung zu versorgen. Die Wiener Musiker, deren Niveau (nicht zuletzt dank des Jazzland) längst internationalen Maßstäben gerecht wird, wissen das zu schätzen und profitieren von diesen Begegnungen. Selten genug, daß eine Band dieses Privileg mißversteht und ihr Programm abspult, ohne auf den Stargast Rücksicht zu nehmen.

Die Wände im Jazzland sind zugepflastert mit Fotos bekannter Musiker, die hier aufgetreten sind. Viele von ihnen sind inzwischen von uns gegangen und spielen in Old Gabriels Bigband; aber ihr Klang scheint sich auf wunderbare Weise erhalten zu haben und in den alten Mauern lebendig geblieben zu sein. Es ist müßig, sie aufzuzählen, Axel Melhardt hat das in seinem Buch "Swing that music" ohnehin getan. Es ist ein sehr dickes Buch; wollte man eines mit jenen Musikern herausbringen, die noch nicht im Jazzland gespielt haben, wäre es erheblich dünner.

Ich durfte auf diese Weise viele der von mir auf Knien bewunderten Jazzgrößen live, zum Angreifen, erleben und mit einigen von ihnen sogar musizieren. Ist es da ein Wunder, daß es mich immer wieder in das verrauchte Gewölbe mit dem unbequemen Mobiliar (das hoffentlich noch lange nicht erneuert wird) zieht ? In die altvertrauten, schäbig-schmuddeligen, heißgeliebten, wundervollen Katakomben unter der Ruprechtskirche. Denn hier bin ich zu Hause. Irgendwie.

John Evers
März 2003 | © Jazzzeit


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22.01.2003 - Die Presse

Pianist mit Tradition und Eigensinn
Jason Moran,
vielversprechender Jazzpianist, begeisterte im Wiener Jazzland.

Es ist jetzt schon abzusehen, daß der noch nicht dreißigjährige Pianist in drei, vier Jahren im Wiener Konzerthaus reüssieren wird. Wenn ihn die hiesige Jazzhochkultur dann endlich auch entdeckt hat. Vorerst gastierte der weitaus interessanteste Tastenkünstler jüngerer Generation im Jazzland.

Für Traditionelles hatte der aus Houston, Texas gebürtige Musiker schon immer ein Faible. So trat er mit einem am Vortag in Bad Gastein erstandenen Jopperl samt Trachtenhut vor die Augen des Auditoriums. Wie es sich für einen Schüler von Stilisten wie Jaki Byard und Andrew Hill geziemt, geht der in Harlem Residierende aber extrem individualistisch mit Überliefertem um.

Wie seine superbe aktuelle CD "Modernistic" zeigt, glaubt Moran weder an die Macht des Musealen, noch geht er dem Klischee einer niemals endenden Progression der Musik auf den Leim. Genau diese Haltung prädestiniert ihn dafür, Zeitgenössisches, aber Genrefremdes jazzmusikalisch neu zu erfinden.

Bei seinem Auftritt im Jazzland frisierten Moran, der Bassist Tarus Mateen und der Drummer Nasheet Waits etwa Africa Bambaataas Electro-Hiphop-Klassiker "Planet Rock" gekonnt gegen den Strich. Er könne zwischen einem Public-Enemy-Beat und der linken Hand Thelonious Monks einen Zusammenhang erkennen, erläuterte der das Cover der aktuellen Ausgabe des amerikanischen Jazzmagazins Downbeat zierende Künstler im Gespräch mit der "Presse".

"Hiphop und R & B gehören einfach zu meiner musikalischen Sozialisation, und so ist es natürlich, mich damit zu befassen." Wie auch mit der deutschen Romantik eines Robert Schuman, mit der idiosynkratischen Klangwelt eines Thelonious Monk und mit Muhal Richard Abrams.

Diese Vielseitigkeit kennzeichnete auch den Abend in Melhardts Kellergewölbe. Ob sinnliche Stride-Pianistik in der Nachfolge des legendären James P. Johnson oder entschlossen hinausgewuchtete Ellington-Adaptionen, Moran beeindruckte mit konzisen musikalischen Ideen und einer starken linken Hand. Selten hat ein junger Musiker die Stränge der Tradition mit den Anforderungen der Moderne auf so sinnfällige Weise miteinander verbunden und ist dabei spannend geblieben. Heftiger Applaus!
sam

22.01.2003 | © Die Presse | Wien


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DER STANDARD 22.01.2003

Musik wie eine dreckige Glasscherbe
Shootingstar Jason Moran gastierte im Wiener Jazzland

Wien - Sein Konterfei prangt gegenwärtig - gemeinsam mit dem seines Lehrers und Mentors Andrew Hill - auf dem Cover des Downbeat, der Mutter aller Jazzgazetten: Niemand geringerer als Arbeitgeber Greg Osby tauschte das Saxofon mit dem Aufnahmemikrofon, um ihn im Interview zu Wort kommen zu lassen. Kein Zweifel, die Zeichen rund um Jason Moran, der am Montag im Wiener Jazzland gastierte, stehen auf früher Karriere-Hausse.

Und das nicht zu Unrecht: Sympathisch eigensinnig, scheuklappenlos denkt sich der 28-jährige Jazzpianist mit Wohnsitz New York seine musikalische Welt zusammen. Engagiert etwa für seine CD Black Stars (2001) den damals 78-jährigen Free-Jazz-Veteranen Sam Rivers, während er neben knorrig-verschachtelte, von Thelonious Monk beeinflusste Eigenkompositionen Bearbeitungen von Björks Joga und Robert Schumanns Auf einer Burg aus dem Liederkreis op. 39 stellt.

Und im Zuge der aktuellen Solopiano-Arbeit Modernistic, das mit einem Stück des alten Ragtime-Pianisten James P. Johnson anhebt, sogar Afrika Bambaataas legendäre Hip-Hop-Pioniertat Planet Rock covert. Bezüge zu Film und bildender Kunst von Akira Kurosawa bis Jean-Michel Basquiat fehlen nicht. "Mein Elternhaus war ein aufgeschlossenes", wagt Moran, im texanischen Houston aufgewachsen, eine Erklärung. "Mein Vater ist sehr an modernem Design interessiert und sammelt Bilder lokaler Künstler. Symphoniekonzerte, Ausstellungen, dazu die große Plattensammlung meines Vaters - von James Brown bis zu den Goldberg-Variationen -, das war mein Alltag. Ich werde mir erst jetzt bewusst, wie sehr dies meine Sichtweise beeinflusste - etwa wie ich einen Raum betrachte, wie ich über Musik und Film denke."

Erfolg sagt freilich immer auch etwas über das Umfeld aus, in dem er möglich ist - und das im Jazz in seiner von den Majors promoteten Mitte zurzeit kein wirklich innovatives ist. Anders gefragt: Weshalb gilt ein Musiker als frisch-frecher Paradiesvogel, obwohl er nur etwas tut, was man im Jazz schon lange kennt: konsequent und lustvoll seine eklektizistische Weltsicht auszuleben.

Was in der - primär euroamerikanischen - New Yorker Downtown-Szene der 80er-Jahre im Grunde zum guten Ton gehörte. Moran bestätigt Wynton Marsalis' Einfluss auf schwarze Jazzmusiker. Wie auch die paradoxe Umkehr des amerikanischen Klischees der geringeren historischen Erblast: Nach Jahrzehnten, in denen sich das afroamerikanische Selbstbewusstsein auch an der Anerkennung der originären Kultur aufgerichtet hat, scheint man sich dieser um so nachhaltiger verpflichtet zu fühlen.

"Ich denke, es gibt in uns Traditionen, derer wir uns nicht unbedingt bewusst sind und die bis nach Afrika zurückreichen. Sie sind Teil unserer ererbten Natur. Die Basslastigkeit des Rap hat mit der Bedeutung der Basstrommel in der westafrikanischen Perkussion zu tun."

Trotzdem: Das Phänomen Moran ist so nur teilweise erklärt. Denn schließlich ist das zurzeit wirklich gehypte Jazzgesicht (man denke an Diana Krall und Jane Monheit) ein konträres: weiß, weiblich, konservativ. Während Moran von sich sagen kann: "Mich interessiert der schmutzige Aspekt des Jazz. Meine Musik ist weniger mit einer glatten, makellosen Glasscheibe als einem dreckigen, zerbrochenen Scherben zu vergleichen."

© Andreas Felber/DER STANDARD


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BUCH DES TAGES: Das Jazzland-Lexikon
O.Ö.Nachrichten vom 4.01.2003

Mit archivarischem Eifer

Seit vor 30 Jahren das Wiener "Jazzland" sein Licht des Kellers erblickt hat, leitet Axel Melhardt dieses geschätzte Lokal nächst der Ruprechtskirche am Franz-Josephs-Kai. So eigenwillig wie erfolgreich. Und wegen dieser drei Jahrzehnte wünscht der unermüdliche, mit dem "Goldenen Verdienstzeichen der Republik Österreich" ausgezeichnete und bereits als Dreizehnjähriger mit dem "Jazz-Bazillus unheilbar infizierte" Jubilar seinem Jazz-Etablissement, seinen Gästen und sich selbst alles Gute: mit seinem "sehr persönlichen Jazzland-Lexikon". "Hundert Jahre Jazz, dreißig Jahre Jazzland, dreißig Jahre Axel Melhardt. Musikgeschichte", verkündet der versierte Vorwortschreiber Hugo Portisch.

Der bekennende Vergangenheitspfleger Melhardt hat mit archivarischem Eifer alle Musiker und Ensembles, die jemals im Jazzland zu Gast waren, aufgelistet. Alphabetisch und mit besonderer Genauigkeit. Von der "A Leo Wright Memorial Session Band" bis Zzzzzzzzzz. "Denn hinter Zzzzzzzzzz kommt nicht einmal Zwingenberger, der so oft den Schlussakkord in einem Jazz-Lexikon setzen darf", meint Melhardt. Zuzüglich spendet er allerlei diskografische Anmerkungen, gelegentlich Anekdoten, meistens auch persönliche Beurteilungen. Querdurch eingereiht sind überdies subjektiv geschilderte Ereignisse und Erlebnisse, lässige Sprüche, witzig gemeinte Bemerkungen, in Printmedien veröffentlichte Kommentare, Meinungen von Musikern. Der geltungstüchtige Pfundskerl berichtet zudem ausführlich über sich selbst und führt liebenswürdig durch seine Familie. Alles ohne Vorbehalte. Eine durchaus auch heitere Rechtfertigung samt ernsthaften Kratzern. Und mit unzähligen Schnappschüssen in Schwarzweiß.

© O.Ö.Nachrichten


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Der Phantastische Treff in Düsseldorf / Rezensionen 2002
(http://www.dpht.net/rezensionen /2002_feinster_jazz.html)

2000 mal feinster Jazz in Wort und Bild ...
25.10.2002 / Dieter Braeg

Am 23. April gab es für Axel Melhardt, der ein premierenreiches Leben hatte und hat, mal wieder, eine Uraufführung. Erstmals las er öffentlich im Wiener Galerie Café auf der Lerchenfelderstraße, aus seinem eben erschienen Buch "Swing that Music" mit dem Untertitel "30 Jahre Jazzland" herrlich informativ unterhaltsame Texte und ... wer es noch nicht wusste, an all dem Axeljazz samt dem Lokal "Jazzland" da ist die Liselotte schuld, sie ließ Axel warten, versetzte ihn und so ging Axel ins Forum Kino und sah sich die "Benny Goodman Story" an ... dann war's geschehen und was da alles so geschah, das hat Axel Melhardt nun schon in zwei Büchern aufgeschrieben. Es sind Jazzgeschichten, wie man sie sonst in keiner Zeitung lesen kann, hier schreibt ein Dauerverliebter über seine ewige Liebe, die auch von seiner Frau Tilly und dem Sohn Julius nicht nur toleriert sondern, ganz ohne Eifersucht gefördert wird.

Ein Glück, dass Axel, der in jungen Jahren (und wohl auch heute noch?) auch der Science Fiction zugetan war, nicht bei dieser Literatur und ihrem reichlich seltsamen "Fandom" hängen geblieben ist, denn sonst müsste Wien, ja die Welt, auf eines der ältesten Jazzlokale verzichten in denen, Tag für Tag (außer an jenen, die Axel samt Familie der Ruhe bedarf und die nur deswegen auch "Ruhetage" heißen), Jazz life geboten wird. Sogar die Politik hat irgendwann begriffen, dass dies wohl doch mehr als nur eine jener Selbstverständlichkeiten sei, von denen Wien ja einige zu bieten hat und so wurde Axel auch das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich verliehen. Wäre er bei der SF geblieben, hätte es da wohl nur zu einem SFCD-Literaturpreis gereicht. Denn - literarisch begabt, das war der Axel. Da gibt es, wenn auch erst nach mühevollem Suchen zu entdecken, doch einige recht geniale SF-Geschichten von ihm.

Was aber, fragt sich nun LeserinLeser bedeutet der Titel 2000 mal feinster Jazz in Wort und Bild ... denn? Nun, das Buch wurde nur in einer Auflage von 2000 Stück hergestellt und wer es sich nicht bald bestellt, der wird nie erfahren, wen Axel in seinem Jazzland engagiert hat und was so alles drum-herum geschah, wenn die Musiker loslegten.

320 pralle Seiten, überaus viele viele Fotos, ausgezeichnete Geschichten. Alles für 22.- schlappe Euros vom Pichler Verlag Wien (www.pichlerverlag.at) mit der ISBN 3-85431-275-X sind so rasch wie möglich zu besorgen. Dann schlage man die Seite 181 auf, lese dort alles über Machacek Ernst, dem Axel dieses Buch widmete. Dann wird man sehr viel mehr von jenem Axel Melhardt verstehen, der mir, als ich noch wahnsinnig jung und dumm in Wien lebte, mit seiner Freundschaft das Leben und Überleben möglich machte. Heute kann ich das schreiben und ihm schicken ...

Ich hoffe Axel, ich seh Dich und freue mich, wenn Du 50 Jahre Jazzland feierst. Halt durch, und weil es jetzt so schwer fällt: Nichtraucher haben am Berg mehr als nur die "Zweite Luft".

© Dieter Braeg


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JAZZPODIUM Juni 2002 - Seiten 22/23

Der streitbare Impressario vom Donaukanal

AXEL MELHARDT FEIERT DAS DREISSIGJÄHRIGE BESTEHEN DES WIENER JAZZLAND

"Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Ich wollte entweder einen Jazzclub aufmachen oder Science-Fiction-Romanautor werden. Lustigerweise bekam ich drei Monate, nachdem ich das Jazzland voll übernommen hatte, das Angebot nach München zu einem Verlag zu gehen. Aber das war bereits zu spät".

Es ist 30 Jahre her, dass Axel Melhardt an diesem für sein Leben entscheidenden Wendepunkt stand. Und sich anstatt spaciger Phantasiewelten der eher erdverbundenen Arbeit unter Tage zuwandte, tief unten im alten Kellergemäuer unter der ehrwürdigen Ruprechtskirche, am Wiener Donaukanal. Das Jazzland, das am 2. März 1972 mit einem Konzert des legendären New-Orleans-Klarinettisten Albert Nicholas und den Wiener Red Hot Pods seine Pforten öffnete, war ursprünglich auf Initiative des Jazzring Austria gegründet worden. Doch schon nach wenigen Monaten war klar, dass eine kollektive Leitung nur schwer funktionieren konnte.

"Das muss einer entscheiden, da muss einer den Kopf und den Buckel hinhalten", so der mittlerweile 59-jährige Melhardt. "Vor allem müssen die Entscheidungen schnell fallen. Du bekommst einen Anruf, ein Musiker hat Zeit an diesem oder jenem Tag - take it or leave it. Wenn ich jetzt erst einen Vorstandsbeschluss erwirken muss, ist der längst schon bei der Konkurrenz oder woanders." Melhardt bewies erstmals jenen Leadership-Willen, der ihn seinen nicht immer leichten Weg beharrlich hat weiterverfolgen lassen. Heute ist das "Jazzland" laut seinem Leiter der weltweit älteste Jazzclub unter konstanter Leitung und eine international, vor allem auch in den USA renommierte Club-Institution. Das an dieser Stelle üblicherweise folgende Name-Dropping unterbleibt bewusst, die Andeutung, dass man mit den hier aufgetretenen Musikern halbe Jazzlexika füllen könnte, möge genügen. Und der Hinweis, dass hier immerhin auch Leute wie George Benson und Wynton Marsalis während diverser Wien-Aufenthalte in laufende Sessions einstiegen.

Was braucht es, einen Jazzclub zu führen? Melhardt: "Am wesentlichsten ist die musikalische Fachkenntnis, alles andere ist erlernbar. Ich habe ja von Anfang an das Konzept verfolgt, amerikanische mit einheimischen Musikern zusammenzuspannen. Und man muss sich schon sehr gut auskennen, um zu wissen, wer zu wem passt. Ich beschäftige mich wirklich intensivst mit Musik, früher habe ich jeden Tag zehn Stunden Platten gehört, heute sind es sechs Stunden, weil man doch zwischendurch Ruhepausen braucht. Man wird ja doch älter. Man muss halt bereit sein, 60, 70, 80 Stunden in der Woche zu arbeiten, sonst geht's nicht."

Vom "erlernbaren Rest" brachte Melhardts väterlicher Freund, der 1986 verstorbene Tenorsaxophonist Eddie "Lockjaw" Davis, dem Club-Betreiber einiges bei: "Vor allem, wie man am besten Musiker behandelt. Freundlich, nett, aber ohne auf jede Forderung einzugehen. Man muss sich nicht zum Schuhputzer machen lassen. Wir sind Partner, der Musiker oder die Musikerin kann ohne mich nicht leben, ich kann ohne ihn bzw. sie nicht leben".

Wie Axel Melhardt selbst die stilistische Bandbreite dessen beschreibt, was sich in seinem Lokal abspielt? "Vom Anbeginn des Jazz ursprünglich bis in die Gegenwart. In den letzten Jahren habe ich das Zeitgenössische etwas zurückgenommen, weil ein anderer Club da ist, der dieses Segment ausgezeichnet abdeckt". Eine ungewöhnlich diplomatische Wortspende des streitbaren Jazzclub-lmpresarios, weiß man doch, dass das "Jazzland" ein Hort der Tradition und Melhardt ein Vertreter jener Jazzfan-Spezies ist, für die das Interesse an der Musik bereits um 1960, "mit dem Einsetzen des Free Jazz", endet. Dixieland, Swing, Mainstream, Bebop, Blues - das sind die Eckpfeiler des "Jazzland"-Programms. Darüber hinaus wagte man sich auch in früheren Jahren - etwa mit Gastspielen von Gunter Hampel, den Neighbours oder dem Human Arts Ensemble - nur höchst selten. Wo das im Jazz so essenzielle Überraschungsmoment bleibe, wenn man, so wie Melhardt, lieber Bands engagiere, von denen man wisse, dass sie gefallen, anstatt zuweilen auch das Risiko zu wagen, Unbekanntes zu hören? "Die lineare Entwicklung des Jazz ist abgeschlossen, es geht nichts über die komplette Freiheit hinaus. Der Jazz hat in 100 Jahren das nachvollzogen, wofür die klassische Musik 500 Jahre gebraucht hat. Was sind da noch alles für Ecken und Winkel da, in die noch nicht hinein geleuchtet worden ist! Zwischen Armstrong und Roy Eldridge ist so eine Bandbreite an Trompetern mit musikalisch-stilistischer Eigenheit möglich. Ich habe mir kürzlich vier verschiedene Fassungen von 'Body & soul' angehört, von Coleman Hawkins, Eddie "Lockjaw" Davis, Chu Berry und Christian Plattner: Das sind vier verschiedene Musikstücke!"

Ein Schelm freilich auch, wer ob des obigen Statements vermutet, das Verhältnis zu jenem Jazzclub, gegen dessen Umzug in das ehemalige Porno-Kino "Rondell" in der Wiener Innenstadt Melhardt vor einigen Jahren sogar mit einem ganzseitigen Inserat in der Stadtzeitung "Falter" zu Felde zog, sei mittlerweile der Atmosphäre einer friedlichen Koexistenz gewichen. Ein Blick in das anlässlich des Jubiläums erschienene Buch "Swing That Jazz!", in dem Melhardt mittels einer anekdoten- und informationsreichen lexikalischen Auflistung sämtlicher Musiker und Bands oder anderer Verdächtiger, die in den letzten 30 Jahren im "Jazzland" auftraten, auftreten hätten sollen, oder in sonst einer Beziehung zum Etablissement standen, genügt: Obwohl oder gerade weil der Name "Porgy&Bess" kein einziges Mal ausgesprochen wird, ist er doch äußerst präsent. Immerhin erhält Melhardt nun selbst insgesamt 28.400 EUR Zuschuss von Stadt und Bund, das Verhältnis zum modernen Kollegen, der 145.000 EUR erhält und den Melhardt bislang kein einziges Mal betreten hat, ist für ihn noch immer nicht nachvollziehbar.

Dass er durch die bestenfalls marginale Berücksichtigung der jungen Wiener Szene, die vor allem seit Ende der 70er Jahre im Gefolge der Gründung des Vienna Art Orchestra viele international renommierte Musiker zwischen Wolfgang Puschnig und Max Nagl hervorgebracht hat, die Initiierung eines Clubs wie des "Porgy&Bess" in gewisser Weise selbst provoziert habe, beantwortet Melhardt wie folgt:

"Dann hätte ich meine alten Freunde, die mit mir das Jazzland aufgebaut haben, rauswerfen oder weniger beschäftigen müssen. Hier kam meine subjektive Vorliebe für ältere Stile und auch die Treue zu den Musikern zum Tragen, die mir in den ersten Jahren immer geholfen und zu niedrigen Gagen gespielt haben. Mir geht es nicht primär um die Szene, sondern auch um alte Freundschaften"

Schwer verständlich ist zumindest, dass auch Hans Koller, der große alte Mann des österreichischen Jazz, der sich noch als 50-Jähriger offenen, freien Band-Konzepten mit jungen Musikern zuwandte, nie im "Jazzland" auftrat.

"Das Publikum wird eher mehr als weniger", macht sich Melhardt kaum Gedanken um die Zukunft des Live-Konzerts in Zeiten der Tonträgerflut und der elektronischen Distributionsmöglichkeiten von Musik. Warum sollte er auch? Schließlich bietet neben dem urigen "Jazzland"-Keller auch er selbst in seiner unverwüstlichen, konfrontationsfreudigen Art, in der liebevollen Detailgenauigkeit, mit der er in seinem Lokal bis zum letzten Cevapcici-Teller Atmosphäre schafft, in seiner nach wie vor unbedingten Begeisterung für die Musik und ihre Ausführenden, selbst jenen Mehrwert, den ein heute schon historisch anmutendes Jazzclub-Ambiente benötigt. Und so sagt er auch auf die Frage, wie es weitergehen wird: "Die 20 Jahre bis zum 50. Geburtstag bringe ich noch leicht unter".

© Andreas Felber - JAZZPODIUM Juni 2002 - Seiten 22/23

Jazzland, 1., Franz-Josefs-Kai 29; Tel. 00 43/1/5 33 25 75, www.jazzland.at
Buch-Tipp:
Axel Melhardt: "Swing That Music! 30 Jahre Jazzland.
Ein sehr persönliches Jazzland-Lexikon." Wien: Pichler-Verlag 2002. ISBN 2-85431-275-X.

(Anm.d.Red.: Ein ähnlicher Artikel ist bereits im Standard vom 20.3.2002 erschienen).


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JAZZPODIUM Juni 2002 - Seite 62

30 Jahre Jazzland
Swing That Music!
von Axel Melhardt

Pichler Verlag, Wien 2002, 320 Seiten, 22 Euro, ISBN 3-85431-275-X

Seit dreißig Jahren leitet Axel Melhardt - eigenbrötlerisch bis skurril, jedoch erfolgreich - das Wiener "Jazzland". Jetzt hat er zum Jubiläum "ein sehr persönliches Jazzland-Lexikon" herausgebracht, das zum Schmökern und zum Schmunzeln einlädt. Der Leser wird nicht auf die Geschichte und Entwicklung des legendären Clubs und dessen erstaunliche drei Jahrzehnte eingestimmt, sondern liebenswert an die Hand genommen und durch Musikerbiografien geführt. Wie in einem Lexikon sind alphabetisch alle Namen erfasst, die jemals im Club Gast waren. Von Abbi Hübner's Low Down Wizards bis Torsten Zwingenberger reicht die Palette, die meist den Mainstream widerspiegelt, keinesfalls aber als "Who is who?" des Jazz gelten kann. Heimische Musiker mit internationalen Stars zusammmenzubringen - weit über 300 US-Jazzer traten im Wiener Keller auf - war und ist Anliegen Melhardts, sein Ertolgsrezept letztendlich. Persönlich bis launig bringt der Chef dem Leser all die Musiker näher. Deren Biografien sind gespickt mit subjektiven Geschichten und Anekdoten, oft voll gepackt mit faktenreichem Material und diskografischen Angaben - stets persönlich gefärbt. In seinem archivarischen Eifer wurde Melhardt von Ehefrau Tilly unterstützt, die in "schier unergründlichen Tiefen ihrer Erinnerung" kramte. Insgesamt ein heiteres Buch, eine etwas andere Festschrift sicherlich. Sie zeigt den Jazz als Begleiter von Menschen, berichtet von einer erstaunlichen Symbiose. Als 13-jähriger wurde der Jazzland-Leiter, wie es in der einleitenden Laudatio zu dessen Verleihung des Goldenen Verdienstzeichens der Republik Österreich heißt, "unheilbar mit dem Jazz-Bazillus" infiziert und "an dieser Infektion laboriert bis heute nicht nur er". Er hat es geschafft, "den heiklen Balanceakt zwischen einem künstlerisch anspruchsvollen und trotzdem von einem breiteren Publikum akzeptiertes Programm zu meistern".

© Reiner Kobe


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Rezensionen
Amazon.at - 5/2002

30 Jahre Wiener Jazzland. Axel Melhardt, die treibende Kraft hinter diesem weit über die österreichischen Grenzen hinaus bekannten Konzertlokal, hat Zahlen, Daten, Fotos und Anekdoten über eine Legende zusammengetragen, die aus dem Wiener Musikleben nicht mehr wegzudenken ist. Allein die Tatsache, dass ein Jazzlokal ohne Subventionen jahrzehntelang internationale Größen verpflichten konnte, wäre einen Rückblick wert. Swing that Music ist aber viel mehr als eine Pflichtübung zu einem freudigen Jubiläum.

Auf den ersten Blick verwundert der lexikalische Aufbau. Bei manchen Einträgen gibt es nur biografische Angaben, andere sind durch meist persönliche Erlebnisse, stilistische Anmerkungen oder Liedzeilen ergänzt. Doch bereits beim ersten Durchblättern springt die stilistische Vielfalt der Künstlerinnen und Künstler ins Auge. Wenn man aber einmal zu lesen begonnen hat, wird man von den Details und den unzähligen Geschichten mitgerissen, die es ermöglichen, eine oft unbekannte Seite auch bekannter Stars zu entdecken.

Auf den mehr als 300 prall gefüllten Seiten gibt es wohl für alle Jazzfans etwas zu entdecken. Wer das Jazzland kennt, kann Konzerte nachschlagen und Erinnerungen auffrischen. Doch selbst wer noch nie die einmalige Atmosphäre dieser Wiener Institution erlebt hat, wird sich wundern, wie viele internationale Größen mit oft sehr persönlichen Porträts vertreten sind. Schließlich ist dieses Buch auch ein erfrischendes Lebenszeichen einer Szene, die in den letzten Jahren trotz aller gegenteiligen Beteuerungen oft an den Rand gedrängt oder ignoriert wurde. Ohne Einschränkungen empfehlenswert! --Volker Frey

© Volker Frey


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Buch-Rezension
Axel Melhardt

Swing That Music! 30 Jahre Jazzland. Ein sehr persönliches Jazzland-Lexikon.
Wien: Pichler-Verlag 2002.
Paperback. 320 S. EUR 22.-/SFr 38,80
ISBN 2-85431-275-X

Das Wiener Jazzland, Österreichs international renommierter Hort des traditionellen und Mainstream-Jazz, ist 30, und Axel Melhardt, das Clubbetreiber-Denkmal im Etablissement-Monument, legt wie schon zur 20-Jahr-Feier seine gebündelten Erinnerungen in Buchform vor. Hugo Portisch und Heinz Czadek (Abdruck seiner Laudatio anlässlich der Verleihung des Goldenen Verdienstzeichens der Republik Österreich an den Jazz-Impressario) besorgen die Vorreden, dann ist Melhardt selbst am Wort: In einer enzyklopädischen Abhandlung sämtlicher Musiker, Bands und sonstiger Menschen, die in jenen drei Jahrzehnten im Jazzland auftraten, auftreten hätten sollen oder anderweitig in Verbindung standen und stehen, beleuchtet er die internationale und nationale Jazzszene auf seine Weise: Anekdotenreich, informativ und mitunter sehr polemisch. So erfährt man etwa von der - historisch begründeten - Hundeangst Champion Jack Duprees oder davon, dass Gene Harris erst in Melhardts Wohnung entdeckte, dass er in seiner Jugend stets ZWEI Boogie-Pianisten - allein - nachzueifern versucht hatte. Auch scheinbar entlegene Herrschaften wie Melhardts Urgroßonkel Antonin Dvorak, Thomas Klestil und Franz Viehböck werden erwähnt, bei aller augenzwinkernden Amüsantheit leidet die Benützerfreundlichkeit des Lexikons allerdings unter stark schwankenden Informationsangeboten und (un)systematischen Eigenwilligkeiten: So lässt sich beispielsweise sowohl unter dem Stichwort "Brad Mehldau Trio" als auch unter "Mehldau Brad" nachlesen, dass den Jazzland-Betreiber die linke Hand des Pianisten nicht überzeugte; in der Auflistung der angeführten Bands werden diejenigen, mit denen die Musiker im "Landl" auftraten, nicht selten mit solchen, in denen der/die Betreffende darüber hinaus Mitglied war, vermischt. Unter der Gürtellinie ist Melhardts Bezeichnung von Giselher Smekal als "einer der Totengräber des Jazz im ORF" (S. 263), dass der Autor zudem beispielsweise Wolfgang Puschnig als Tenorsaxophonisten und Nikolas Simeon (sic!) als in Wien lebenden Bulgaren ausweist, sind Fehler mit Indizcharakter: Melhardts musikalische Konservativität, die offenbar eine ungenaue Kenntnis der jüngeren Szene bedingt, ist in seinem Buch auch durch die gänzliche Abwesenheit seiner Lieblingskonkurrenten überaus präsent: Obwohl die Namen "Porgy & Bess" und "Mathias Rüegg" kein einziges Mal explizit fallen, sind sie doch allgegenwärtig, von der erwähnten Laudatio Heinz Czadeks zu Beginn bis hin zu Melhardts Kommentaren über die städtischen Kulturpolitiker Peter Marboe und Andreas Mailath-Pokorny gegen Ende. Vielleicht hätte bei all dem eine Prise Selbstkritik nicht geschadet: Nur zu bedauern, dass Hans Koller, der große alte Mann des österreichischen Jazz, der auch im fortgeschrittenen Alter noch vergleichsweise avantgardistische Musik machte, niemals im Jazzland gespielt hat, ohne eine Wort über die Ursache zu verlieren, ist zwischen den Zeilen zu lesen.

© Andreas Felber - Concerto 2002-02


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City Stadtzeitung für Wien, 05.04.2002
Landl's 30er

Das Jazzland ist der Welt ältester Jazzclub unter kontinuierlicher Regie.
Diese führt seit 1972 Axel Melhardt.
Retrospektiven und Perspektiven eines leidenschaftlichen Jazzfans.

Alle waren sie da. Von Monty Alexander bis Joseph Bowie, von Wild Bill Davis bis Diana Krall, von Fatty George bis Art Farmer. War man als Gast zum richtigen Zeitpunkt vor Ort, konnte man sogar einen George Benson oder Wynton Marsalis bei einer spontanen Jam-Session goutieren. Kein Wunder, dass Jazzland-Betreiber Axel Melhardt mit Stolz und Genugtuung auf die "ersten 30 Jahre" des 'landl (wie es die Fans nennen) zurückblickt. Zugegeben, einen Joe Zawinul hätte er auch gerne auf seiner Starliste gehabt, aber "...der ist in einer Preiskategorie, für die ich einen Lotto-Zwölfer haben müsste".

Sonst alles im Lot im 'landl? "Nicht ganz", bedauert der 59-jährige Autodidakt, "was mich wirklich betrübt, ist der Umstand, dass Jazz im Allgemeinen und das Jazzland im Besonderen in der heimischen Presse wenig bis gar nicht gewürdigt werden. Während Popmusik auf der einen und Klassik auf der anderen Seite breiter medialer Raum eingeräumt wird, rückt man Jazz in die Nähe der Schlagermusik." Eine sehr persönliche Sicht von Axel Melhardt, der man gegenüberstellen darf, dass etwa das Porgy & Bess sehr wohl in den Medien behandelt wird. "Ich habe nichts gegen das Porgy & Bess, auch wenn es mir schwer fällt, zu akzeptieren, dass dieses hoch subventioniert ist und unsereins sich mit Peanuts begnügen muss. Aber ich darf schon anmerken, dass vieles, was dort gespielt wird, mit Jazz nur am Rande zu tun hat." Also ist der Jazz im 'landl zu Hause? Melhardt: "Jazz gibt es seit nunmehr 100 Jahren; ich versuche jene 90 Jahre abzudecken, die nicht im Porgy & Bess gespielt werden." Das sieht das 'landl-Publikum vermutlich genauso, denn über mangelnde Auslastung kann sich Melhardt kaum beklagen. Was zeichnet denn sein Publikum aus? "Da sitzt der Uni-Professor neben dem Postler und beide swingen im selben Takt.".

(K)ein Jazzmusiker. Ein Takt den Melhardt wie sein Publikum ausschließlich vor der Bühne genießt, denn für die selbige fehlt ihm die Ausbildung. Ein Jazzclub-Leiter, der selber kein Instrument spielt? "Ich hatte einfach nicht das nötige Talent, um etwa ein Saxofon zu beherrschen", bekennt dieser. Seine Talente liegen dafür aber u.a. beim Wort. Der Sohn eines Prager Schauspielers verdiente sich seinen früheren Lebensunterhalt als Verfasser von "anspruchsvollen, aber erfolglosen SF-Kurzgeschichten, und anspruchslosen, aber gut bezahlten Schundromanen." Letztere legten den finanziellen Grundstock für die Übernahme des maroden Heurigenlokals Weinfaßl und dessen Umwandlung in das Jazzland. Am 4. März '72 öffnete der Club seine Pforten und wurde zum Lebensinhalt von Axel Melhardt und seiner Frau Tilly, die für die exzellente Küche verantwortlich zeichnet.

30 Jahre sind seither vergangen und Melhardt freut sich schon auf den 50er im März 2022. "Da bin ich dann 79. Es geht halt nichts über eine realistische Zukunftsplanung", meint er augenzwinkernd.

© City Stadtzeitung für Wien - http://www.city2002.at


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DER STANDARD 20. März 2002

Die streitbare Tradition

Axel Melhardts Jazzland feiert dieser Tage seinen 30. Geburtstag von Andreas Felber

Wien - Da wurde ein Hobby zum Beruf: "Ich wollte entweder einen Jazzclub aufmachen oder Science-Fiction-Autor werden. Lustigerweise bekam ich drei Monate, nachdem ich das Jazzland voll übernommen hatte, das Angebot, nach München zu einem Verlag zu gehen. Zu spät!" Es ist imposante 30 Jahre her, dass Axel Melhardt an diesem biografischen Scheideweg stand.

Die Gründung des Jazzland, das am 2. März 1972 mit einem Konzert des New-Orleans-Klarinettisten Albert Nicholas seine Pforten öffnete, verdankte sich ursprünglich einer Initiative des Jazzring Austria; doch schon bald übernahm Melhardt das alleinige Kommando. Heute ist das Jazzland eine international renommierte Institution, in der auch George Benson und Wynton Marsalis während ihrer Wien-Aufenthalte in Sessions eingestiegen sind.

Wie Melhardt selbst die angebotene stilistische Bandbreite beschreibt? "Vom Anbeginn des Jazz bis ursprünglich in die Gegenwart. In den letzten Jahren habe ich das Zeitgenössische etwas zurückgenommen, weil ein anderer Club da ist, der dieses Segment ausgezeichnet abdeckt." Eine ungewöhnlich diplomatische Wortspende des Streitbaren, weiß man doch, dass das Jazzland ein Hort der Tradition und Melhardt ein Vertreter jener Jazzfan-Spezies ist, für die das Interesse an dieser Musik bereits um 1960, mit dem Einsetzen des Free Jazz, endet ....

Wo denn angehörs dieser Beschränkung auf historisches Terrain das Überraschungsmoment bleibe? "Der Jazz hat in 100 Jahren das nachvollzogen, wofür die Klassik 500 Jahre gebraucht hat. Was sind da noch alles für Winkel da, in die noch nicht hineingeleuchtet worden ist! Zwischen Armstrong und Roy Eldridge ist noch eine ganze Bandbreite an Trompetern mit Eigenheit möglich."

Die Konkurrenz
Ein Schelm freilich auch, wer ob des obigen Statements vermutet, das gespannte Verhältnis zu jenem Jazzclub, gegen dessen von der Stadt Wien finanzierten Umzug ins Rondell Melhardt einst mit einem ganzseitigen Falter-Inserat zu Felde zog, sei einer friedlichen Koexistenz gewichen. Für Melhardt, der das Porgy & Bess selbst noch nie betreten hat, ist das Verhältnis zwischen jenen 28.400 Euro, die er selbst insgesamt jährlich von Stadt und Bund erhält, und den 145.000 Euro, mit denen der zeitgenössische Club-Konkurrent etwa letztes Jahr gefördert wurde, weiterhin nicht nachvollziehbar.

Dass er durch die bestenfalls marginale Berücksichtigung der so vitalen jungen Wiener Szene vor allem in den späten 70er- und 80er-Jahren die Initiierung eines derartigen Club-Forums für innovative, risikoreichere Improvisationsformen in gewisser Weise selbst provoziert hat, kommentiert er wie folgt: "Hier kam meine subjektive Vorliebe für ältere Stile und auch die Treue zu den Musikern zum Tragen, die mir in den ersten Jahren immer geholfen und zu niedrigen Gagen gespielt haben. Mir geht es nicht primär um die Szene, sondern auch um alte Freundschaften."

"Das Publikum wird eher mehr als weniger", macht sich Melhardt kaum Gedanken um die Zukunft des Livekonzerts. Warum auch, schließlich bietet neben dem urigen Keller auch er selbst in seiner unverwüstlichen begeisterten Art jenen Mehrwert, den ein Jazzclub-Ambiente benötigt. Wie weiter? "Die 20 Jahre bis zum 50. Geburtstag bringe ich noch leicht unter!"

Jubiläumsprogramm: Jazzland Classic All-Stars, bis 23. 3.

© DER STANDARD, 20. März 2002


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DER STANDARD, 14. Februar 2002

Delikates Zerfließen der Lieder

Diana Krall gastierte im Konzerthaus, Vincent Herring im Jazzland

Wien - Das Albumcover ohne ihre Schmolllippen muss erst erfunden werden. Dennoch: Diana Krall ist kein Fall für Blondinenwitze. Dafür spielt sie zu gut Klavier. Und singt zu überzeugend. Und dafür ist sie zu repräsentativ für die Konservativität des Jazz, der in seiner mainstreamigen Mitte zusehends von einer Musik des kreativen Augenblicks zum Fall für historisierende Interpreten mutiert.

Das Phänomen Diana Krall ist ein musikalisches und mediales. Kein Zweifel, diese Sängerin bringt es bisweilen genial auf den Punkt. Etwa, wenn sie Standards wie Let's Fall in Love mit dezent angerautem, dennoch nicht aufgesetzt wirkendem, samtigem vokalem Timbre in ein schwungvolles und herzhaftes Stück Leben verwandelt.

Oder wenn sie Cole Porters I've Got A Kick Out Of You delikat und nachdenklich zerfließen lässt, um im richtigen Moment in gebändigter Kraft ihre Stimme zu erheben. Natürlich: Jede ihrer Noten wie auch ihre prägnanten, strikt nonvirtuosen Piano-Einwürfe sind voll beladen mit historischen Assoziationen. Und Momente einer erstaunlichen emotionalen Unmittelbarkeit alternieren mit solchen der gepflegten Fadesse.

Zugegeben, der Vergleich ist unfair. Aber spannend. Dieser Tage gastierte Altsaxophonist Vincent Herring im Jazzland. Herring ist 37, exakt drei Tage jünger als Krall. Sie zog 1990 nach New York, er bereits 1982. Auch er sieht gut aus, er hat Charme, und wie sie bewegt er sich in einem geschlossenen historischen Aktionsfeld, erweist mit rasanten, von schwarzer Expressivität erfüllten Linien seinen Säulenheiligen Reverenz.

Was für ihn Cannonball Adderley und Charlie Parker bedeuten, stellen für Krall Nat King Cole und Carmen McRae dar. Die Kanadierin, die im Jazzland 1996 zum ersten Mal Wien beschallte, füllt heute große Häuser, gilt als Popstar des Jazz. Herring spielt weiterhin in kleinen Jazzkellern. Sicherlich hat dies seine Ursache auch in Kralls vokal-instrumentaler Doppelbegabung. Sicherlich ist dies auch eine Frage der Klasse. Doch das ist nur ein Teil der Erklärung. Was den Unterschied sonst noch ausmacht? James Brown würde sagen: "It's a man's (jazz-)world!" (felb)

© DER STANDARD, 14. Februar 2002


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24.01.2002 - U-Musik

Rastlosigkeit zwischen Askese und Opulenz

Lonnie Plaxico, superber Bassist, beeindruckte mit einem kompakten, sehr aufbrausend spielenden Quintett im Wiener Jazzland.
VON SAMIR H. KÖCK

Wenn ein Musiker nach zwanzig Jahren Sideman-Dasein noch immer als "Rising Star" gehandelt wird, dann muß das nicht unbedingt gegen ihn sprechen. Der in Chicago geborene Bassist Lonnie Plaxico, der seine Lehrjahre bei Chet Baker, Dexter Gordon und Art Blakey verbrachte, hat ähnlich wie der Saxophonist James Carter sowohl die Alten wie die Jungen studiert. Jahrelang sammelte er an der Seite von Veteranen wie Sonny Stitt, Junior Cook und Dizzy Gillespie Erfahrung mit älteren Genres wie Hard Bop und Blues.

Gleichzeitig war er aber auch, gemeinsam mit heutigen Größen wie Greg Osby und Steve Coleman, sehr aktiv an der M-Base-Front, als es zu Beginn der achtziger Jahre darum ging, den Jazz in neue funkige Bahnen zu lenken, ohne jedoch seine Diffizilität aufzuweichen. So trägt etwa auch der künstlerische Aufstieg Cassandra Wilsons die Handschrift Plaxicos, leitet er doch bereits seit fünfzehn Jahren die Band der großen Balladensängerin.

Einzig eine adäquate Karriere als Bandleader fehlte noch zum großen Glück. Diese dürfte wohl mit "Mélange", Plaxicos Debüt für das Label Blue Note, angehoben haben. Der charismatische Bassist sorgte mit einem fulminanten Jazzland-Auftritt für Begeisterung. Seine energetischen Sidemen, allen voran Pianist und Orgler George Colligan, der Saxophonist Marcus Strickland und der Trompeter Jeremy Pelt, integrierten mannigfaltige stilistische Einflüsse zwischen Jazz, Funk und Klassik und bestachen mit kohärenten musikalischen Aussagen.

Bereits mit der Eröffnungsnummer "Red Light District" wurde der rauhe Ton des gesamten Konzerts vorweggenommen. Mit ungewöhnlich großer Energie und Rastlosigkeit wurden harsche Themen umkreist, ihres ohnehin spärlichen Zierats mehr und mehr entledigt und solcherart zu quasi-philosophischen Jazzstatements aufgewertet.

Mit Hilfe repetitiver Passagen drang man unter die Oberfläche der Harmonien, suchte nach dem essentiellen Verhältnis zwischen Askese und Opulenz. Besonders faszinierend waren die druckvollen Stücke wie "Short Take" und "Illusion". Großer Jubel im Jazzland!

© Die Presse | Wien


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DER STANDARD, 07. Dezember 2001

Und das Klaviertrio lebt doch

Kirk Lightsey im Wiener "Jazzland"
von Andreas Felber

Wien - Man hat schon viel räsoniert über die staubige Klassizität des Jazz-Klaviertrios, dieses seltsamen Kumpanen des Streichquartetts. Die Ahnenreihe von Oscar Peterson über Bill Evans bis zu Cecil Taylor ist lang, zu lang, so wird gesagt, der Nostalgiefaktor groß.

Unbestritten. Und dennoch: Selbst den skeptischen Beobachter der Musealisierung der Kunstform "Jazz" in den 80er- und 90er-Jahren überrascht die Flexibilität des Piano-Bass-Schlagzeug-Dreigespanns immer wieder aufs Neue. Historisch bedingt, liegt die Latte zweifellos höher als in anderen Besetzungen, unüberwindbar ist sie nicht. Kraftvolle musikalische Persönlichkeiten, die sich nicht damit begnügen, im Kreise der 32 Chorus-Takte brav ihre Runden zu drehen, vorausgesetzt: Ausgerechnet in Wiens Mainstream-Jazz-Gravitationspunkt "Jazzland", in dem man dieser Art der Traditionspflege an sich nicht abgeneigt ist, wurde dies jüngst beispielhaft vorexerziert.

Schon vor einigen Tagen hatte Rachel Z mit ihrem Trio für frischen Wind im alten Gemäuer unter der Ruprechtskirche gesorgt, indem sie suitenartige disponierte Sets voll Virtuosität und vitaler Kontraste choreographierte. Nun brachte ein anderer Amerikaner das Klavier gleichsam von innen zum Leuchten: Kirk Lightsey, einer jener Pianisten, für die das Attribut "Geheim-Tipp" einen etwas resignativen Beigeschmack besitzt. Der Detroiter mit Pariser Wohnadresse ist immerhin 64.

Wie weiland an Chet Bakers oder Sarah Vaughans Seite sind auch heute noch die wichtigsten Orientierungspunkte Lightseys, die perlende Unrast Bud Powells und die kultivierte Akkordik Red Garlands, in seinem Spiel präsent. Und doch ist ihm das Kunststück gelungen, aus all diesen Einflüssen ein ureigenes pianistisches Idiom zu sublimieren.

Lightsey versteht sich in grandioser Manier auf die Kunst vertikaler Schichtungen wie auch des Timings: Seine kompakten Blockakkorde, raffinierte Gebilde von nicht selten beißend dissonanter, bitonaler Schärfe, bürsten den Grundrhythmus punktgenau gegen den Strich.

Tibor Elekes und Florian Arbenz, das Bass-Schlagzeug-Duo, reagierten hellwach auf jeden dieser Querschläge und ließen sich nicht aus dem Konzept bringen. Die Bühne freilich gehörte Kirk Lightsey. Und dem gruppendynamischen Klassiker "Jazz-Trio".

© DER STANDARD, 7./8./9. Dezember 2001


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Anmerkung: Das Rachel Z-Trio trat am 19.11.2001 auf.

Frischer Wind im alten Jazz-Gemäuer

Das Rachel Z-Trio gastierte im Wiener Jazzland

Es müssen nicht immer 32 Takte sein. Und nicht jeder improvisatorische Rundflug bedarf gleichsam als Startbahn eines Themas, in dessen Arme sich am Ende wie in einen schützenden Hafen zurück kehren lässt. Interessanterweise war es ein Piano-Trio, jene klassische Besetzung des Jazz, deren weitere Entwicklungsfähigkeit seit den 90er Jahren zuweilen in Frage gestellt wird, das letzten Sonntag im Wiener Jazzland demonstrierte, wie fruchtbar schon einfachste Traditionskritik sein kann. Nicht dass Rachel Z und ihre charmanten Kombattantinnen Kim Clarke (Bass) und LaFrae Olivia Sci (Drums) in irgendeiner Weise Revolutionäres im Sinn gehabt hätten, was an diesem Abend gefiel, war die unprätentiöse Selbstverständlichkeit, mit der der tradierte, stereotype Formenkanon den eigenen Ausdrucksbedürfnissen anverwandelt und so mit neuer Lebendigkeit erfüllt wurde.

Also war es doch so unpassend nicht, dass Rachel Z, die vor Jahren mit Mike Maineris "Steps Ahead"-Fusionisten um die Welt tourte und seit Mitte der 90er an Wayne Shorters Seite zu vernehmen ist, in Europa zur Zeit verblüffenderweise in der "Rising Star"-Serie präsentiert wird. Suitenartige Soundlandschaften mit Up-tempo-Passagen und lyrischen Ruhepunkten, mit überraschenden Stops und Breaks konnte man da hören, spritzig perlende Single-note-Lines, von der kraftvollen Linken mit schweren Schlägen kontrapunktiert, sowie in architektonischer Strenge erbaute Akkord-Türme, die im impressionistischen Farbregen bitonaler Arpeggios aufgelöst wurden. Kim Clarke hielt sich am E-Bass kaum mit braven Walking-Bass-Läufen auf, zelebrierte stattdessen in bewährter "Defunkt"-Manier fließende, immer wieder kompakt mit der Klavier-Stimme verflochtene Legato-Pattern. Wenn sie nicht in gelegentlichen Slap-Andeutungen sogar rockige Funkyness als junge Farbe in das akustische Trio-Konzept einbrachte. Auch die energetische Newcomerin LaFrae Olivia Sci, erst kürzlich aus Ohio in den Big Apple übersiedelt, ließ ihr Set ab und an erfrischend indiskret knallen. So einfach kann das Rezept für einen spannenden Jazz-Abend sein.

© Andreas Felber - aus "Der Standard" (nicht erschienen)


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01.09.2001 - Kultur News

82 Jahre und noch kein bißchen Jazz-Stagnation

Hal Singer, Saxophonlegende, begeistert in Wien.

"Er ist ja noch jung und wird seinen Weg schon finden. Er ist ja berühmt, wie es Count Basie oder Duke Ellington nie waren. Die mußten zeitlebens kämpfen." So spricht Hal Singer über Wynton Marsalis, jenen Trompeter, der die Uhr zurückdrehen will, in die seligen Zeiten, als Jazzmelodien noch hemmungslos melancholisch sein konnten. Singers eigene Karriere währt schon über 60 Jahre: Er komponierte R&B-Hits wie "Cornbread", begleitete Größen von Duke Ellington bis Billie Holiday, glänzte mit warm tönendem Saxophonspiel. 1965 ging er nach Paris, wo er uramerikanische Platten wie "Paris Soul Food" aufnahm. Von der britischen Gruppe "Galliano" gesampelt, auf vielen Kompilationen mit Stücken wie "Malcolm X" vertreten, wurde er in den letzten Jahren von einem neuen Publikum entdeckt. Im Jazzland Wien ließ der agile 82jährige sein zwischen kühner Imagination und lustvoller Nostalgie schwelgendes Saxophon durch bewährte Klangräume wie "On Green Dolphin Street" oder "Take The A-Train" flanieren. Nur Routine? Keineswegs! Singer glaubt nicht an eine Stagnation im Jazz: "Das ist schon rein mathematisch nicht möglich. Es gibt noch viele Entwicklungsmöglichkeiten." Mit der Gelassenheit des alten Meisters zelebrierte Singer vor allem die emotional fordernden Balladen wie "Misty", "All Blues", "Naima". Pianist Heribert Kohlich und Bassist Martin Treml brillierten angemessen zurückhaltend, nur Schlagzeuger Joris Dudli zerstörte zuweilen die milde Stimmung durch egomanisch böllernde Soli.
sam

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29.03.2001 - Kultur News

Vor James Brown fand seine Bebop-Mütze keine Gnade.

Bobby Durham, Schlagzeug-Legende, gastiert im Wiener Jazzland.
VON SAMIR H.KÖCK

Der "Presse" erzählte er aus seinem Leben. Obwohl eben gestärkt durch einen Riegel Schokolade, war es mühsam, den riesigen Sessel zum Regal zu schieben, sich darauf zu hieven und mit kleinen Fingern die spitzen Kartonecken zu ergreifen, die das köstliche Schwarz enthielten. Just in diesem Moment öffnete sich die Wohnzimmertüre! "Es war Mutter, die - gerührt von meinem Interesse - mir schon als Fünfjährigem zeigte, wie man mit Schallplatten umzugehen hat. Unter ihrer Anleitung legte ich eine Jimmy-Lunceford-Platte auf: ,Das ist Jazz! Gefällt dir das?'" Freilich gefiel es dem kleinen Bobby Durham, war er doch bereits in zartem Alter ein passionierter Rhythmusmacher. 1937 in Philadelphia geboren, trommelte Durham ab seinem zweitem Lebensjahr auf allen erreichbaren Gegenständen, begann mit drei seinem Vater, einem Steptänzer, nachzueifern. Seine Mutter hielt ihn an, sich ein solides Fundament anzueignen. Was sein Schaden nicht war. Mit Hilfe eines Cousins, der sich als Boxer und Roadmanager diverser Rhythm & Blues-Gruppen durchschlug, stieg Durham mit anderen Talenten seiner Stadt wie dem Trompeter Lee Morgan und dem Pianisten Bobby Timmons in viele Bands ein. Nach der Armee, wo er in einer Marschkapelle musizierte, entschied sich Durham dafür, professionell Musik machen zu wollen, ging nach New York und arbeitete sich in zäher Kleinarbeit in Klubs wie dem "Sugar Ray" oder dem "Smalls" nach vorne. Nach seiner ersten Aufnahme mit Grant Green folgten Engagements in Soul- und R&B-Bands wie den Coasters oder den Drifters, dann in Lionel Hamptons Big Band. Schlagzeuger beim Duke Sein elegantes Spiel machte ihn bald zum begehrten Begleiter. Richard Groove Holmes, Charles Earland, Bull Moose Jackson, bald auch Duke Ellington und Ella Fitzgerald, etwas später Oscar Peterson pflegten musikalische Konversationen mit Durham. "Meine größte künstlerische Herausforderung war die Zusammenarbeit mit Peterson. Sie brachte mir auch jede Menge Nominierungen in den Downbeat-Polls ein. Doch mein persönliches Highlight war sicher, ein Stück Weges mit Ellington gehen zu dürfen." Vielseitig bis heute, spielt der vitale 63jährige derzeit ein Album ein, auf dem er nicht nur trommelt, sondern auch singt. "Ich wollte mich nie künstlerisch ganz festgelegt wissen. Als ich 1963 von Paul Williams in die James-Brown-Band geholt wurde und die Gruppe zum Tournee-Aufbruch versammelt war, fuhr Brown in einer Limousine vor. Als ihm Williams die neuen Mitglieder vorstellte, meinte er, als er mich in meinem blauen Anzug und meiner Bebop-Mütze sah, verstimmt: ,Wie der angezogen ist, kann er meine Musik sicher nicht spielen!' Sprach's, sprang in den Wagen und raste davon. - Bald war er begeistert von meinem Spiel, wollte mich länger verpflichten. Ich lehnte nur ab, weil mir seine Musik ein bißchen zu einfach gestrickt war ...."

Bobby Durham spielt mit dem Saxophonisten Red Holloway noch am Donnerstag und am Freitag im Wiener Jazzland.

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21.02.2001 - Kultur News

Reife junge Stimme des Jazz.

Jane Monheit, vielversprechendes Jazzgesangstalent, begeisterte mit plüschigen Balladen im Wiener Jazzland.
VON SAMIR H. KÖCK

Um die nicht gerade klischeefreien Texte des "American Songbook" mit Bedeutung beschweren zu können, muß man in der Regel auf ein einige Jahrzehnte währendes, mit Enttäuschungen, aber auch mit Freuden erfülltes Leben zurückblicken können. Ein junger Jazz-Vokalist ist dabei meist überfordert. All sein Bemühen und seine Konzentration gilt den technischen Aspekten der Interpretation, selten gerät die Bedeutung des Textes in den Fokus des Interesses. So gesehen war die Reife, die Jane Monheit, 22jährige Jazzsängerin aus Long Island, bei ihrem Wiener Debüt ausstrahlte, erstaunlich. Zwischen Ella und Billie In einem wohl ausgewogenen Programm, das zwischen der energetischen Fröhlichkeit einer Ella Fitzgerald und den dunkleren Rändern der Intonationskunst einer Billie Holiday pendelte, bewies Monheit, daß es auch in jungen, glücklichen Menschen eine ahnungsvolle Schicht geben kann, getränkt von einem tiefen Wissen um Schmerz und Schicksal. "Alle, die meine Stimme nur aus dem Radio kennen", erklärte sie der "Presse", "glauben, daß ich wesentlich älter bin. Der lyrisch-dramatische Aspekt bei der Balladeninterpretation gehört für mich zu den größten Herausforderungen auf der Bühne." Als ehemaliger Schülerin der "New York Voices", die in ihrer Kindheit Bluegrass und Jazz aufsog wie andere Cartoons, ist Monheit Lampenfieber fremd. So beirrte es sie auch nicht, bei der "Thelonious Monk Jazz Vocal Competition" 1998 vor einer Jury zu singen, die aus erfolgreichen Jazzvokalisten von Dee Dee Bridgewater bis Diana Krall bestand. Die damals Zwanzigjährige belegte schließlich hinter der fast 40 Jahre älteren Terry Thornton Platz zwei. Das brachte ihre Karriere ins Rollen. Ein Engagement bei T. S. Monk, Sohn des legendären Pianisten Thelonious, folgte. Für ihre Debütplatte "Never Never Land" konnten der namhafte Produzent Joel Dorn (Atlantic, 32 Jazz) und Jazzstars von Ron Carter bis Kenny Barron gewonnen werden. Monheit besitzt eine sehr natürliche Ausstrahlung, ihre Live-Atouts sind eine blendende Intonationssicherheit und das Talent, sich auf wenige, teilweise sehr originelle Noten zu konzentrieren. In ihren drei Sets bestrickten besonders die souverän hingehauchten Bossas aus der Feder Antonio Carlos Jobims, die flott und fröhlich gegebenen Standards "Please Be Kind" und "My Foolish Heart", vor allem aber die melodramatischen Balladen wie "The Meaning Of The Blues" und "I'll Be Seeing You". Stürmischer Applaus.

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24.01.2001 - Kultur News

Der Jazz rasselt, atmet, seufzt - er lebt also noch!

Steve Wilson bewies im Wiener Jazzland, daß Saft und Kraft auch dem zeitgenössischen Jazz nicht fremd sind.
VON SAMIR H. KÖCK

Der Jazzer ist des Jazzers Wolf. Oft sind die größten Feinde des Jazz innerhalb der Jazz-Gemeinde zu finden. Die offensichtlich unausrottbare Ansicht, daß früher alles besser war, wird von jeder neuen Generation von Musikern, Musikliebhabern und -kritikern aufs neue postuliert. Aktuelles Beispiel: Ken Burns Filmdokumentation "Jazz", die als bedeutsam nur Werke anerkennt, die vor 1960 entstanden sind. Eine Sicht, die entweder auf Ahnungslosigkeit oder Bosheit zurückzuführen sein muß. Ein anderes, vor allem in Europa häufiges Vorurteil will, daß der aktuelle amerikanische Jazz steril sei, nur lasche Imitation mystifizierter Helden wie CharlieParker, Lester Young, Theolonious Monk oder John Coltrane. Daß dem nicht so ist, bewies der imposante Aufstieg neuer Stars wie Brad Mehldau, Joshua Redman, James Carter oder Greg Osby. Auch Steve Wilson, ein junger Alt- und Sopransaxophonist aus Virginia, der sich Sicherheit und Können u. a. an der Seite von Chick Corea, Dave Liebman und Don Byron holte, zeigte mit einem sehr vielseitigen Set, daß Beseeltheit und Virtuosität auch im zeitgenössischen Jazz eine große Rolle spielen. Während europäische Jazzer ihre Kreativität eher im Konzeptionellen ausreizen, verarbeiten die Amerikaner erst ein gewisses Erbe im Bereich Virtuosität. So dauert es eben seine Zeit, bis sich junge Spieler von ihren Vorbildern lösen. Wilson, selbstbewußt: "Der wahre Zweck des Musikerlebens ist doch, eine eigene Stimme zu entwickeln. All die großen Meister von Wayne Shorter bis John Coltrane sind schon an wenigen Noten zu erkennen. Das ist selbstverständlich auch mein Ziel!" Das Konzert, ganz im Zeichen der Präsentation der aktuellen CD "Passages", hob an mit einer feurigen Version von "Turnin' the Corner", ehe man sich auf stimmungsvoll Balladeskes und lebhaft Folkloristisches einließ. Eine lakonische Adaption von Keith Jarretts "Days and Nights waiting", eine schwül aufgeladene Moll-Wolke namens "Grace", das mit Steeldrum-Sounds versetzte "Kochabamba" oder auch die Straight-Ahead-Attitude "The Lexter" - egal in welchem Idiom, das Zusammenspiel des jungen Quartetts, aus dem vor allem Pianist Bruce Barth herausstach, war von beeindruckender Tiefe. Diese Musik schnaufte, rasselte, seufzte und atmete - er muß also noch leben, der Jazz.

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06/2000 - Österreich-Journal

Ken Peplowski live im Jazzland

Der amerikanische Klarinettist von Weltrang gastierte in Wien und begeisterte in Sessions mit der Storyville Jazzband. Von Theo Brinek.

Brinek: Herr Peplowski, ich habe Ihrer Musik zugehört und besonders Ihr Sound im "Society Rag" erinnert mich sehr an klassische Interpretationen. Kommen Sie aus der Klassik?

Peplowski: Ja, das ist richtig. Ich habe mit der Klassik angefangen, ich habe Klassik studiert. Auch heute noch, wenn ich übe, ist das großteils mit klassischer Musik. Vieles davon wird beim Improvisieren - beim Jazz - verwendet und ist anwendbar.

Brinek: Ich vermute, ich habe Sie schon gehört und gesehen. Und zwar in einem Konzert mit Benny Goodman. Es war großartig.

Peplowski: Ja, ich habe mit Benny gespielt.

Brinek: In einem Open Air Konzert in Toronto, Ontario?

Peplowski: Mein Erinnerungsvermögen mit Auftrittsterminen und dergleichen, ist ziemlich schlecht. Aber das kann durchaus sein. Ich bin sicher, wir haben dort einmal gespielt.

Brinek: Das war übrigens das einzige Mal, daß ich Benny Goodman "live" spielen hörte. Es war einfach "fantastic". Menschen zwischen 14 und 74 waren voll dabei. Jeder war im Rhythmus.

Peplowski: Benny ist der Grund schlechthin, warum wir alle, praktisch jeder, Klarinette spielen. Er war die große Inspiration.

Brinek: Kam nicht auch Benny Goodman aus der klassischen Schule?

Peplowksi: Natürlich, er kam aus der Klassik.

Brinek: Ich habe eine alte Aufnahme von ihm gehört, Mozarts Klarinetten Konzert.

Peplowski: Die meisten der wichtigen klassischen Klarinettenwerke des 20. Jahrhunderts waren von ihm gefördert, ja entstanden sogar unter seinem Auftrag. Er war ein großer Einfluß, nicht nur für Jazz, sondern auch vor allem für die Klassik.

Brinek: Wenn man Goodmans Interpretation von Mozarts Klarinetten Konzert hört, klingt es ein bißchen schärfer ....

Peplowski: Das ist richtig, er verwendete oft das Vibrato, das viele nicht so einsetzen. Ich allerdings finde es eher erfrischend. Er spielte diese Musik vielleicht wie sie ursprünglich gedacht war, mehr wie einen Gesang, mehr wie eine Melodie. Heute wird das von klassischen Musikern seziert, die Musik klingt oft sehr klinisch. Er spielte mit mehr Gefühl, was immer.

Brinek: Er war nicht mehr ganz jung, als ich ihn sah.

Peplowski: Oh Gott, es gab Abende, da war er immer noch in der Lage, uns alle "von der Bühne wegzublasen". Er konnte sicherlich das aufdrehen, wenn er es wollte.

Brinek: Sie sind ursprünglich aus Cleveland und sind dann nach New York gezogen?

Peplowski: Ich bin jetzt seit zirka 20 Jahren in New York. Das ist immerhin noch eine der großen Städte für Musik.

Brinek: Sie haben eine Band in New York?

Peplowski: Ja, ich habe ein Quartett, manchmal ein Quintett mit einem Gitarristen, Howard Alden.

Brinek: Gibt es einen Klub, in dem Sie regelmäßig auftreten?

Peplowski: Ich trete praktisch in allen Klubs in New York auf, im "Jazz Standard", "Blue Note", etc. Ich bin aber auch viel unterwegs.

Brinek: Ich habe einen Anwalt-Freund in New York, der Jazz Musiker ist: Hayes Kavanagh.

Peplowski: Ja ich kenne Hayes. Ich war überrascht über seine Musik! Das letzte Mal, als ich in Wien war, war er auch da.

Brinek: Das ist also nicht Ihr erster Besuch hier?

Peplowski: Ach nein, ich habe oft hier gespielt. "This is a great place". Dieses Jazzland ist das, was sich die Menschen unter einem Jazzclub vorstellen.

Brinek: Wir alle hoffen, daß das Jazzland noch lange bestehen möge. Es existiert ja schon eine lange Zeit.

Peplowski: Na, ich glaube, er macht sein Geschäft ganz gut.

Brinek: Es funktioniert mit viel Idealismus.

Peplowski: Ich meine, daß dies der Fehler ist, der vielen unterläuft: die Erwartung, schnelles Geld zu verdienen. Und das geht mit Jazz nicht. Man tut es, wie man die Musik mag. Es braucht einfach diesen Idealismus. Alle Klubs, die durchgehalten haben und schlußendlich auch finanziellen Erfolg hatten, basieren auf Interesse, ihrer Liebe zu dieser Musik. Hier werden nicht Aktien über Internet verkauft.

Brinek: Sie spielen hier noch morgen Abend. Dann geht es zurück nach Amerika?

Peplowski: Nein, ich werde wieder in England auftreten wo ich auch letzte Woche war. Dann fliege ich zurück nach New York.

Brinek: Wo werden Sie in England auftreten?

Peplowski: Da gibt es ein Lokal, "Pizza on Dean Street", das ist ein Jazz Club, den es schon lange gibt, ein wunderbares Lokal. Ich kann das nur empfehlen, dort gibt es immer sehr gute Musik.

Brinek: Wann kommen Sie wieder nach Wien?

Peplowski: Ich versuche das immer mit anderen Programmen zu koordinieren. Wahrscheinlich wird es gegen Ende dieses Jahres, oder am Anfang des nächsten Jahres sein.

Brinek: Ich danke für das Gespräch und hoffe, wir sehen uns sehr bald wieder.

Peplowski: Thanks a lot, it was great fun talking with you!

© Österreich Journal | Theo Brinek


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08.06.2000 - Kultur News

Stolzer Absolvent der Universität Ellingtonia

Clark Terry und Red Holloway begeisterten im Wiener Jazzland mit traditionellem Jazz vom Feinsten.
VON SAMIR H. KÖCK

"Nein, nein, nur keinen Soundcheck. Das ist Vergeudung von Zeit und Energie! Welche Stücke wir spielen? Laßt euch überraschen, es macht viel mehr Spaß, wenn ihr es erst auf der Bühne erfahrt ...." Walter Großrubatscher, heimische Schlagzeuggröße, mochte all seinen Charme aufbieten und dezent auf die Bedürfnisse der Harmonieabteilung des Erwin Schmidt Trios hinweisen - der alte Mann blieb hart. Vom legendären achtzigjährigen Trompeter Clark Terry, der mit allen Größen von Charlie Parker bis Lester Young, von Thelonious Monk bis Horace Silver, von Count Basie bis Duke Ellington musiziert hat, war einfach keine Vorabinformation herauszuquetschen: Improvisation pur! Gut gelaunt stimmten Terry und der zweite Star des Abends, der Saxophonist Red Holloway, den Klassiker "Makin' Whopee" an. Den guttural klingenden, im Bluesidiom köchelnden Soli Holloways setzte Terry mit seinen vollmundigen Soloexkursionen noch eins drauf. Hatte der Alte auch schon etwas Mühe die Bühne zu erklimmen - einmal die blaue Trompete angesetzt, schienen Tourneemühsal und Alter abgefallen. Mit überraschend kraftvollem, hell gleißendem Ton machte Terry bereits in der Eröffnungsnummer klar, warum er es wie kein anderer Trompeter geschafft hat, die Tradition eines Louis Armstrong weiterzuführen, zugleich aber auch sehr viel Eigenes einzubringen. Erroll Garners "Misty" wurde attraktiv gegen den Strich gebürstet präsentiert, mit "Mood Indigo" ging es munter weiter im Ellington-Repertoire. "Ich bin stolz darauf, auf die Universität Ellingtonia gegangen zu sein!", meint der aus St. Louis gebürtige Terry über seine neun Jahre beim Duke, mit dem er so epochale Alben wie "Black, Brown & Beige", "Live at Newport" oder die Shakespeare-Hommage "Such Sweet Thunder Suite" einspielte. "Bei der Shakespeare-Platte teilte mir der Duke die Rolle des Puck zu. Das gefiel mir, ein Narr zu sein, der höhere Einsichten mitteilt. Überhaupt ist Humor eine Tugend, die viel zu selten im Jazz ist. Es hat doch jeder Probleme, beim Jazz sollte man sie vergessen können!" So erklärte Terry im "Presse"-Gespräch sein Credo, das er wenig später umsetzte, indem er den von ihm entwickelten "Mumble"-Gesang, ein Gemisch aus klar intonierten Nonsense-Silben und fragmentarischen Lyrics, anstimmte. In einem Vokal-Duell mit dem konventionell scattenden Red Holloway plauderte man über die Vorzüge einer Dame. Wohl verstand keiner im Auditorium ein einziges Wort, dennoch wußte jeder, worum es ging. Weitere Höhepunkte des Abends: eine deliziöse Version von "Day Of Wine And Roses", ein rasantes "It Don't Mean A Thing", das von einem Publikumschor verzierte "Bye Bye Blackbyrd". Großer Jubel belohnte auch das überaus beherzt spielende Erwin Schmidt Trio.
Clark Terry und Red Holloway mit dem Erwin Schmidt Trio sind noch bis Freitag im Wiener Jazzland zu hören.

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18.11.1999 - Kultur News

Momente der Wahrhaftigkeit im Jazz

Melissa Walker, junge Vokalistin mit großer Zukunft, erfreute im Wiener Jazzland.
VON SAMIR H. KÖCK

Ihre Eltern sahen für sie eine Laufbahn im Bereich der Juristerei vor. Die geborene Kanadierin Melissa Walker hörte jedoch auf ihre innere Stimme und begann eine Karriere als Sängerin. Trotz all der Unwägbarkeiten und Probleme, die damit verbunden sind und der Tatsache, daß sich ihr Instrument, die ausdrucksstarke, dunkle Stimme etwas Zeit ließ, zur vollen Blüte zu gelangen. Im Wiener Jazzland präsentierte sich Melissa Walker, deren Vorbilder Billie Holiday, Carmen McRae und Dina Washington sind, von ihrer besten Seite. Von Beginn an eindrucksvoll waren ihre bedachtsame Liedauswahl, die von der Intonation von Klassikern von Jerome Kern bis Billy Strayhorn bis zur Interpretation von Popsongs à la "Seventeen" von Ian Janis reichte, sowie eine imposante Bühnenpräsenz, die es der jungen Sängerin erlaubt, angstfrei in die Struktur ihrer Lieder einzudringen und dieselben von Grund auf neu zu gestalten. Über allem jedoch stand ihre dunkle Stimme, die von zartem Liebesflehen bis zu rauhen, kehligen Passagen alle Nuancen des Emotionalen souverän zu intonieren in der Lage war. Nie verirrte sie sich in selbstgefällige, gurrende Vokal-artistik, stets blieb sie Dienerin der Texte und der reichhaltigen Melodien. Künstlerisch gefördert durch den Saxophonisten Gary Bartz, einen seit Mitte der sechziger Jahre wesentlichen Protagonisten eines die soziale Zustände reflektierenden Jazz, schreibt Walker auch gehaltvolle Texte, orientiert sich dabei an Nina Simone und Abbey Lincoln. Eindrucksvoll demonstrierte sie dies in "Portrait of Equinox", einer Komposition, die John Coltranes "Equinox" weiterentwickelte. Andere Höhepunkte dieses Abends: das Betty Carter zugeeignete sanft swingende "If I should lose you", die zwischen Humor und Tragik pendelnde Horace Silver-Jon Hendricks-Komposition "Come on home" oder auch Kenny Barrons sophistisches "Come to me". Am Klavier brillierte Makoto Ozone, Kiyoshi Kitagawa erwies sich als großer Könner am Baß, Clarence Penn versorgte zurückhaltend mit Rhythmen. "Moment of Truth" heißt ihre aktuelle CD, und darum geht es auch bei ihren Live-Auftritten: um große Momente, in denen Kunst und Wahrhaftigkeit kein Widerspruch sind. Großer Jubel!

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07.10.1999 - Kultur News

Lyrische Tiefe und sanfter Swing

Art Farmer, Jazztrompeter mit Wahlheimat Wien, ist 71jährig einem Herzversagen erlegen.
VON SAMIR H. KÖCK

"Ich wollte stets, daß meine Musik so klingt, als würde ich entspannt dasitzen und durch mein Instrument mit einer einzigen Person plaudern." So beschrieb Art Farmer einmal die Basis der legendären Intimität, die seine Konzerte und Plattensessions auszeichnete. Lyrische Tiefe und sanfter Swing waren Trademarks seiner Musik, mit stoischer Gelassenheit, wenngleich nicht unbedingt der heiterer Art, verbarg er seinen wachen Geist, der sich in über 100 Platteneinspielungen eindrucksvoll entfaltete. Die noble Einstellung, daß die Musik stets für sich sprechen sollte, verhinderte vielleicht den ganz großen Durchbruch des 1928 in Council Bluffs, Iowa geborenen Meistermusikers. Seine erste Plattenaufnahme machte er 1948 mit dem Charlie-Parker-Entdecker Jay McShann. 1953 schloß er sich Lionel Hamptons Bigband an, 1956 spielte er bei Horace Silver, 1958 bei Gerry Mulligan. Eine experimentelle Phase mit Kollaborationen mit Teddy Charles, Teo Macero, George Russell folgte. Ersten Ruhm erntete er mit den Soloalben "Work of Art" und "Farmers Market". Für "Modern Art" konnte er Bill Evans zu einem seiner seltenen Auftritte als Sideman gewinnen. Mit dem Art Farmer/Benny Golson Jazztet (bis 1962), dem zeitweilig auch McCoy Tyner angehörte, landete er den Hit "Killer Joe". 1966 kam der Trompeter erstmals nach Europa. 1968 ließ er sich in Wien nieder, wo er in der ORF-Big Band musizierte. Besonders wichtig wurde die Zusammenarbeit mit dem sensitiven Pianisten Fritz Pauer. Seiner innigen Beziehung zu Wien setzte er mit der 1970 mit Pauer und Jimmy Woode aufgenommenen Platte "From Vienna with Art" ein hochwertiges Denkmal. In Axel Melhardts Jazzland war er zweimal jährlich umjubelter Star. Längst zum Flumpet, einem eigens für ihn angefertigten Instrument, gewechselt, gelangen ihm von Wien aus spektakuläre musikalische Coups. Tourneen und Aufnahmen mit Yusef Lateef, Jim Hall und vielen anderen führten ihn bis zuletzt um die Welt. Zu seinem 70. Geburtstag, der groß beim Salzburger Jazzherbst zelebriert wurde, erhielt er das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse. Bei seinem letzten Auftritt in Österreich, am 28. April in der amerikanischen Residenz, erwies er seinem Idol Duke Ellington noch einmal Reverenz. Am Montag ist Art Farmer in New York an Herzversagen gestorben.

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22.09.1999 - Kultur News

Ein Jazzer, der die Beach Boys versteht!

Gitarrist Charlie Hunter begeisterte im Wiener Jazzland.
VON SAMIR H. KÖCK

Ein Zeigefinger im Fokus des Kunstlichts des altehrwürdigen Jazzkellers: Zart tippt er an die Saiten, ein niedlicher Shuffle-Beat sucht sich seinen Weg. Der Schlagzeuger setzt mit Finesse ein, worauf der Mann an der Gitarre behutsam erste Grooves entfaltet: Charlie Hunter, Kalifornier, doch alles andere als ein Sunny-Boy, entwickelt seine Kunst aus Widersprüchen. Zartheit des Ausdrucks steht einem rauhen Erscheinungsbild gegenüber, sein von der ganzen Vielfalt zwischen Pop, Reggae, Funk und Jazz genährter Stil klingt nur vordergründig populär. Mit der gepflegten Fadesse dessen, was man in Amerika "Acid Jazz" nennt, hat Hunters Musik so wenig zu tun wie die Beach Boys der späten sechziger Jahre mit fröhlicher Popmusik. Entsprechend verstörend war Hunters sinistre Interpretation von "Don't Talk" vom Beach-Boys-Album Pet Sounds. Die vielleicht sinnenfälligste Gegensätzlichkeit? Man sieht einen Gitarristen und vermeint (auch dank eines Effektgeräts) eine Hammondorgel zu hören. Organisten wie Jimmy Smith oder Larry Young hätten ihn stark beeinflußt, erzählte Hunter der "Presse": "Auch sie können mit einer Hand die Melodielinien entwickeln und mit der anderen die Baßfiguren spielen." Abwechselnd mit dem Perkussionisten Adam Cruz trug Hunter die Last der Melodie. Das kongeniale Gespann lebte spürbar auf, wenn es mittels zart hoppelnder Rhythmen die Schwermut zerstreute - nur um sich aufs neue der attraktiven Tristesse jazziger Romantizismen hinzugeben. Überraschend viele junge Menschen hatten ins Jazzland gefunden: So verbanden sich die Generationen im Zeichen intellektueller Grooves und sublimer Wehmut.

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24.02.1999 - Kultur News

Jazz, der nicht ironisch lächelt

Mark Turner, ein junger Tenorsaxophonist, der ohne Klischees auskommt, begeisterte mit seinem Quartett im Wiener Jazzland.
VON SAMIR KÖCK

Da hörte wohl so mancher im Publikum seine Jugend an die Schläfen klopfen. Die Luftsäulen, die Tenorsaxophonist Mark Turner seinem Instrument entsteigen ließ, kündeten von einer fernen Zeit, wo das Herbe und das Süße kein Widerspruch waren, sondern nur zwei Spielarten einer Qualität. John Coltrane hieß jener Mann, der es einstvermochte, das Sperrige mit dem Sentimentalen zu verbinden und das Ganze dann ins Spirituelle zu wenden. Von letzterem ist der 34jährige ehemalige Sideman von Jimmy Smith und James Moody noch ein Stück weit entfernt. Was aber bei seinem Debüt im Wiener Jazzland sofort angenehm auffiel, war die Absenz jeglicher Ironie, die so viele der jungen Jazzgeneration für unerläßlich halten. Sehr ernsthaft präsentierte sich das Mark Turner Quartett. Konzentriert wurden in harmonischer wie rhythmischer Empathie aufregend neue Pfade im Dschungel der Improvisation beschritten, die zu Lichtungen großer Schönheit führten, von denen aus sich der Geist der Schwere himmelwärts bewegen konnte. Zu keinem Zeitpunkt der Darbietung hatte man den Eindruck, daß Coltranes Gewicht auf den Schultern von Turner lasten würde. Dieser Mann spielt sich locker von seinen Einflüssen frei, in dem er nach innen hört und in traumwandlerisch wirkendem Zusammenspiel mit dem grandiosen Gitarristen Kurt Rosenwinkel, eine Musik auf den Weg bringt, die ohne Klischees und Repetitionen auskommt. In einer Zeit, in der aus wirtschaftlichen wie aus narzißtischen Gründen die solipsistische Arbeitsweise der elektronischen Musik auch schon in den Jazz hinüberleckt, ist es überaus beruhigend, Ensembles zu hören, die wie das Turner Quartett Musik aus einem kollektiven Lernprozeß schöpfen. Wie diese Formation Duke Pearsons Ballade "You Know I Care" zum Schimmern brachte, wie sublim Kurt Rosenwinkel und Turner mit dem Beatles-Schlager "She Said, She Said" umgingen und wie vor allem die Eigenkompositionen von Mark Turner das Attraktive sperrig wie das Sperrige attraktiv transportierten, zeugte von Weltklasse. Mark Turners Musik ist von einer Kraft und Güte, die ohne Vorbild auskommt.

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27.01.1999 - Kultur News

Junger Jazz ohne rotes Fleisch

Don Braden im Wiener Jazzland: ein Saxophonist der jungen Generation, der aber kein "junger Löwe" sein will.
VON SAMIR H. KÖCK

Saxophonspielen bedeutet für die jüngere Generation Amerikas Verhaftetsein in der expressiven Formensprache John Coltranes. Doch während die meisten der sogenannten Young Lions in diese Sonne stürzen, indem sie den Meister - wohl auf technisch hohem Niveau - allzusehr imitieren, weiß Don Braden sich und sein Spiel zu zügeln. Er vermeidet rotes Fleisch: Dieser kryptische Satz, auf seiner Homepage zu finden, weist darauf hin, daß er sich nicht den jungen Löwen zurechnet. Während des Konzerts stieg der junge Tenorsaxophonist immer wieder in den Zuschauerraum herab, um die Soundqualität zu prüfen, hatte er sich doch dazu entschlossen, ein rein akustisches Konzert zu geben. Erst als er sicher gehen konnte, daß jeder Zuhörer seiner Kunst optimal zu folgen in der Lage war, begann Braden seinem Horn anspruchsvolle Soli zu entlocken. Ein Temperamentbündel ist der Harvard-Absolvent, der sich auch als Computerprogrammierer für Konzerne und Banken einen Namen gemacht hat, ja nicht gerade. Vordergründige Schnellspieltechnik und Phrasendrescherei sind seine Sache nicht. Don Braden verfügt über einen souveränen Ton, der niemals ins Ekstatische ausgreift.

Understatement im Spiel -Seine ökonomische Spielweise, stets zum Melodischen hingelehnt, war ein Inbegriff von Understatement. Alles Raffinierte war gut getarnt, das einfach Wirkende in den Vordergrund gestellt. Seine Formation ging überaus sublim zu Werke: Pianist Xavier Davis, Bassist Richie Goods und Schlagzeuger Cecil Brooks III wirkten wie eine aktuelle Version der "Three Sounds". Luftige Grooves und vertracktes Spiel: Klug wechselten brillante Solo-Einschübe und mannschaftsdienliches Begleitspiel. Elegant spielte man sich durch Klassiker von Hank Mobley bis Sam Rivers. Die Eigenkompositionen Don Bradens, der auch eine Zeit lang musikalischer Leiter der Bill-Cosby-Show war, hielten dem Vergleich mit dem älteren Material stand. Souverän zwischen den Substilen des Mainstream pendelnd, war dann der trockene Groover "Where there's Smoke" der energetische Höhepunkt. Lange vor dem krönenden Abschluß, einer spannungsgeladenen Adaption von Dexter Gordons "Fried Bananas", war klar, daß auch Wassertrinker wie Braden einen Jazz-Bierkeller enthusiasmieren können.

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22.01.1999 - Kultur News

Den Manualen treu: Eine Frau und ihre Orgel

Barbara Dennerleins Hammondorgel-Jazz faszinierte im Wiener Jazzland.
VON SAMIR H. KÖCK

"Auch wenn sich viele an den Kopf griffen und fragten: Was will das Mädchen mit dem Monstrum? - der rauhe Klang der Hammond B-3 war immer mein Sound." Treue ist eine der hervorstechendsten Eigenschaften Barbara Dennerleins. Auch in Zeiten, da die Hammondorgel nicht gerade Hochkonjunktur hatte, tändelte sie nur kurz mit Synthesizern und Pianos. Und so machte sich die deutsche Organistin daran, das bunt zusammengewürfelte Publikum zu einen. Der zeitlose Sound der B-3 riß mühelos die Generationsgrenzen nieder. In die Jahre gekommene Swing-Fans nickten Seite an Seite mit jungen Groove-Freunden zu den dem Holzkasten entweichenden Schwaden rauchiger Funkyness. Die Dennerlein und das Jazzland - das hat Tradition. Seit 1988 gastiert die Münchnerin regelmäßig in Axel Melhardts Etablissement. So war's dann auch kein Malheur, als bei der Ansage das Mikrophon streikte. In bester Praterausrufermanier pries der Hausherr die Virtuosin, die an diesem Abend nur mit dem sehr abwechslungsreich spielenden Perkussionisten und Schlagzeuger Daniel Messina antrat. Das Eröffnungsstück "Blues March" klang noch eher gemächlich. Doch bereits die zweite Nummer, die Eigenkomposition "Fly Away", die an den treibenden Hammondorgel-Soul eines Booker-T erinnerte, machte gehörig Stimmung. Niemand enthemmt die Zugriegel so charmant, niemand traktiert die Manuale so gut gelaunt wie die Dennerlein. Am eindrucksvollsten ist ihre Beinarbeit: Trotz der Bürde des Stöckelschuhs fliegen ihre Beine über die Pedale und erzeugen vertrackte, dennoch luftige Baßsoli. Eine gut abgehangene Mischung aus bluesgetränkten Balladen und würzigen Uptempo-Nummern, aus Jazzklassikern wie Sonny Rollins' "Pent Up House" und jeder Menge gut gebauter Eigenkompositionen ließen das Stimmungsbarometer in die Höhe schnellen. Vielversprechend die Nummern der nächsten CD "Passion", die Dennerlein im Februar mit einer internationalen Spitzentruppe aufnehmen wird. Wie sich das energetische "Trip Trap" oder der bluesige Walzer "Frog Dance" ausnehmen, wenn sich Größen wie Don Alias, Antonio Hart oder auch Ray Anderson musikalisch einmengen, darauf kann man gespannt sein. Ob man sie in Wien auch einmal mit großer Band hören kann, das steht in den Sternen. Dennerlein: "Ich bin ein bißchen allergisch auf die Amerikanergläubigkeit bei den Veranstaltern. Als europäische Musikerin bekommt man das wirklich zu spüren, daß man häufig nach der Nationalität eingestuft wird, und nicht nach der musikalischen Qualität. Und das macht das Leben ein bißchen schwer." -Barbara Dennerlein spielt noch heute, Freitag, ab 21 Uhr im Jazzland.

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23.10.1998 - Kultur News

Jazz: Hier Seelenruhe, dort Soul-Samt

Saxophonkönner der jungen Generation erfreuten im Reigen und im Jazzland.
- VON SAMIR H. KÖCK -

Hohles Ploppen, hölzernes Pochen, fett klingende Baßlinien: Mit ungewohnt üppigem, unwiderstehlichem Groove eröffnete die Rhythmusgruppe. Saxophonist Steve Coleman setzte über dieses dichte Geflecht wohltönender Schläge, seine typischen schleifenartigen, sehr kühl klingenden Figuren. "The Law", so der Titel dieser nüchternen Präambel, war der Ausgangspunkt einer Reise, die die Kosmogonie alter Niltal-Zivilisationen, das mystische Geheimswissen afrikanischer Kulturen von Yoruba bis Ngbe, die Weisheit jüdischer, mesopotamischer und griechischer Kultur in musikalische Form brachte. "Das Rad der Natur", "Regeneration", "Der Erste Grund" oder auch "Seelenruhe und Chaos" hießen Abschnitte der tönenden Untersuchung. Die Musik vom bloßen Entertainment wegzubringen, ist an sich das Ziel Colemans. Daß er mit Rosangela Silvestre eine Ausdruckstänzerin einsetzte, überraschte da etwas - vielleicht war das die Kompensation für das vom Künstler verhängte Rauchverbot im Saal. Während Coleman konsequent verjazzte Zahlenmystik extemporierte, sorgte die bloßfüßig tanzende Silvestre mit ihrer Darstellung von "Phi" (so ein Titel) für ein gerüttelt Maß an Sinnlichkeit. Tags zuvor und ganz konträr: der Impulse-Nachwuchs-Saxophonist Gregory Tardy im Jazzland. Tardy, dessen Debütalbum "Serendipity" Könner wie Pianist Mulgrew Miller und Trompeter Tom Harrell veredelten, überraschte mit extrem flüssigem Spiel. Seine bluesgetränkten Eigenkompositionen klangen im Klub bedeutend lebendiger als auf Platte. Monk's "Ask Me Now" und eine originelle Version von "Whenever, Wherever, Whatever", einer samtigen Hymne von Soul-Star Maxwell, waren die Höhepunkte seines Sets. Das brillante Spiel von Pianist Aaron Goldberg hob das Niveau beträchtlich. Heftiger Applaus.
sam

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01.10.1998 - Kultur News

Blauer Sommerschein auf Höhen der Jazzgeschichte

Baßlegende Jimmy Woode begeisterte im Jazzland.
-VON SAMIR H. KÖCK -

"Jazz, Jazz, Jazz!" - seufzte der kleine Mann leidenschaftlich: "Wie wir dich lieben und dabei nicht einmal Geld dafür bezahlen müssen ...." Die zahlreich herbeigepilgerte Hörerschaft zahlte hingegen gerne, wußte sie doch, wofür der Name Woode bürgt. Der jugendlich wirkende frischgebackene Siebziger begleitete noch die großen Sängerinnen Billie Holiday, Ella Fitzgerald und Sarah Vaughan, arbeitete mit den Innovatoren Charlie Parker, Miles Davis und Duke Ellington, begründete die Clarke-Boland-Big-Band mit und musizierte überdies mit zahllosen anderen Größen des Jazz von Sidney Bechet über Ben Webster zu Dexter Gordon. Eine schwelgerische Reise in die Vergangenheit, als Swing und Hard Bop die Jazzclubs noch mit satter Mehrheit regierten, war angesagt. Mit gezielten, sehr energischen Attacken des Saxophons erhob man sich in die Lüfte und wippte schließlich grüßend mit den Tragflächen aus den Höhen der Jazzmusikgeschichte. "Cottontail" hieß das erste Stück, dargeboten von Woodes neuer Formation "Jazz A'Plenty". Mit dunklem Timbre und überzeugendem Timing entführte Woodes Tochter, die Sängerin Shawn Monteiro, in die azurblauen Weiten Ellington'scher Raffinesse und Gershwin'scher Eleganz. In dieser Sphäre aufgesogenen Sternenlichts glimmten die blauen Flammen von "Summertime", wurde die abgeklärte Tristesse von "I'm coming home" zum rot verglühenden Feuerball. Monteiro mußte ihre seelische Verwandtschaft zu Sängerin Carmen McCrae gar nicht verbalisieren. Sowohl in Stimmführung wie auch im Habitus wirkte sie wie eine Schwester dieser Jazzvokal-Legende. Die von ihr dargebrachte Eigenkomposition "Will you go?" hatte den Zauber einer Liebkosung, die gewillt war, eine gefährdete Liebe zu retten. Ungeachtet der jeweiligen dramatischen Texte grimassierte und brummelte Jimmy Woode wohlgelaunt zu seinem treibenden Baßspiel. Seinen hervorragenden Mitspielern, Saxophonist Andy McGhee, Schlagzeuger Keith Copeland und Pianist Dado Moroni demonstrierte er das, was sein ehemaliger Bandleader Duke Ellington in seiner Autobiographie so festhielt: "In welche harmonische oder melodische Richtung wir uns auch bewegten - Jimmy Woode war immer schon da." Großer Jubel!

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Sommer 1998 - UP - Bordmagazin der Lauda-air

ART FARMER - DER ALTE LÖWE

Ohne spektakuläres Blendwerk hat sich Trompeter Art Farmer einen gediegenen Logenplatz in der Jazzgeschichte erspielt. Seit dreißig Jahren ist er Wahlwiener.
von Sven Gächter, Fotos: Carlos de Mello auf "Raritäten Seite 5"
(english >>)

Art Farmer spricht, wie er spielt: ohne Schlenker und Schnörkel. Er läßt sich Zeit, um den richtigen Ton zu finden, und manchmal muß man ziemlich genau hinhören, um ihn nicht zu verpassen und mit aller gebotenen Andacht zu würdigen, wie traumwandlerisch perfekt er sitzt, wie ein handgenähter Knopf bei einem Zweireiher von Brioni. Art Farmer macht kein großes Aufhebens, weder von seiner Person noch von seiner Musik. Er vertraut auf die Schwerkraft des Beiläufigen und darauf, daß seine Zuhörer das nicht mit Beliebtheit verwechseln. Farmer ist kein Blender, sondern ein praktizierender Anwalt der Gelassenheit, und wie wenige vor und nach ihm hat er diese Qualität auf seinem Leibinstrument, dem Flügelhorn, zur Perfektion getrieben.

Daß Farmer in seinen Anfängen, vor über fünfzig Jahren, als er sich in den Clubs von Los Angeles und später New York seine Sporen abverdiente, keinen Trompeter so rückhaltlos verehrte wie Bebop-Pionier Dizzy Gillespie, erscheint im Rückblick als jazzhistorischer Treppenwitz. Jazzlexika preisen Farmer als Meister des lyrisch-gepflegten Understatement, der entspannten Phrasierung und des samtenen Timbres: keine Spur von der eruptiven, in den höchsten Registern kreißenden Parforce-Akrobatik eines Gillespie oder Freddie Hubbard. "Ich habe lange gebraucht, um meinen Ton zu finden", sagt Farmer, und als er ihn schließlich gefunden hatte, verfeinerte er ihn an der Seite von Jazzlegenden wie Lionel Hampton, Horace Silver, Gerry Mulligan und George Russell. 1950 gründete er mit dem Tenorsaxophonisten Benny Golson des legendäre Jazztet und nach dessen Auflösung 1962 ein vielgerühmtes Quartett mit dem Gitarristen Jim Hall.

1968 kam Farmer zum ersten Mal nach Wien, auf Einladung von Friedrich Gulda, der illustre Juroren für einen Jazz-Wettbewerb suchte und gleich einen Kontakt zum ORF-Radio-Orchester vermittelte. Eigentlich wollte Farmer nicht mehr als drei Wochen in Wien bleiben - es wurden dreißig Jahre daraus. "Die Menschen in Wien wirkten so zivilisiert", sagt Farmer. Im Gegensatz zum andern großen "jazz exile" Dexter Gordon, der von 1962 bis 1976 in Europa lebte, flüchtete Farmer weniger vor den Fährnissen des amerikanischen Jazz-Business als vor einer höchst angespannten gesellschaftspolitschen Situation. "Bei uns herrschte eine Zeit großer Unruhen". Die Bürgerrechtsbewegung erreichte mit dem Mord an Martin Luther King ihren tragischen Höhepunkt. Farmer, zwar kein unpolitischer Mensch, "aber doch in erster Linie Künstler", beschloß, in Wien zu bleiben, "weil ich mich hier besser auf die Musik konzentrieren konnte als in meiner Heimat. Es war einfach friedlicher." Und es war, nicht zuletzt, der Ort, wo Farmer seine spätere Frau kennenlernte.

Art Farmer gehört nicht zu den Titanen seines Metiers. Im ewigen Jazz-Olymp rangiert er ein, zwei Etagen unter Jahrhundertwende wie Louis Armstrong, Dizzie Gillespie, Chet Baker oder Miles Davis. Farmers besondere Position in der Jazzgeschichte erklärt sich daraus, dass er immer schon da war, solange man im modernen Jazz zurückdenken kann und daß er sein Format und seinen Stellenwert nie überschätzt hat. "Manche verfügen über ein gottgegebenes Genie", anerkennt Farmer neidlos. "Andere, mich selbst eingeschlossen, brauchen viel Zeit, um ihre eigene Sprache zu finden."

Wenn sich, meint Farmer, in den über fünfzig Jahren seiner Karriere im Jazz etwas verändert habe, dann vor allem, daß man jungen Musikern diese Zeit heute nicht mehr zugestehe. Im Fahrwasser von Trompetengenie Wynton Marsalis wimmelt es heute von aufstrebenden, ehrgeizigen Talenten, die an feinen Konservatorien das Jazz-Idiom bis in die letzten Verästelungen studiert und sich dabei scheinbar grenzenlose technische Fähigkeiten angeeignet haben, nur leider oft keinen Hauch von Individualität. Die smarten, Armani-gezwirnten Young Lions, wie sie in der Branche genannt werden, beherrschen zwar jedes Solo von Charlie Parker, John Coltrane und Miles Davis im Schlaf, kommen aber vor lauter reproduktiver Brillanz gar nicht dazu, zu einer eigenen Sprache zu finden. So hat sich der Jazz der neunziger Jahre selbst in die Sackgasse manövriert: Supertechniker, wo man hinhört, und einer klingt wie der andere, nämlich wie ein großes, meist längst verstorbenes Vorbild.

"Ich habe", sagt der Veteran, "den großen Vorteil, schon lange dabei zu sein und mich nicht mehr bewähren zu müssen." Art Farmer hat die Ruhe weg, und er kann es sich leisten. Er hat es geschafft, ganz wie er selbst zu klingen, und daß ihm manche der jungen Löwen technisch turmhoch überlegen sind, kann ihn nicht erschüttern. Im Jazz zählt der individuelle Sound, und spätestens seit Thelonious Monk und Miles Davis weiß man, daß der Weg dorthin nicht zwangsläufig über Hochleistungsturnen führt.

Farmer mußte in jungen Jahren als Krankenpfleger und Toilettenputzer jobben, um sich über Wasser zu halten. Trotzdem möchte er nicht mit den heute ungleich komfortabler dotierten jungen Löwen tauschen. "Meine Lehrer waren die größten Jazzer, und sie waren glücklich, wenn sie den Nachrückenden helfen konnten. Es gab keine Frage, die sie nicht beantwortet hätten. Man mußte nur genau wissen, welche Fragen man stellte." Wenn man Shooting-stars wie Roy Hargrove oder Wallace Roney hört, zweifelt man, ob sie je dazu gekommen sind, die richtigen Fragen zu stellen, und sei es auch nur sich selbst.

Farmer, der im August seinen siebzigsten Geburtstag feiert, schätzt sich glücklich, seit gut vierzig Jahren leidlich von seiner Musik leben zu können, ohne den Verlockungen der Pop-Industrie erlegen zu sein. Wobei er einräumt, daß die Argumente der Pop-Industrie sehr überzeugend sein können. "Fünf Prozent meiner Arbeit sind vielleicht für Jobs draufgegangen, bei denen es ausschließlich darum ging, Geld zu verdienen." Doch die wenigen Projekte, mit denen er gezielt Marktbedürfnisse zu befriedigen suchte, erwiesen sich als Flops, so daß er die "call-jobs" getrost anderen überlassen konnte. "Ich brauche die Bewunderung der Massen nicht." Das höchste aller Gefühle ist für Farmer immer noch, in kleinen Clubs wie dem Wiener Jazzland zu spielen, "auch wenn nur fünfzig Leute darin sitzen".

Das kommt allerdings selten vor. Farmer hat weltweit eine breite und treue Fangemeinde und tourt heute ausgiebiger denn je, in Europa, Japan und den USA. "Je älter ich werde, umso mehr Arbeit kriege ich." Die damit verbundenen Strapazen nimmt er lächelnd in Kauf. "Das ist allemal besser, als hier herumzusitzen." Allerdings, lächelt er und nippt an seinem weißen Spritzer, "gibt es wenige Plätze auf der Welt, wo man so gern herumsitzt wie in Wien".

© Sven Gächter | UP - Lauda-air Bordmagazin Sommer 98


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08.04.1998 - Kultur News

Jazz ohne Motor-Probleme

Red Holloway, altgedienter Saxophonist, gastiert im Wiener Jazzland.

Daß der Saxophonist James "Red" Holloway in einigen Jazzlexika nicht geführt wird, liegt wohl daran, daß er sich nie auf einen einzigen Stil festlegte. Dabei sollte es Allgemeingut sein, daß gerade der Jazz sich stets andere Stile anverwandelt hat, ohne an Substanz zu verlieren. Eher im Gegenteil. Holloway, im rauhen Rhythm & Blues genauso zu Hause wie im Mainstream-Jazz, bespielt seit Jahrzehnten so ziemlich alle einschlägigen Klubs der Vereinigten Staaten und Europas. Für die ersten Abende seines Gastspiels im Wiener Jazzland wählte der 1927 geborene Amerikaner wohlbedacht das Charlie Ratzer Quartett als Begleitband. Die peppig gespielte Milt-Jackson-Hymne "Bag's Groove" startete den musikalischen Motor ohne jegliche Vorglühphase. Solide brummend jagte er das Vehikel Groove über die staubigen Landstraßen von Jazz, Blues und R&B. Das gefühlvolle Interplay der Band schaffte immer wieder Raum für seine rasanten Soli. Von Zeit zu Zeit erhob sich Ratzer von seinem Hocker, um zu demonstrieren, daß er der Lokalmatador im Bereich Gitarrengroove ist. Und Holloway hob anerkennend die Augenbrauen, wenn Ratzer bald den hart-summenden Sound Grant Greens zitierte, bald den öligen Charme der Melodik à la George Benson entwickelte. Achim Tang war am Kontrabaß gewohnt souverän, Oliver Kent glänzte mit dynamischem Anschlag, Schlagzeuger Lukas Knöfler ließ es adäquat knallen. Und wenn Holloway dann noch seine kratzige Singstimme erhob, um den funky Blues zu singen, kochte das "Landl".
(Red Holloway tritt noch heute, Mittwoch, mit Charlie Ratzer auf. Weitere Termine: 9. 4. (mit Christian Plattner, 10. 4. (mit dem Michael Starch Trio), 11. 4. (mit dem W. Großrubatscher Quartet).

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25.03.1998 - Kultur News

Im alten Herzen des Jazz

Kevin Mahogany, Shooting-Star des Jazzgesangs, bezauberte im Wiener Jazzland.
- VON SAMIR H. KÖCK -

Obwohl in den letzten Jahren die Fluten der elektronischen Musik Teile des Eilands Jazz frech überspülten, wußten sich traditionsbewußte Jazzer auf höher gelegene Punkte zu retten. Dorthin, wo man mehr Übersicht hat. Wo man das in Jahrzehnten Gereifte nicht vorschnell den Moden zu opfern bereit ist. Von solcher Gesinnung ist auch Kevin Mahogany aus Kansas City, der wohlselektierte Standards aus Jazz, Blues, Samba und Soul vokal vergoldet. Der gewichtige Sänger eroberte das Publikum bereits mit dem ersten Song, dem milde groovenden "Centerpiece". Dabei spielt Mahogany seine Stimmgewalt nur ganz selten aus. Zart intonierend, hat er zudem viel Gespür für Dramaturgie. Vor allem in der Art, wie er seine Scats anlegt, äußert sich eine selten gewordene Gelassenheit, die ihn wie eine geglückte Mischung aus Joe Williams und Billy Eckstine wirken läßt. Ob in rauhen Blues-Adaptionen von "Route 66" bis "Kansas City Blues" oder in tief von innen befeuerten Balladen wie "Foolish Heart": Mahogany zeigte, wie sehr ihn die Essenz dieser Lieder durchdrungen hat. Am berührendsten: seine Versionen von "All Blues" (Miles Davis) und "Goodbye Porky Pie Hat", wo er intensive Zwiesprache mit Baß und Gitarre hielt. Hier schaffte er die wundersame Verwandlung von Trübsal in Wohlklang, hier wurde Leid und Traurigkeit trotzig überwunden. Ganz so, als hätte er sich die Worte Becketts zu Herzen genommen: I can't go on, I will go on.

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07.03.1998 - Kultur News

Frischer Swing im Jazzland

Sheila Cooper sei "eine Sängerin mit ihrer Stimme und mit ihrem Instrument". So beschrieb der große Altsaxophonist Lee Konitz, Coopers Lehrer, den Stil der jungen Amerikanerin, die im Wiener Jazzland mit frischer, klarer Stimme verträumte Jazz-Standards interpretierte - und für den Improvisations-Part zum Altsaxophon griff, um ihren leichten Gesang auf völlig andere Weise fortzusetzen. Den guten alten Swing vergaß man bei expressiven, schnellen Läufen à la Charlie Parker; die lang angehaltenen Schluß-Silben, die sie als Sängerin mit feinem Vibrato ausschwingen ließ, intonierte sie auf dem Instrument trocken. Gefühlvolle Schleifer und gelegentliches Weinen - auf dem Saxophon! - schmückten ihr ausdrucksvolles Spiel "in the still of the night".
domi

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28.01.1998 - Kultur News

Marlon Jordan

Marlon Jordan, 28, Jazz-Trompeter aus New Orleans, gilt als der neue Wynton Marsalis, nur weniger kühl und "überperfekt". Seine Qualität erwies er im Wiener Jazzland: nicht nur mit technisch perfekten rasenden Läufen auf- und abwärts. Dazwischen gab's gellende Schreie und lockeres Plaudern zum Groove einer fulminanten Rhythmusgruppe: Am Kontrabaß begleitete David Pulphus mit Walking Bass; in den Soli artikulierte er sehr melodiöse Phrasen; und wie Slam Steward sang er auch, buchstäblich entrückt, herrlich dazu. Donald Edwards am Schlagzeug mußte vor gewagten Rhythmuswechseln nicht zurückschrecken. Fürs Herz blies Marlon Jordan mit warmem Sound den Miles-Davis-Klassiker "Bye, Bye Blackbird", für den Verstand eine Charlie-Parker-Komposition. Ein begabter Schüler der Meister ....
domi

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30.07.2017 - Die Presse

Dana Gillespie, höhere Tochter aus Woking (Großbritannien) mit österreichischen Wurzeln, erlebte die Swingin' Sixties als Akteurin. David Bowie schrieb ihr ein Lied, Bob Dylan küsste ihre Haar. Ihre aktuellen erdigen Bluesalben reflektieren, was sie damals an Schönheit und Trubel erlebt hat. Mit der »Presse am Sonntag« traf sie sich im Wiener Jazzland.
von SAMIR H.KÖCK

»Wien war sehr freundlich zu mir«

Sie haben die legendären Swingin' Sixties sowohl in der Film- wie in der Musikbranche in London erlebt. Woran denken Sie am liebsten zurück?
Dana Gillespie: An den Idealismus jener Jahre. Leidenschaft, Freundschaft und Freude leiteten uns. Und der Blues war das treibende Element. Ab 1963 gastierten die afroamerikanischen Stars im Rahmen des American Folk Blues Festival in Großbritannien. Das veränderte die Szene. Zu Beginn der Sechzigerjahre trugen alle noch brave Kleidchen oder Anzüge. Niemand auf der Bühne schwitzte. Das sollte sich ändern. Mitte der Sechziger ging es nur mehr um Rebellion und Experiment.

Was waren die hippen Treffpunkte?
Der Marquee Club in der Wardour Street in Soho. Sehr wichtig war auch The Cromwellian in Kensington, wo alle von Rod Stewart bis Eric Burdon aufspielten. Sogar Jimi Hendrix' erster Auftritt in London passierte dort. Er stieg bei Brian Auger ein. Ein anderer wichtiger Spot war der Blaises Club,ebenfalls in Kensington.

Auf "Weren't Born a Man", Ihrer berühmten Platte von 1974, waren Sie in Korsage abgebildet. War es ein weiter Weg von Folk und Glam Rock zum Blues?
Von der Musik her war es ein ganz natürlicher Prozess. Wie lang kann man schon den sexy Popstar geben? Als ich Anfang der Achtzigerjahre nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten mit dem Manager Tony De Fries ins Musikbiz zurückkehrte, war der Blues ideal. Ich ging zu Ace Records und sagte, ich würde gern ein Album mit den schmutzigsten Bluessongs machen, die es gibt. Es sollte ausschließlich um Sex gehen. Als Albumtitel schlug ich "Blue Job" vor. Das Label war begeistert. 1982 kam es heraus, und seither nehme ich für Ace auf.

Wie haben Sie David Bowie kennengelernt?
Das war 1963 im Marquee Club in Soho. Damals war es mein Plan, Schlagzeugerin zu werden. Es gab damals nur zwei britische Bands mit weiblichen Instrumentalisten. Eine davon spielte an diesem Abend. Im Marquee gastierten stets mehrere Bands pro Abend. Und so kam auch Bowie, damals noch David Jones, auf die Bühne. Zitronengelbes Haar und gekleidet wie Robin Hood, stach er mir sofort ins Auge. Seine Band hieß The King Bees. Er spielte Saxofon. Backstage sprach er mich an. Er nahm mir die Haarbürste aus der Hand und bemühte sich um meine Frisur, ehe er fragte, ob er heute Nacht bei mir schlafen könnte. Ich sagte sofort Ja.

Sie waren damals ja noch Schülerin. Wie lebten Sie?
Mit meinen Eltern in einem Riesenhaus nahe dem Victoria and Albert Museum. Ich nahm ihn mit heim. In meinem Dachzimmer stand nur ein Einzelbett. Aber das spielte – ohne mich jetzt in Details verlieren zu wollen – keine Rolle. Als David am nächsten Morgen mit mir die Treppe runterkam, glaubten meine Eltern, es handle sich um eine Schulkollegin von mir. "Das ist David Jones", stellte ich ihn vor. Das ungläubige Gesicht meines Vaters bleibt mir unvergesslich.

Wie hat sich dieser Kontakt vertieft?
Wir waren vom ersten Moment an Seelenfreunde. Es gab zwar auch horizontale Aktivitäten zwischen uns, aber wir verstanden uns in erster Linie auf höherer Ebene. Basis dafür war natürlich die Musik. Beide arbeiteten wir an eigenen Kompositionen. David war oft auf Tour und schlief mit vielen Mädchen. Das musste damals so sein. Als Mrs. David Jones wollte ich ohnehin nie gelten.

Sie entstammen einem großbürgerlichen Haus mit österreichischen Wurzeln und wuchsen höchst privilegiert in Woking auf. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Unser von Sir Edwin Lutyens gebautes Haus war höchst luxuriös. Der von der berühmten Gartendesignerin Gertrude Jekyll entworfene Garten ebenfalls. Ich hatte ein Pony, Hunde und Katzen. Es war ein Idyll. Meine ganze Liebe galt der Schokolade, der Musik und dem Garten. Ich dachte, mehr könne im Leben nicht mehr kommen. Mit zehn Jahren folgte der Schock. Wir zogen nach London um.

Jimmy Page, der berühmte Gitarrist von Led Zeppelin, hat früh einige Ihrer Lieder produziert. Wie kam das?
Aus heutiger Sicht ist es erstaunlich. Schon auf meinen ersten Singles fürs Label Pye spielte Donovan Begleitgitarre. Auf meinem Decca-Albumdebüt, "Foolish Season", waren die beiden späteren Led-Zeppelin-Musiker Jimmy Page (Gitarre) und John Paul Jones (Bass) mit von der Partie. Dick Rowe, der für Decca unter anderen die Rolling Stones verpflichtete, hatte neben seinen vielen Meriten einen einzigartigen Bauchfleck gelandet. Er lehnte die Beatles mit den berühmten Worten "Guitar groups are on their way out, Mr. Epstein" ab. Das ist in die Musikgeschichte eingegangen. Nach dieser Pleite war Rowe vorsichtiger. Wohl deshalb kam auch ich in den Genuss einer erstklassigen Produktion.

Auch der schon erwähnte Bowie-Manager Tony De Fries war ein ganz eigenes Kaliber. Wie erinnern Sie sich an ihn?
Tony De Fries legte seinen Beruf durchaus barock an. David Bowie empfahl ihn mir. Ich ging also in sein Büro in der Regent Street und war sofort mit Bewunderung geschlagen. De Fries pflegte stets zu sagen, wenn du nicht erster Klasse durchs Leben reist, dann wirst du selbst nie erstklassig. Was so falsch nicht sein kann, schließlich machte er Bowie so zum Star. In seinen besten Zeiten hatte er 40 Angestellte. Irgendwann krachte alles zusammen.

Den Song "Andy Warhol" hat Bowie tatsächlich für Sie geschrieben?
Ja, er hatte mir immer schon versprochen, einmal ein Lied fürmich zu komponieren. Ich sang es in den Trident Studios in Soho ein, dort, wo Bowie später "Ziggy Stardust" aufnahm. Bowie, Mick Ronson und später auch Lou Reed – wir lebten praktisch in diesem Studio. In den Studios waren damals noch keine Bürozeiten eingeführt. Es waren wundervolle, wilde Zeiten. Kurioserweise ist "Andy Warhol" der einzige Song meiner Karriere, mit dem ich mich nicht so recht identifizieren kann. Er ist mir einfach zu abstrakt.

Aus den Sechzigern stammt auch das schöne Foto, auf dem Bob Dylan Ihr Haar küsst. Wie kam das?
CBS gab 1965 einen großen Empfang für ihn. Dort traf ich ihn zum ersten Mal. D.A. Pennebaker filmte damals. Marianne Faithfull drängte sich ständig in die Kamera. Ich war viel zu naiv für so etwas. Aber im Film "Dont Look Back" kann man Dylan in der leeren Albert Hall über mich sprechen hören. Wir waren rasch Freunde, verloren uns aber in den Siebzigern aus den Augen.

1997 waren Sie eine England-Tournee lang sein Vorprogramm. Wie kam das?
Sein Management fühlte vor, als ich freudig zusagte, rief er mich dann eines Tages an, um seinen Besuch anzukündigen. 25 Jahre hatten wir einander nicht mehr gesehen. Er fläzte sich auf mein Sofa, und wir plauderten vier Stunden lang. Am Ende sagte er, dass er mein Songwriting immer geliebt hat. So etwas aus dem Mund von Dylan zu hören hat schon etwas Berauschendes.

Zu Beginn der Achtziger lebten Sie ein paar Jahre in Wien. Was war Ihre Intention?
Wien war sehr freundlich zu mir. Ich kam wie ein Vogel mit gebrochenem Flügel an. Keine Plattenfirma ließ mich damals aufnehmen. Regisseurin Mai Zeterling machte mir das Angebot, im Vienna English Theatre in "Play Things" von William Saroyan zu spielen. Ich nahm dankend an. Dann kamen weitere interessante Dinge hinzu. Ich sang mit der Mojo Blues Band, trat oft im Jazzland auf, moderierte die "Morning Show" auf Blue Danube Radio und hatte mit "Move Your Body Close to Mine" einen Riesenhit.

In Wien treten Sie vorzugsweise im Jazzland auf. Was schätzen Sie daran?
In erster Linie den Patron, Axel Melhardt. Er war mir all die Jahre ein treuer Freund. Und er ist ein leidenschaftlicher Clubbetreiber. Diese charismatischen kleinen Clubs sind leider weltweit im Aussterben, weil sie nicht viel Geld abwerfen. Man muss eine Kämpfernatur sein, um das zu stemmen.

Viele Ihrer Jugendfreunde wurden Weltstars. Ist Berühmtheit dasselbe wie Erfolg?
Keinesfalls. Ich kenne so viele sogenannte Stars, die total am Sand sind. Erfolg ist, wenn man ein zufriedener, reflektierter Mensch ist. Und wenn man das macht, was einem Freude bereitet. Ich bin jetzt 68 und singe immer noch. Ich hoffe, dass ich es noch so lang tue, bis sie mich im "wooden overcoat" von der Bühne tragen werden.

© DiePresse.com - Samir H. Köck


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23.06.2010 - mica-Interview mit Diknu Schneeberger

Mit gerade mal 20 Jahren zählt Diknu Schneeberger bereits zu den herausragendsten Gitarristen, die der Gypsy Jazz zu bieten hat. Auf seinem zweiten und aktuellen Album "The Spirit Of Django" huldigt er mit seinem Trio dem großen Idol Django Reinhardt. Im Interview mit Michael Masen spricht Schneeberger über dieses Album und gewährt einen Einblick in sein erst kurzes aber sehr erfolgreiches Schaffen.

Mit deinem Trio hast du vor kurzem deine zweite CD, "The Spirit Of Django", veröffentlicht. Kannst du ein wenig zur Entstehungsgeschichte erzählen?
Zum Einen war die Veröffentlichung meines Debüts, "Rubina", schon sehr lange her und zum Anderen hat es sich so ergeben, dass Django Reinhardt heuer 100 Jahre alt geworden wäre. Deshalb wollten wir unbedingt zu seiner Person ein Tribut-Album machen. So hat sich alles sehr gut zusammen gefügt.
Konzeptionell haben wir aus den Liedern, die wir live im Programm haben, einfach die besten ausgesucht und geschaut, wie das alles am stimmigsten zusammen passt. Natürlich sind da auch sehr viele Django Reinhardt-Kompositionen dabei. Und praktischerweise mussten wir auch für die Aufnahmen nicht proben, weil die Stücke ja ohnehin in unserem ständigen Repertoire sind.

Sind neben Django Reinhardt auch noch Werke anderer Komponisten vertreten?
Ja, aber zumeist sind das nicht so bekannte Leute. Wir haben beispielsweise ein Stück von Lulo Reinhardt, einem Gitarristen, eingespielt oder auch eines von Häns'che Weiss.

Sind auf deinem vor drei Jahren erschienenen ersten Album ausschließlich Stücke von dir oben gewesen oder auch Cover-Versionen?
Von mir selbst war da kein einziges Stück drauf. Das Lied "Rubina", nach dem die CD benannt ist, stammt von meinem Vater. Dann ist auch mit "Sandys Bolero" noch ein Stück von Martin Spitzer mit drauf. Wir haben teilweise gecovert, aber natürlich unser eigenes Ding draus gemacht. Auf der neuen CD hingegen ist gar nichts mehr gecovert, sondern es handelt sich dabei ausschließlich um unsere eigenen Arrangements.

War es anfangs schwierig, deine eigenen Sachen zu entwickeln, oder hat sich das ganz einfach automatisch ergeben?
Das war eine ganz natürliche Entwicklung. Aber so wirklich, im engeren Sinn, bin ich ja auch gar kein Komponist. Ich habe bisher drei Stücke geschrieben, die aber eigentlich auch nur durch Zufall entstanden sind. Die Arrangements ergeben sich meistens beim Proben. Ich bin also nicht so der Arrangeur oder Komponist, der sich hinsetzt und alles penibel notiert. Bei mir fügt sich vielmehr alles durchs Spielen zusammen.

Probt ihr eigentlich noch für eure Konzerte? Wenn ihr ca. 20 davon im Monat spielt, kann ich mir vorstellen, dass das nicht mehr unbedingt notwendig ist.
Meistens spielen wir einfach nur. Aber trotzdem finde ich Proben ganz wichtig. Es unterscheidet sich halt schon sehr von einem Auftritt. Wir versuchen eh ständig, vermehrt Proben einzubauen, aber jeder einzelne von uns hat einfach so viel zu tun, dass wir uns in dieser Hinsicht manchmal schwer tun.

In wie vielen Bands bist du außer deinem eigenen Trio noch aktiv?
Ich bin derzeit eigentlich auf drei Bands fixiert. Zum Einen ist da mein eigenes Diknu Schneeberger-Trio, dann gibt es eine Band meines Vaters, das Joschi Schneeberger-Sextett und zudem spiele ich noch in einem Trio-Ensemble mit Benjamin Schmidt, einem Solo-Geiger, der aus der Klassik kommt.

Gehen alle diese Projekte in die Gypsy Jazz-Richtung oder gibt es zwischen den Formationen gröbere stilistische Unterschiede?
Am meisten Gypsy Jazz spiele ich von diesen drei Formationen eigentlich in meiner Band, obwohl ich auch da versuche, vermehrt Popstücke mit rein zu nehmen. Zuletzt beispielsweise "And I Love Her" von den Beatles. Dann mag ich noch sehr diesen Flamenco Touch, aber eben natürlich hauptsächlich Django Reinhardt-Musik. In seinem Sextett hat mein Vater jetzt eine Vision umgesetzt, nach der Karl Hodina wienerisch singt und wir eben dazu Gypsy Jazz spielen. Das ist eine super Kombination, wie ich finde. Und mit Benjamin Schmidt bekommt die Gypsy Musik einen Klassik-Einschlag.

Hast du dich von Anfang an ausschließlich mit der Gitarre beschäftigt oder auch mal mit anderen Instrumenten?
Ich habe eigentlich erst sehr spät damit begonnen, Gitarre zu spielen. Lange Zeit hatte ich gar kein Interesse daran. Ich habe vorher ungefähr zweieinhalb Jahre Schlagzeug gespielt, aber nur so hobbymäßig als Ausgleich zur Schule oder zum Fußballspielen. Mit 14 Jahren habe ich dann die Gitarre in die Hand genommen, habe Unterricht bekommen und in kürzester Zeit habe ich gewusst, dass mir das viel mehr liegt und mir richtig Spaß macht. Von da an habe ich dann eigentlich ununterbrochen geübt; den ganzen Tag lang und ich habe gar nicht mehr aufhören können und wollen.

Und das Bedürfnis, irgendwann später mal zu einem anderen Instrument zu greifen oder vielleicht auch E-Gitarre zu spielen, war bei dir nie vorhanden?
Doch, eigentlich schon. Ich habe kurz einmal probiert, E-Gitarre zu spielen, aber irgendwie liegt mir das nicht so. Ich kriege da den typischen Sound nicht so raus, wie ich es mir vorstelle. Aber akustische, klassische Gitarre würde mich sehr interessieren. Das möchte ich schon gerne auch mal ausprobieren.

Hast du eigentlich Probleme damit, jüngere Leute zu finden, mit denen du deine Musik spielen kannst? Hierzulande ist Gypsy Jazz ja in deiner Altersgruppe nicht besonders populär.
Das ist eben das Problem. Diese Art von Musik kennt hier fast niemand und gerade in Österreich ist sie sehr unbekannt. Ich habe vielleicht jetzt auch hier ein wenig die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, aber ansonsten ist Gypsy Jazz eher in Deutschland oder Frankreich gefragt und bekannt. In Österreich kenne ich eigentlich keinen Musiker, der das mit mir machen könnte.

Dementsprechend ist dann wohl in anderen Ländern auch das Publikum jünger?
Ja. Vor allem kommen dort auch immer wieder junge Musiker, die ebenfalls genau diesen Stil spielen, zu mir, um zu plaudern. Das kommt hierzulande fast gar nicht vor.

Siehst du eine Möglichkeit, diese Musik auch in Österreich populärer zu machen?
Ein Bekannter von mir hatte gerade erst die Idee, hier eine Sinti- und Romamusikschule zu eröffnen. Ich glaube, wenn ihm das gelingt, wäre es schon ein großer Schritt für diese Musik. Da würden mit Sicherheit viele junge Leute, auch Nicht-Zigeuner, hinkommen und die Musik in Folge stärker verbreiten.

Hättest du selbst auch Interesse daran, Musik zu unterrichten?
Ich würde schon wollen, aber das liegt mir einfach überhaupt nicht. Wie ich es mir selbst beigebracht habe, hatte ich auch einen ganz anderen Zugang dazu. Ich könnte das wohl nur ganz schlecht weitergeben. Ein paar mal habe ich es zwar schon versucht, aber ich tue mir dabei wirklich sehr schwer.

Selber studierst du derzeit ja gerade Jazzgitarre. Ist das Studium für deinen eigenen Stil förderlich?
Für den Gypsy Jazz hat es mir bis jetzt eigentlich gar nichts gebracht. Aber ich bin jetzt auch schon ein dreiviertel Jahr lang beurlaubt, weil wir eben sehr viel unterwegs sind, viel spielen und ich wirklich ziemlich wenig Zeit habe, für mein Studium zu lernen. Da ist ja auch sehr viel Theorie dabei, Noten schreiben, Noten lesen und das liegt mir nicht so wirklich.
Natürlich kann man bei diesem Studium viele andere Sachen lernen, aber für diesen Gypsy Jazz-Stil bringt es einem nicht wirklich etwas.

Du verdienst mit deiner Musik ja deinen Lebensunterhalt. Wenn du jetzt mal 20, 30 Jahre in die Zukunft schaust, siehst du dich da immer noch in der Rolle des permanent tourenden Musikers?
Ja, auf jeden Fall, weil das einfach wirklich meine Leidenschaft ist. Ich mache das nicht, um viel Geld zu verdienen oder um berühmt zu werden, sondern bloß, weil es in meinem Herzen drin ist. Es ist einfach ein Traum, der für mich in Erfüllung gegangen ist.

Hast du auch Pläne, irgendwann mal für längere Zeit ins Ausland zu gehen? Gerade, weil dort ja auch viele jüngere Leute leben, die diese Musik mögen und selbst spielen?
Im Moment eigentlich überhaupt nicht. Aber in ein paar Jahren kann ich mir das schon vorstellen, wenn ich Lust darauf hätte. So wirklich einen Plan habe ich diesbezüglich aber noch nicht.

Stichwort "Plan". Die neue CD ist ja noch nicht so lange heraußen, aber gibt es bereits wieder Ambitionen, neues Material aufzunehmen?
Vor kurzem war ich mit dem Benjamin Schmidt im Studio, der demnächst auch eine CD raus bringen wird. Ich weiß aber noch nicht, wann genau das sein wird. Und für meine eigene Band gibt es auch schon wieder Ideen. Und zwar werden auf das nächste Album wahrscheinlich nur Eigenkompositionen von uns rauf kommen und dann wollen wir unbedingt auch Gastmusiker mit dabei haben.

Habt ihr einige dieser Kompositionen bereits fertig oder ist das alles erst im Planungsstadium?
Das ist momentan alles nur in unseren Köpfen. Aber man kann etwa auch Stücke, die es schon gibt, in einem ganz anderen Arrangement, einem ganz anderen Flair, aufnehmen.

Stehen schon irgendwelche Gäste fest, die unbedingt am Album mitarbeiten sollen?
Ja, da gibt es schon einige Ideen, aber wir sind uns noch nicht ganz sicher. Bis auf Benjamin Schmidt habe ich noch niemanden gefragt. Ihn möchte ich aber auf jeden Fall bei den Aufnahmen mit dabei haben. Außerdem habe ich noch Thomas Gansch, ein Trompeter, und den Klarinettisten Herbert Swoboda ins Auge gefasst. Die gefallen mir sehr gut und würden auch wunderbar zum Stil meines Trios passen.

Vielen Dank fürs Interview.

© Michael Masen/Mica - Music Austria


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Auszugsweise Wiedergabe eines Interviews mit Fritz Pauer
(Das komplette Interview gibt es hier: mica-interview-mit-fritz-pauer)

05.01.2009 - mica-Interview mit Fritz Pauer

Seit Anfang der Sechziger Jahre ist Fritz Pauer so gut wie nicht mehr aus der heimischen und internationalen Jazz-Szene wegzudenken. Er hat mit unzähligen Musikgrößen, darunter beispielsweise Fatty George, Friedrich Gulda und Joe Zawinul, zusammen gearbeitet und ist derzeit mit seinem Fritz Pauer Trio aktiv. Darüber hinaus wurde er zuletzt mit dem Staatspreis für improvisierte Musik ausgezeichnet.

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Siehst du die Jazz-Musik generell in einer Sackgasse angekommen, oder besteht noch Weiterentwicklungspotential - insbesondere hinsichtlich großer, richtungweisender Entwicklungen?

Das ist irgendwie ein Merkmal der Abendländischen Kultur generell, dass wir immer in "Weiterentwicklungen" denken müssen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es eigentlich weniger um Weiterentwicklung geht, sondern mehr um Verfeinerung und Verbesserung von Dingen, die es schon gibt. Es bestehen so viele Variationsmöglichkeiten, beispielsweise, wie ich heute einen Standard interpretieren kann. Wenn ich mir jetzt eine CD von der Simone Kopmajer hernehme, dann finde ich darauf viele Standards, Evergreens, aber diese sind in einer Weise arrangiert und gespielt, wie man es vorher nicht gekannt hat. Natürlich, wenn man von vornherein eine Abneigung gegen Jazz-Standards hat und der Meinung ist, der Jazz wäre sowieso veraltet, dann wird man wohl keinen Zugang finden. Aber wenn man sich darauf einlässt, so wird man erkennen, dass es sich dabei um sehr schöne Musik handelt, wo jede Menge Feinheiten herausgearbeitet werden und man mitbekommt, dass es doch noch viel Neues zu entdecken gibt.

Ich denke, das Schöne an der heutigen Zeit ist es, dass eben die Musik mit unserem chromatischen System schon so durchprobiert wurde, von all den großartigen Komponisten und auch Jazz-Improvisatoren, dass man darauf sehr gut zurück greifen kann. Man hört es ja auch an der sogenannten zeitgenössischen Jazz-Musik, wie viel man sich an bereits erprobten Erfahrungen bedient, wo es dann primär um die persönliche Auswahl und Zusammenstellung geht - das ist für mich das Neue.

Wenn man die Musik rein strukturell weiter entwickelt, dann landet man letzten Endes beim Geräusch. Aber ich finde, und das zeigen auch einige zeitgenössische Komponisten in allen Stilbereichen auf, dass man auf tonalen, also diatonischen Instrumenten noch unzählige Klangmöglichkeiten vorfindet. György Ligeti hat einmal in einem Portrait gesagt: "Wir schließen das Fenster und wir machen Musik - wir öffnen das Fenster und der Klang geht weiter." Das trifft es für mich eigentlich ganz gut. Was wir als Menschen mit den akustischen Instrumenten produzieren, ist unübertrefflich, genauso wie in der Bildenden Kunst. Bei allen Computer-Grafiken und zur Verfügung stehenden Maschinen wird man immer wieder zu den herkömmlichen Farben, zur Leinwand und zum Pinsel zurück kommen, bzw. sogar zum Bleistift.

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Das Interview führte Michael Masen.

© Michael Masen/Mica - music austria - www.musicaustria.at


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